Geheime Klangwelt des Altertums Menschen mit Echos manipuliert
17.02.2012, 15:36 Uhr
Wer vor der Pyramide von Kukulkan in Chichen Itza in die Hände klatscht, hört als Echo einen Vogel. Echos waren im Altertum ein beliebtes Mittel, um Untertanen zu beeindrucken und zu manipulieren.
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Herrscher des Altertums wussten sich auch ohne Mikrofon Gehör zu verschaffen. Echos waren ein beliebtes Mittel, um Untertanen zu beeindrucken und zu manipulieren. Selbst beim Bau von Stonehenge soll die Akustik den Ausschlag gegeben haben.
Ob in Delphi, Mexiko oder der 3000 Jahre alten Zeremonienstätte Chavín de Huántar von Peru: Akustische Effekte spielten eine wichtige Rolle im Altertum. In Chavín bedienten sich die Priester nach Erkenntnis der Stanford-Forscherin Miriam Kolar eines langen Labyrinths von Gängen, um das Orakel mächtiger klingen zu lassen. Und wer vor der Pyramide Chichén Itzá in Mexiko in die Hände klatscht, hört als Echo einen Vogel.
Es gleiche dem Zwitschern des Quetzals (Pharomachrus mocinno), der von den Mayas als Götterbote verehrt wurde, berichtete der Amerikaner David Lubman auf einem Wissenschaftskongress im kanadischen Vancouver. Lubman ist wie Kolar Experte der Archäoakustik, einer jungen Disziplin, die die verborgene Klangwelt jahrtausendealter Fundstätten untersucht. Dieser Aspekt der Archäologie sei bisher stark vernachlässigt worden, gewinne aber langsam an Boden, sagte Lubman auf der Jahrestagung des amerikanischen Wissenschaftsverbandes AAAS.
Frühes Wissen um akustische Effekte
Vieles weise darauf hin, dass das Quetzal-Echo kein Zufallstreffer, sondern Ergebnis früher architektonischer Finesse ist. Lubman vermutet, dass sich Priester des Altertums darauf verstanden, das Volk mit Klangeffekten zu manipulieren. Echos verliehen ihnen Macht. Im Fall des Quetzals "konnten eben nur sie das Zwitschern des Götterboten interpretieren".
Im peruanischen Chavín führte ein "akustischer Kanal" über eine Länge von einem Kilometer durch Andenhöhlen, bevor er auf einen Zeremonienplatz mündete. Der Kanal war allem Anschein nach so angelegt, dass er Sprache verzerrte und Lautstärke multiplizierte, sagt Kolar. Der akustische Effekt muss bekannt und von den Erbauern des Höhlensystems so beabsichtigt gewesen sein, fand ihr Team. Chavín wurde von einer Kultur betrieben, die noch vor den Inkas lebte.
Experimente in Stonehenge

Die Kultstätte Stonehenge beherbergt ein ehemals mystisches, akustischen Phänomen.
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Auch die Architektur der prähistorischen Kultstätte Stonehenge im Süden von England ist möglicherweise auf ein akustisches Phänomen zurückzuführen. Die Anordnung der Steinkreise dürfte von der Wahrnehmung von Schallwellen beeinflusst worden sein, die sich gegenseitig verstärken und aufheben, spekulierte der kalifornische Akustikexperte Steven Waller in Vancouver.
Der heute als Interferenz bekannte Effekt habe auf die Stonehenge-Erbauer vermutlich eine starke mystische Wirkung ausgeübt, sagte Waller. Seine Theorie basiert auf Experimenten in Stonehenge mit zwei Flöten. Beide Instrumente spielten längere Zeit in derselben Tonhöhe. Ihre Lautstärke stieg infolge der Interferenz je nach Ort an oder nahm ab.
Testpersonen, die der Forscher mit verbundenen Augen im Kreis herumführte, meinten irrtümlich, an einigen Stellen durch Säulen vom Klang der Flöten abgeschnitten zu sein. Die Stonehenge-Architekten dürften der gleichen akustischen Illusion zum Opfer gefallen sein und ihre Steine entsprechend der Klanglücken platziert haben, meint Waller.
Quelle: ntv.de, Gisela Ostwald, dpa