KI in der Psychotherapie Studie: ChatGPT ist einfühlsamer als Menschen
12.02.2025, 20:09 Uhr Artikel anhören
In der Studie zeigte sich, dass ChatGPT längere und detailliertere Einschätzungen gab als menschliche Therapeuten.
(Foto: picture alliance / Rene Traut Fotografie)
Eine neue Studie von US-Forschenden untersucht, wie Menschen auf Antworten von ChatGPT im Vergleich zu menschlichen Therapeuten reagieren. Die Ergebnisse sind überraschend: Die KI wird als einfühlsamer und hilfreicher bewertet. Andere Experten üben jedoch Kritik an der Untersuchung.
Künstliche Intelligenz als Therapeut? Eine neue Studie bringt Fahrt in die Debatte. Forscher der Ohio State University untersuchten, wie Menschen auf Antworten von Psychotherapeuten im Vergleich zu Texten von ChatGPT reagieren. Das Ergebnis: Die KI schneidet besser ab. Laut der Studie, die im Fachmagazin "PLOS Mental Health" veröffentlicht wurde, konnten Teilnehmer in den meisten Fällen gar nicht erkennen, ob ein Text von einem Menschen oder einer Maschine stammt. Und die von ChatGPT generierten Antworten wurden von den Probanden sogar als einfühlsamer und hilfreicher bewertet.
Das Forscherteam hatte den über 800 Studienteilnehmern verschiedene fiktive Szenarien aus der Paartherapie präsentiert und ließ sie die Antworten von ChatGPT und echten Therapeuten bewerten. Dabei achteten sie auf zentrale Prinzipien der Psychotherapie. Es zeigte sich, dass ChatGPT längere und detailliertere Antworten gab, die mehr Kontextinformationen enthielten. Das könnte erklären, warum die KI-Texte besser ankamen.
Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen ein großes Potenzial für die Zukunft der Psychotherapie. ChatGPT könnte Therapeuten unterstützen und neue Behandlungsmethoden ermöglichen. Gleichzeitig betonen sie die Wichtigkeit ethischer Richtlinien und einer sorgfältigen Überwachung der KI durch Experten.
Kein Ersatz für Psychotherapie
In den vergangenen Jahren wurden bereits verschiedene Ansätze entwickelt, Psychotherapie durch digitale Anwendungen zu ergänzen. Alle zugelassenen Systeme sind im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen einsehbar. Es existiert zudem die Möglichkeit, dass die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung wies zum Start des Registers 2020 jedoch darauf hin, dass die Qualität sehr unterschiedlich ausfällt und die Anwendungen kein Ersatz für Psychotherapie seien.
Kann ChatGPT nun ein neues Kapitel aufschlagen? Die neue Studie sorgt in der Fachwelt zunächst für gemischte Reaktionen. Während einige Forscher das Potenzial von KI in der Psychotherapie betonen, mahnen andere zur Vorsicht und weisen auf die Grenzen der aktuellen Forschung hin.
Lasse Sander von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg kritisiert die Aussagekraft der Studie deutlich: "Die Studie sagt aus meiner Sicht nicht viel aus. Paartherapie ist keine Psychotherapie. Psychotherapie hat zum Ziel, Symptome einer psychischen Erkrankung zu reduzieren. Darüber sagt die Studie wirklich gar nichts aus." Er betont zudem die Notwendigkeit kontrollierter Studien, um die Effektivität von KI in der Therapie zu belegen.
Können Chatbots auch konfrontieren?
Der Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Ulm, Harald Baumeister, sieht Potenzial in der generativen KI: "Die Evidenz zur Wirksamkeit von KI-Chatbots zur Verbesserung psychischer Störungen ist gegeben und hat sich die vergangenen Jahre substanziell verbessert." Die aktuelle Studie stelle aus seiner Sicht jedoch keinen Wirksamkeitsbeleg der von der KI generierten Antworten dar. Sie sei daher "als explorative Arbeit" zu sehen, die die Forschung zu KI-Chatbots weiter vertiefe, dabei aber erst am Anfang stehe.
"Für Personen, die Hemmungen haben, sich in Psychotherapie zu begeben, kann es entlastend sein, mit einer nicht-bewertenden Maschine anonym in Kontakt zu treten", sagt Johanna Löchner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie hebt jedoch die praktischen Herausforderungen hervor: Psychotherapie sei unter anderem verbunden mit Konfrontation von vermeidendem Verhalten. "Es ist fraglich, ob Chatbots neben ihrer Rolle eines empathischen und vielleicht auch konfrontativen, motivierenden Gesprächspartners, dies leisten können."
Quelle: ntv.de, kst