Ohne Verbrenner durch den Dreck Fünf Hardcore-Geländewagen auf Öko-Kurs
08.02.2024, 17:48 Uhr Artikel anhören
Der Mercedes EQG hat vier einzeln ansteuerbare E-Motoren.
(Foto: Mercedes-Benz)
Wer mit dem Auto mal so richtig ins Gelände will, muss dazu nicht unbedingt Diesel oder Benzin verbrennen. Es gibt durchaus Hardcore-Kraxler, die auch mit Strom fahren - fünf Beispiele.
Sie sind Dreckschleudern und auch noch stolz darauf. Denn während die zahllosen SUV den sauberen Job an der Familienfront machen, wühlen sich echte Geländewagen bisweilen tatsächlich durch den Schlamm. Aber auch vor diesen schmutzigen Sauriern macht die elektrische Evolution nicht halt. Fünf Beispiele.
Mercedes EQG: Die Kreisatur des Quadrats
Von wegen Dinosaurier! Nur, weil die Mercedes G-Klasse noch immer fast genauso so aussieht wie beim Debüt vor 45 Jahren, ist er nicht immun gegen den Zeitgeist. Deshalb ist er vom hartgesottenen Armee-Arbeiter längst zum Lifestyle-Objekt und zum meistverkauften Modell in der AMG-Palette geworden. Und jetzt proben die Schwaben gar vollends die Quadratur des Kreises und machen den Vierkant aus Graz im zweiten Halbjahr zu Schätzpreisen knapp unter 200.000 Euro auch noch zum Elektroauto. Und zwar, ohne die Geländeeigenschaften zu verwässern. Nicht umsonst gibt es dafür vier einzeln ansteuerbare E-Motoren, mit denen die Prototypen die gleichen Strecken bewältigen wie alle G-Klasse vor ihnen. Nur dass sie sich dabei mit dem immensen Drehmoment der E-Maschinen noch leichter tun.
Aber Baureihenchef Emmerich Schiller will mit der E-Version auch einen Mehrwert bieten - und hat dafür zum Beispiel den G-Turn entwickeln lassen: Wenn die Motoren gegenläufig surren, dreht sich der Koloss wie ein Kreisel auf der Stelle und wird so zum Star auf dem Boulevard - und in den sozialen Netzwerken. Nur einen Haken hat die Elektrifizierung: Weil der Platz begrenzt ist und ab 3,5 Tonnen der LKW-Führerschein droht, müssen die Schwaben bei den Akkus sparen - so dass der Aktionsradius wahrscheinlich etwas schrumpfen dürfte.
Hummer EV - Wüstenkrieger reloaded

Der Antrieb des Hummer EV: Vorn gibt es einen und hinten zwei Motoren mit zusammen etwa 1000 PS.
(Foto: General Motors)
I'll be back - nicht nur Arnold Schwarzenegger hat uns ein Wiedersehen versprochen, sondern auch des Terminators Lieblingsauto ist wieder da. Denn nach rund einem Jahrzehnt Pause fährt der Hummer wieder durch Hollywood. Und zwar politisch korrekt und halbwegs sozialverträglich als Elektroauto. Genau wie damals beim Original sprengt General Motors auch diesmal wieder alle Vorstellungen. Zwar hat man sich an das Format mittlerweile gewöhnt, selbst wenn der Hummer mit seinem mehr als zwei Metern Breite und bald sechs Metern Länge noch immer ein gewaltiges Trumm ist. Doch der Antrieb ist gigantisch: Nicht nur, dass sie vorn einen und hinten zwei Motoren mit zusammen ziemlich genau 1000 PS und mehr als 1600 Nm einbauen. Um diesem Kraftpaket auch den nötigen Saft zu liefern, haben sie wie die Fleischklopse bei einem Big Mac gleich auch noch zwei Batteriepakete übereinander in den Boden gepackt.
Zusammen über 210 kWh machen das allein 900 Kilo schwere Paket zum stärksten Akku, der aktuell ein einem Wagen montiert ist, den man zumindest noch halbwegs als PKW klassifizieren kann. Größere Batterien haben aktuell allenfalls Lastwagen. Aber die großen Akkus braucht der Hummer auch. Denn selbst mit dem Rekordspeicher sind nicht viel mehr als 500 Kilometer drin.
Wer auf griffigen Grund steht und den Fuß aufs Fahrpedal hämmert, der traut seinen Sinnen nicht: Von jetzt auf sofort wird der Hummer vom gemütlichen Giganten zum wild gewordenen Nashorn und schleudert seine drei Tonnen mit so einer Macht dem Horizont entgegen, dass sich die Insassen fühlen, als wären sie von Blitz getroffen: 0 auf 100 in drei Sekunden - spätestens dann versteht man auch, weshalb die Entwickler diesen Modus Modus "WTF" nennen - selbst wenn sie das politisch korrekt mit "Watts to Freedom" umschreiben.
Yangwang U8 - Feinkost aus Fernost

