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Vernichtung der syrischen Chemiewaffen So arbeiten die Friedensnobelpreisträger

Noch ist die OPCW dabei, die syrischen Giftgas-Kontingente genau zu dokumentieren.

Noch ist die OPCW dabei, die syrischen Giftgas-Kontingente genau zu dokumentieren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Erst der syrische Bürgerkrieg hat die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen einem breiteren Publikum bekannt gemacht. In einer der gefährlichsten Gegenden der Welt bereiten Experten der OPCW derzeit die Vernichtung von Substanzen vor, die schon in kleinsten Mengen tödlich wirken. n-tv.de beantwortet die Fragen zur Arbeit der frisch gekürten Friedensnobelpreisträger.

1. In welchen Mengen hat Syrien Chemiewaffen gelagert?

Es geht um 1000 bis 1300 Tonnen Giftgas.

2. Um welche Kampfstoffe handelt es sich?

Hauptsächlich wohl um das Nervengift Sarin. Es ist farb- und geruchlos und greift den Körper über Atmungsorgane, Haut und Augen an. Schon in kleinsten Mengen ist Sarin tödlich. Schutz bietet nur ein Ganzkörper-Schutzanzug mit Atemschutzmaske. Neben Sarin gehören auch Senfgas, ein Hautgift, und das Nervengas VX zum syrischen Chemiewaffen-Arsenal.

3. Wie werden die Chemikalien in Syrien gelagert?

Nach Aussage von Syriens Staatschef Assad wird das Material nicht waffenfähig aufbewahrt. Es soll sich also in Containern und Kanistern befinden und noch nicht in Granaten abgefüllt worden sein. Jedoch gibt es auch anderslautende Angaben, nach denen sich zumindest die meisten Hautkampfstoffe bereits in Sprengkörpern befinden.

4. Wie werden die Kampfstoffe unschädlich gemacht?

Das richtet sich danach, in welcher Form die Kampfstoffe vorliegen. Lagert das Sarin noch in Tanks, wird es verbrannt. Wie Kersten Christoph Link von der Eisenmann AG in Böblingen erklärt, geschieht das mit einem Spezialofen, einem sogenannten Hochturbulenzreaktor.

Als weltweit erster Staat hat Albanien all seine chemischen Waffen vernichtet. Die Technologie lieferte Eisenmann. "Ein sehr spezieller Markt", so Vorstandsmitglied Link.

Als weltweit erster Staat hat Albanien all seine chemischen Waffen vernichtet. Die Technologie lieferte Eisenmann. "Ein sehr spezieller Markt", so Vorstandsmitglied Link.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Giftgas wird in flüssiger Form dort eingebracht und dann bei 1200 Grad Celsius verbrannt. Die dabei entstehenden Rauchgase werden gefiltert und gewaschen, das Waschwasser schließlich in einer Kläranlage entsorgt.
Müssen in Granaten abgefüllte Kampfstoffe beseitigt werden, kann das in speziellen Sprengöfen geschehen. Die Granaten werden dann in den explosionssicheren Ofen geschickt und dort bei gut 500 Grad Celsius vernichtet. Die Rauchgase werden auch in diesem Fall gereinigt.

Einige noch nicht weiter verarbeitete chemische Ausgangsstoffe lassen sich durch die Verdünnung mit Wasser, unter Umständen durch Beigabe von Kalk oder Natronlauge, entschärfen. Das Ergebnis ist eine weniger giftige Chemikalie, die ebenfalls verbrannt oder wie Industrieabfall beseitigt wird. Mit Blick auf die großen Mengen an Wasser, die für diese Methode nötig sind, könnte Norwegen einem Medienbericht zufolge eine besondere Rolle bei der Beseitigung des syrischen C-Waffen-Arsenals zukommen. Das Land verfüge über eine günstige Lage und viel Wasser, so die Begründung.

5. Wo werden die Chemiewaffen vernichtet?

Nach den Regeln OPCW müssen die Giftgase im Ursprungsland ihrer Herstellung vernichtet werden. Bisher sind Chemiewaffen daher nur in Sonderfällen über Staatsgrenzen transportiert worden.

Auch der Großteil der syrischen Chemiewaffen wird vor Ort zerstört werden müssen, ihr Transport wäre zu gefährlich. Oliver Meier, Chemiewaffen-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, sagt, es sei dennoch sinnvoll, auch Anlagen außerhalb des Landes einzubeziehen - dann nämlich, wenn es um die Vernichtung gefährlicher Ausgangsstoffe geht, den Zutaten für die Chemiewaffen.

6. Wo bewahrt Syrien die Chemikalien bislang auf?

Sie sind landesweit auf etwa 45 Standorte verteilt.

7. Welche besonderen Schwierigkeiten ergeben sich bei der C-Waffen-Vernichtung?

Es ist das erste Mal, dass Chemiewaffen in einem Kriegsgebiet vernichtet werden müssen. Unter Kriegsbedingungen hat eine Chemiewaffenabrüstung noch nie stattgefunden. Natürlich müssen Unfälle beim Transport der Chemikalien ausgeschlossen werden. Doch in dieser besonderen Lage geht es zusätzlich darum, Angriffe auf die Transporte und Anschläge auf die technischen Anlagen zu verhindern.

8. Welchen Beitrag könnte Deutschland bei der Vernichtung der Kampfstoffe leisten?

Außenminister Guido Westerwelle hat angekündigt, dass sich die Bundesrepublik an den Planungen der OPCW beteiligt. Außerdem könne Deutschland finanzielle und technische Unterstützung bieten. Sowohl die Firma Eisenmann aus Böblingen als auch das von einem Münchner Finanzinvestor übernommene internationale Unternehmen Dynasafe hat offenbar gute Chancen für einen Auftrag in Syrien. Beide sind auf die Entsorgung chemischer Kampfstoffe spezialisiert und gehören, eigenen Angaben zufolge, zu den Weltmarktführern der Branche.

Ihre Chemiewaffen-Zerstörungsanlagen werden jedoch nicht in Serie gebaut, sondern entsprechend der jeweiligen Vorgaben montiert. Nach Aussage der Eisenmann AG wäre eine Anlage für Syrien in etwa einem halben Jahr fertiggestellt. Sie würde dann nach Syrien transportiert und dort in Betrieb genommen werden.

Daneben gibt es mobile Anlagen, die nacheinander an verschiedenen Orten der Welt genutzt werden können. Eine der modernsten steht derzeit in Utah, USA. Nach Ansicht von Experten wäre es möglich, sie noch im Oktober nach Syrien zu verschiffen.

9. Wie lange dauert es, bis die syrischen Chemiewaffen vernichtet sind?

Ziel der USA und Russlands ist es, das syrische Giftgas-Arsenal bis Mitte 2014 zerstört zu haben. Das ist ein Zeitrahmen von gerade neun Monaten. Experten bezweifeln, dass dieser Plan eingehalten werden kann. Noch ist die OPCW dabei, zu dokumentieren, welche Mengen welcher Kampfstoffe in welcher Form in Syrien vorliegen. Im zweiten Schritt wird dann entschieden, auf welche Weise welches Gift an welchem Ort beseitigt wird.

10. Mit welchen Kosten ist die Beseitigung der Chemiewaffen verbunden?

Syriens Präsident Assad spricht von rund einer Milliarde Dollar. Experten halten diese Einschätzung durchaus für realistisch. Ausschlaggebend ist letztlich, wie viele Anlagen nötig sind, wie sie geschützt werden und wie die syrische Infrastruktur für den Transport der Chemikalien angepasst werden muss.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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