Besser als sein Ruf Weißbrot ist nicht für jeden ungesund
07.06.2017, 16:02 Uhr
Vollkorn- oder Weißbrot: Was ist gesünder? Die Antwort ist nicht so klar wie man vermutet.
(Foto: imago/CTK Photo)
Man sagt Weißbrot vieles nach: etwa, dass es dick mache, zu Verstopfung führe und das Risiko für Diabetes erhöhe. Vollkornbrot hingegen ist gesund und einfach die bessere Wahl. Oder? Es kommt auf den einzelnen Menschen an, sagen Forscher.
Auch wenn Vollkornbrot mehr Mineralien und Ballaststoffe hat: Weißbrot ist in vieler Leute Munde. Leben diese Menschen dadurch wirklich weniger gesund? Lange war unklar, wie sich welche Brotsorte im Einzelnen auf den Körper auswirkt. Ernährungswissenschaftler vom Weizmann-Institut in Israel sind der Frage jetzt nachgegangen. Sie untersuchten die Effekte, die Weißbrot im Vergleich zu Vollkornbrot auf den Organismus hat.
Die Forscher ließen 20 gesunde Studienteilnehmer eine Wochen lang große Mengen Brot essen. 10 der Probanden sollten 25 Prozent ihres Kalorienbedarfs durch weißes Toastbrot aus der Packung decken, die anderen 10 Teilnehmer durch frisch gebackenes Vollkornbrot. Nach einer darauf folgenden zweiwöchigen Brotpause tauschten die Teilnehmer die Brotsorte für eine weitere Woche.
Jeden Tag maßen die Wissenschaftler bei den Probanden bestimmte Werte: den Blutzucker am Morgen, Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen und Magnesium, dazu noch Cholesterin sowie die Leber- und Nierenwerte. Auch Marker für Entzündungen und Gewebeschäden wurden berücksichtigt und die Zusammensetzung der Darmflora.
Komplexes Wechselspiel
Die Forscher gingen davon aus, dass die beiden Brotsorten jeweils andere Effekte auf den einen oder anderen Wert haben würden. Doch diese Erwartungen erfüllten sich nicht, wie sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Cell Metabolism darlegen. "Es gab keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen den Auswirkungen der beiden Brotarten auf irgendeinen der Parameter, die wir gemessen haben", sagt Eran Segal, einer der Studien-Autoren.
Aus früheren Untersuchungen wussten die Wissenschaftler aber bereits, dass ein und dasselbe Lebensmittel nicht bei jedem Menschen in derselben Weise auf den Blutzucker wirkt. Diesen Aspekt schauten sie sich deshalb in einem zweiten Teil der Studie genauer an. Das Ergebnis: Bei etwa der Hälfte der Menschen schnellt der Blutzucker nach dem Verzehr von Weißbrot in die Höhe, bei der anderen Hälfte nach dem Verzehr von frischem Vollkornbrot. Im Mittel ist daher kein Unterschied zwischen den beiden Brotsorten festzustellen, wenn es um den Blutzucker geht.
Die Forscher betonen nach den Versuchsreihen: "Verschiedene Menschen reagieren unterschiedlich, sogar auf die gleichen Nahrungsmittel." Allgemeingültige Ernährungsempfehlungen seien vor diesem Hintergrund kritisch zu sehen.
Gisela Olias vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke beurteilt die Studie als interessant. "Auch DIfE-Forscher sehen in einer ihrer Beobachtungsstudien, dass zum Beispiel aufgrund genetischer Unterschiede nicht jeder Mensch gleich stark vom Verzehr von Vollkornprodukten zumindest hinsichtlich des Diabetesrisikos profitiert", sagt die Biologin und Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Allerdings sei das Wechselspiel zwischen Umweltfaktoren, zu denen auch die Ernährung gehört, den Genen, der Bakterienbesiedlung des Darms und dem Stoffwechsel sehr komplex. "Es besteht daher noch ein großer Forschungsbedarf, die ganzen komplizierten Mechanismen, die an dem Wechselspiel beteiligt sind, aufzuklären", so Olias.
Die Ernährungswissenschaftler vom israelischen Weizmann-Institut räumen selbst ein, dass ihre Studie noch Schwächen hat: So isst man zum Beispiel unter normalen Umständen meist weniger Vollkorn- als Weißbrot, um satt zu werden. Das soll bei weiteren Versuchsreihen berücksichtigt werden.
Eines aber lässt sich schon jetzt sagen: Die richtige Ernährung ist eine sehr individuelle Angelegenheit.
Quelle: ntv.de, asc