Der Yangwang U8 fährt durchs Gelände, kann schwimmen und auf Wunsch aus dem Stand in 3,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h sprinten.
(Foto: Yangwang)
Jetzt machen sich die Chinesen auch noch auf der Buckelpiste breit und stehlen dort Autos wie dem kommenden EQG oder dem geplanten Elektro-Defender die Schau. Denn der Yangwang U8 sieht nicht nur mindestens so imposant aus wie die beiden europäischen Geländewagen-Legenden, sondern auch beim Fahren kann er locker mithalten. Im Gelände zum Beispiel mit bis zu einem Meter Wattiefe und so einer guten Abdichtung, dass er trotz seiner 3,5 Tonnen eine halbe Stunde lang schwimmen kann. Auf der Straße mit einem Sprintwert von 3,6 Sekunden und einem Spitzentempo von 200 km/h. Und auf dem Boulevard mit Finessen wie der Panzerkehre auf Knopfdruck oder einem Krebsgang, mit dem sich der 5,40 Meter Koloss mühelos seitlich in jede noch so enge Parklücke schiebt.
Der Antrieb kann sich ebenfalls sehen lassen. Der U8 fährt mit vier E-Maschinen, die zusammen auf bald 1200 PS und 1300 Nm kommen. Natürlich braucht es dafür jede Menge Energie. Und selbst der größte Akku würde für akzeptable Reichweiten kaum reichen oder die Gewichtsgrenzen gar völlig sprengen. Deshalb machen die Chinesen aus der Not eine Tugend, beschränken sich auf bescheidene 49 kWh und bauen stattdessen noch einen Range Extender ein.
Wenn der Saft nach 180 Kilometern in der China-Norm zur Neige geht, springt deshalb ein 2,0 Liter-Benziner an und produziert aus 75 Litern Sprit den Strom für noch einmal mehr als 800 Kilometer. So kommt der U8 auf eine Gesamtreichweite von runden 1000 Kilometern und kann auch größere Lücken in der Infrastruktur locker überbrücken.
Defender PHEV von Land Rover: Legende an der Leine

Land Rover bietet den Defender auch als Plug-in-Hybrid an, der rund 40 Kilometer weit rein elektrisch fahren kann.
(Foto: Land Rover)
Er gilt als einer der Dinosaurier unter den Geländewagen - schließlich gibt es den Defender schon seit 1948; die ersten 70 Jahre wurde er nahezu unverändert gebaut. Doch als die Briten ihren Methusalem vor drei Jahren erstmals komplett erneuert haben, haben sie ihn zugleich fit für die Zukunft gemacht und ihn auch als Plug-In-Hybrid aufgelegt.
Klar adressieren sie mit der 404 PS starken Kombination aus einem 2,0-Liter-Turbo, einer E-Maschine und einem 15,4-kWh-Akku für gute 40 Kilometer vor allem die Städter - und natürlich die Klimaschützer, die sie mit einem Normverbrauch von 2,8 Litern besänftigen wollen. Doch die große Stunde des Defender unter Strom schlägt nicht in der Stadt, sondern im Schlamm. Denn mehr als die Ruhe in der Rushhour beeindrucken die schier unbändige Kraft und Gelassenheit, wenn ihn der 105 kW/143 PS starke E-Motor durch den Schlamm schiebt oder eine Steigung hinaufschleppt, bei der selbst Reinhold Messner ans Seil gehen würde.
Die gespenstische Stille des Stromers wirkt in freier Wildbahn noch intensiver und die E-Technik spielt dem Allradler in die Hände. Nicht nur, dass beim Elektromotor das Drehmoment auf Anhieb anliegt, es ist auch feiner zu dosieren. Das werden Defender-Fahrer in Zukunft wohl noch länger genießen können. Schließlich ist der Plug-in-Hybrid nur das Vorspiel und eine rein elektrische Version der Legende längst in Arbeit.
Tamiya Wild One Max: Spielzeug für Große

Die Little Car Company baut das einstige RC-Modellauto Tamiya Wild One Max als voll funktionsfähigen Dirt Racer für Erwachsene.
(Foto: Little Car Company)
Ihren Namen hat sich die Little Car Company mit fahrfähigen Miniaturen berühmter Sportwagen gemacht. Doch statt Bugatti Type 35, Aston Martin DB5 oder Ferrari Testa Rossa auf zwei Drittel ihrer Größe zu schrumpfen, sind sie beim Tamiya Wild One Max den umgekehrten Weg gegangen: Was früher mal eines der meistverkauften RC-Cars war, ist jetzt ein voll funktionsfähiger Dirt Racer für Erwachsene. Und anders als für die meisten Miniaturen der britischen Modellbau-Manufaktur gibt es zur voll funktionsfähigen Technik für Preise um die 50.000 Euro auch noch eine Straßenzulassung.
Und vor allem jede Menge Spaß: Dafür sorgt ein knapp 40 PS starker E-Antrieb, der den 3,50 Meter kurzen und nicht einmal 500 Kilogramm schweren Zweisitzer mit dem Springmaus-Fahrwerk zur ultimativen Dreckschleuder macht - nicht umsonst sind bis zu 100 km/h möglich. Und der Akku bietet mit gut 14 kWh für bis zu 200 Kilometer mehr Energie, als sie die meisten Fahrer haben dürften.
Zwar haben die Briten den Wild One detailgetreu ins neue Format übertragen. Nur eine Kleinigkeit haben sie bewusst weggelassen: Jetzt, wo hinter dem Lenkrad Platz ist für einen ausgewachsenen Fahrer, ist die Fernbedienung plötzlich verzichtbar.
Quelle: ntv.de, Benjamin Bessinger, sp-x