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Seuche rafft Population dahin Millionen Seesterne verlieren ihre Arme

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Besonders hart traf es die Art "Pisaster ochraceus" - hier ein von der Seuche befallenes Tier.

(Foto: Elizabeth Cerny-Chipman, Oregon State University)

Vor der nordamerkanischen Pazifikküste sterben monatelang Millionen Seesterne an einer rätselhaften Seuche. Nun kehren Jungtiere zurück - in unfassbarem Ausmaß. Wissenschaftler heben die Augenbrauen.

Die Seestern-Population der nordamerikanischen Westküste verursacht bei Forschern Stirnrunzeln: Erst sterben die Tiere in Massen, stellenweise wird fast der komplette Bestand der Seestern-Art "Pisaster ochraceus" dahingerafft. Dann plötzlich steigt die Zahl der quicklebendig gefundenen Jungtiere auf ein bis dato nie gesehenes Hoch. Was sich wie das glückliche Ende eines dramatischen Massensterbens anhört, könnte jedoch täuschen - Entwarnung geben Wissenschaftler nämlich keineswegs. Die Vorgänge an der Pazifikküste zwischen Kalifornien und Alaska hat ein Team der Universität Oregon in einer Studie untersucht, die nun im Fachblatt "PLOS One" veröffentlicht wurde.

Die Geschichte beginnt im Frühling 2013: In der Nähe von Vancouver und an der kalifornischen Küste werden Seesterne beobachtet, die an einer merkwürdigen Seuche leiden, dem sogenannten Sea Star Wasting Syndrome (SSWD). Für die Tiere hat eine Infektion tödliche Folgen, die einem "Schmelzen" gleichkommen: Die Seesterne werden schlaff, verlieren langsam den Halt an den Steinen, auf denen sie sitzen. Schließlich dehnen sich die Glieder, die Arme des Seesterns verdrehen sich und fallen ab. All das passiert innerhalb weniger Tage, manchmal Stunden.

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Das Zerfallen kann sehr schnell gehen: Der Vergleich zeigt einen erkrankten Seestern im Abstand von nur vier Stunden.

(Foto: Menge et al.)

Die mysteriöse Krankheit breitet sich weiter aus - mit fatalen Konsequenzen für die Seestern-Population. Bis zum Herbst 2014 bricht diese um bis zu 84 Prozent ein, rund 20 Arten sind betroffen. Millionen Tiere sterben nach Angaben der US-Biologin Drew Harvell. Besonders hart trifft es "Pisaster ochraceus" - diese Seestern-Art bricht an manchen Orten um bis zu 99 Prozent ein. Noch immer sind die Hintergründe unklar. Eine Untersuchung im Jahr 2014 macht einen Virus verantwortlich. Dennoch bleiben die genauen Zusammenhänge ein Mysterium, denn der Virus allein kann nicht für das Massensterben verantwortlich sein; er findet sich nämlich auch in gesunden Tieren.

Anfang 2016 bringen Forscher zudem warme Wasserströmungen in Zusammenhang mit einem schnelleren Fortschreiten der Seuche in Kalifornien. Die neue, nun im Mai veröffentlichte Studie zeigt aber: Dies gilt nicht für andere Gebiete wie zum Beispiel Oregon - dort beobachteten die Forscher im Gegenteil, dass kühlere Temperaturen ein Ausbreiten des Virus begünstigen. Das Fazit: Man ist auch drei Jahre nach dem Ausbruch der Seuche nicht viel schlauer. "Angesichts der Tatsache, dass es unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Temperatur gibt, die ein Auslöser des SSWD sein könnte, ist wahrscheinlich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren für den Ausbruch verantwortlich", formulieren die Wissenschaftler. Welche Faktoren das sind, bleibt nach wie vor ein Rätsel. Wie die Universität im kalifornischen Santa Cruz betont, gibt es keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang mit der AKW-Katastrophe in Fukushima im Jahr 2011.

Zahl der Jungtiere so hoch wie nie

Die Forscher zeigen in ihren Untersuchungen auch, dass es in den vergangenen Monaten eine beispiellose Rückkehr der Seestern-Population gegeben hat. "Die Zahl der Jungtiere war Jenseits von Gut und Böse - höher, als wir es jemals gesehen haben, bis zu 300 Mal höher als normal", sagt Bruce Menge von der Universität in Oregon, der die neueste Studie verantwortlich durchgeführt hat. Als Gründe für die hohe Zahl an Jungtieren vermuten die Forscher, dass durch das Massensterben nun besonders viel Nahrung verfügbar ist. "Es wurden nicht mehr Seesterne geboren - es gab nur eine enorm hohe Überlebensrate der Jungtiere", erklärt der Biologe.

Gute Nachrichten also? Nicht unbedingt. Denn trotz der erfreulich hohen Zahlen ist keineswegs sicher, dass sich die Seestern-Population langfristig erholen wird. "Die große Frage bleibt, ob die Jungtiere es schaffen, erwachsen zu werden und die Population wieder zu stärken, ohne selbst Opfer von SSWD zu werden", sagt Menge. Denn noch immer werden verendete Tiere beobachtet. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich das Sterben wieder ausbreitet.

Völlig unklar ist noch, welche Auswirkungen das Massensterben auf das Ökosystem hat. Viele der von der Krankheit befallenen Spezies gelten als wichtige Schlüsselarten: Sie haben durch ihr Jagdverhalten einen regulierenden Einfluss auf die Artenvielfalt. Die Wissenschaftler erwarten große Veränderungen in der örtlichen Meeresfauna - welche das sein könnten, wird in der Studie jedoch nicht formuliert. Eines ist jedoch sicher: Sollte die Seuche in großem Stil wiederkehren, wäre das fatal für die Seesterne.

Quelle: ntv.de

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