Von der Fischerei ausgerottet Rochen vom Aussterben bedroht
21.11.2009, 14:56 UhrEine Untersuchung hat ergeben, dass der im Nordostatlantik lebende Glattrochen stark vom Aussterben bedroht ist. Es könnte die erste Fischart werden, die von der industriellen Fischerei zum Opfer fällt.
Der im Nordostatlantik lebende Glattrochen (Dipturus batis) könnte zur ersten Fischart werden, die von der industriellen Fischerei ausgerottet wird. Das hat eine breit angelegte Untersuchung in mehreren französischen Häfen ergeben, wo ein Großteil des bekannten Fangs (60,2 Prozent) angelandet wird.
Wie Samuel Iglesias von der Station de Biologie Marine in der bretonischen Hafenstadt Concarneau berichtet, handelt es sich bei den Tieren gar nicht um eine Art, sondern um zwei. Damit sei deren ohnehin schon seit langem stark dezimierter Bestand jeweils geringer als angenommen. Die Rote Liste der bedrohten Arten führt die Rochen bereits in der Kategorie "kritisch gefährdet" – die nächste Stufe lautet "in der Wildnis ausgestorben". Iglesias berichtet im Journal "Aquatic Conservation" von seinen Resultaten.
Besonders hohes Austerberisiko
Dazu gehörte eine genaue Analyse von 4110 der Rochen im Gesamtgewicht von 14 081 Tonnen in mehreren großen französischen Fischereihäfen, die vielfach in der Bretagne liegen. Dabei zeigte sich, dass insgesamt fünf Rochenarten unter nur zwei Namen angelandet, verzeichnet und gehandelt werden (Dipturus batis und Dipturus oxyrinchus). Trends in den Fangstatistiken zeigten seit den 1960er Jahren einen dramatischen Rückgang. Der Laichbestand der Tiere sei bereits kollabiert, was einen Wiederaufbau der Populationen verhindere. Das Aussterbe-Risiko dieser erschöpften Bestände könnte höher sein als bisher angenommen. Ohne den sofortigen und entschlossenen Schutz könne sich das Aussterben schnell als unvermeidbar erweisen.
Die Fische werden mit Grundschleppnetzen gefangen, um deren "Flügel", also die beiden seitlichen Körperteile abzutrennen und zu essen. Rochen leben in Bodennähe und spüren ihre Nahrung – etwa Krabben oder Fische – mit der empfindlichen Maulregion auf. Anders als Hering oder Kabeljau haben Rochen nur sehr wenige Nachkommen, die in großen Eikapseln heranwachsen. Daher ist das Ausrottungsrisiko für solche Fische, die zudem erst spät die Geschlechtsreife erreichen, besonders groß. Die Netze, so erklärt es der französische Fischereiforscher weiter, holen sowohl ausgewachsene als auch junge Rochen aus dem Meer.
Drastischer Rückgang
Die Fische waren im Nordostatlantik einst häufig, seit dem 20. Jahrhundert geht der Bestand zurück. In der Irischen See und dem Kanal von Bristol wurden bei Kontrollfahrten zwischen 1988 und 1997 nur noch sechs Exemplare des Glattrochens gefangen. Allein in den Fischhallen von Concarneau gab es von 1969 bis 1979 einen Rückgang um 91 Prozent (von 922 auf 81 Tonnen). Die exotisch aussehenden und in großen Schau-Aquarien beliebten Tiere gehen vielfach als Beifang ins Netz, wenn etwa auf den Seeteufel (Lophius piscatorius) Jagd gemacht wird. Wenn die Netze aus der Tiefe geholt werden, sind die Fische darin bereits meist derart geschädigt, dass sie auch dann sterben, wenn sie wieder ins Meer geworfen werden.
Iglesias sieht statt der bisherigen Art Dipturus batis nun derer zwei, vorläufig Dipturus cf. flossada (maximale Länge 143 Zentimeter) und Dipturus cf. intermedia (maximale Länge 228 Zentimeter) genannt. An der offiziellen wissenschaftlichen Beschreibung wird gearbeitet. Beide gehören zur Ordnung der Echten Rochen (Rajidae), als deren größter Vertreter der Glattrochen bisher bereits galt. Das Bestimmen von Rochen ist auch für Biologen nicht einfach. Das Äußere der Tiere ähnelt sich häufig, daher müssen Details der Augen, der Flossenanordnung oder der Zähne untersucht werden. Und werden selbst heute noch neue Arten beschrieben.
Verheerende Schleppnetze
Das Problem mit den Rochen ist eines von vielen Beispielen für die Schäden, die die moderne Fischerei mit ihren Schleppnetzen anrichtet: Starke Boote ziehen riesige Netze über den Boden, in denen sich alle möglichen Arten verfangen. Schutzorganisationen wie Greenpeace, der WWF, Oceana und viele weitere verlangen ein Ende der verheerenden Schleppnetzfischerei – ihrer Ansicht nach einer der schlimmsten Eingriffe in die Natur. Dieser verursache bei kurzfristigem finanziellen Nutzen für einige wenige Fischer einen unverhältnismäßig großen Schaden für den Rest der Menschheit.
Quelle: ntv.de, dpa