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Günstig, ungekühlt, zugelassen Mittel gegen hochgefährliche Kobra-Bisse gefunden

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Einige Kobra-Arten können ihr Gift über mehrere Meter verspritzen. Aber ihre Bisse sind meist noch gefährlicher. (im Bild eine Ägyptische Speikora, Naja nubiae)

Einige Kobra-Arten können ihr Gift über mehrere Meter verspritzen. Aber ihre Bisse sind meist noch gefährlicher. (im Bild eine Ägyptische Speikora, Naja nubiae)

(Foto: The Trustees of the Natural History Museum, London and Callum Mair)

Bisse von Kobras töten jedes Jahr viele Tausend Menschen oder fügen ihnen bleibende Schäden zu, durch absterbendes Gewebe an der Bissstelle. Ein Forschungsteam findet einen Wirkstoff, der helfen könnte: Heparinoide, also Gerinnungshemmer. Sie bringen viele Vorteile mit sich, sind preiswert und müssen nicht gekühlt werden.

Bestimmte Gerinnungshemmer können vor dem Gift von Kobras schützen. Diese sogenannten Heparinoide - darunter das als Medikament zugelassene Heparin Tinzaparin - neutralisierten in Versuchen an Zellen und Mäusen weitgehend die Toxine verschiedener Kobraarten.

Dies sei ein großer Fortschritt, da Schlangenbisse vor allem in ländlichen Regionen aufträten und diese Mittel nicht gekühlt werden müssten, betont das Forschungsteam um Tian Du und Greg Neely von der Universität Sydney. Gezielte Studien an Menschen stehen allerdings noch aus.

"Tödlichste aller vernachlässigten tropischen Krankheiten"

Durch Schlangenbisse sterben weltweit geschätzt 138.000 Menschen pro Jahr, vor allem in Afrika und Asien, wie die Gruppe im Fachblatt "Science Translational Medicine" schreibt. Weitere 400.000 Menschen erleiden demnach bleibende Schäden - etwa den Verlust des Sehvermögens oder Amputationen von Gliedmaßen, deren Gewebe lokal durch das Gift abstirbt. "Schlangenbisse sind die tödlichste aller vernachlässigten tropischen Krankheiten (NTDs), und diese Last schultern vor allem ländliche Gemeinden in Ländern mit mittleren und niedrigen Einkommen", heißt es weiter.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will die gesundheitlichen Folgen solcher Bisse bis zum Jahr 2030 halbieren - zum Erreichen dieses ehrgeizigen Ziels könnte die aktuelle Studie beitragen. Darin konzentrierten sich die Forschenden zunächst auf Speikobras, insbesondere auf die Afrikanische Speikobra (Naja nigricollis) - auch Schwarzhalskobra genannt - und die Rote Speikobra (Naja pallida).

Gift wird über mehrere Meter verspritzt

Die Arten bewohnen große Teile Afrikas südlich der Sahara und können ihr Gift über mehrere Meter verspritzen. Gefährlicher sind gewöhnlich jedoch die Bisse, um die es in der aktuellen Studie geht. Generell sind Schlangengifte Cocktails aus verschiedenen Toxinen - bei Kobras bestehen sie vor allem aus bestimmten Formen des Enzyms Phospholipase A2 (PLA2) sowie aus den nach ihrer dreigliedrigen Form benannten 3-Finger-Toxinen (3FTx), die auch bei etlichen anderen Giftschlangen vorkommen.

Bisher werden Antivenome gegen ein bestimmtes Schlangengift dadurch gewonnen, dass man etwa Pferden den Giftcocktail einer Art verabreicht und dann aus ihrem Blut Antikörper isoliert. Dieses noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Vorgehen ist sehr aufwendig: Die Präparate müssen gekühlt werden, sie werden intravenös injiziert, die Nebenwirkungen können heftig sein und die Erfolgsaussicht ist mäßig - zudem ist das Verfahren mit beträchtlichem Tierleid verbunden.

Und: Gegen die lokalen Folgen im Gewebe um die Bissstelle helfen diese Antivenome nicht. Genau darauf konzentrierte sich die aktuelle Studie. Mit genetischen Analysen ermittelte die Forschungsgruppe, welche menschlichen Gene für die lokale Wirkung der Zellgifte erforderlich sind. Demnach binden Kobratoxine unter anderem an Enzyme, die zur Bildung der sehr ähnlichen Moleküle Heparan und Heparin benötigt werden. Heparan ist ein Molekül an der Zelloberfläche, Heparin wird vom Immunsystem produziert.

Neutralisierung der Zellgifte

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Die Studie ergab, dass verabreichte Heparinoide sich an die Zellgifte binden und sie so neutralisieren können. Das galt nicht nur für die untersuchten Speikobras, sondern auch für die Gifte von in Asien lebenden Arten der Gattung Naja - etwa der Monokelkobra (Naja kaouthia), der Chinesischen Kobra (Naja atra) und der Südasiatischen Kobra (Naja naja). Gegen die Gifte von Westafrikanischer Sandrasselotter (Echis ocellatus) und Puffotter (Bitis arietans) richteten Heparinoide dagegen nichts aus.

"Unsere Entdeckung könnte die schrecklichen Verletzungen durch das Zellsterben infolge von Kobra-Bissen drastisch senken und auch die Giftwirkung bremsen, was wiederum die Überlebensraten steigern würde", wird Studienleiter Neely in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Erstautorin Du ergänzt: "Heparin ist kostengünstig, gängig und wird von der WHO als unentbehrliches Arzneimittel gelistet. Nach erfolgreichen klinischen Studien könnte es recht schnell ausgegeben und eine billige, sichere und wirksame Arznei gegen Kobra-Bisse werden."

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa

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