Triathlet im Praxistest Hyundai Tucson - ein Ritt Richtung Premium
13.10.2015, 16:28 Uhr
Breiter, eleganter und auf 19 Zöllern kommt der neue Hyundai Tucson auf Wunsch daher.
(Foto: Holger Preiss)
Mit dem Nachfolger des ix35 hat Hyundai sich entschieden, nicht nur den Namen wieder in Tucson zu ändern, sondern auch in Richtung Premium zu gehen. Das mag nicht in allen Punkten gelungen sein, aber das Gesamtpaket ist stimmig, wie der n-tv.de-Praxistest beweist.
Mit dem Namenswechsel zurück zu Tucson hat Hyundai dem ix35 nicht nur namentlich einen Hauch von Abenteuer zurückgegeben, sondern ihn auch optisch in Richtung durchtrainierten Triathlet gerückt. War der Vorgänger noch ein Brummer mit souveränen Allroundfähigkeiten, wirkt sein Nachfolger drahtig, muskulös und fein geschliffen. Vor allem dann, wenn er wie der Testwagen auf 19-Zoll-Felgen steht. Dabei hat der Hyundai aber nichts von seiner Attitüde als Alleskönner verloren. Zum Praxistest meldete sich der Tucson mit neuem 1,6 Liter Benziner.
Pferde an der Longe
Geschaltet wird im Testwagen über sechs Stufen manuell. Folgt der Fahrer den Anweisungen der Elektronik, muss er den Quirl druckvoll und vor allem schnell bewegen oder, wie in den Schaltempfehlungen zu lesen, immer einen Gang überspringen. Das ist keine große Übung, denn die Wege durch die Schaltgassen sind schwerelos, wirken aber kurz vor dem Einrasten ein wenig stumpf. Das Dumme ist beim Gänge-Hopping, dass die 265 Newtonmeter zwar ab 1500 Umdrehungen versprochen sind, aber gefühlt erst ab gut 4000 Kurbelwellendrehungen druckvoll an die Antriebsräder verteilt werden. Das führt dazu, dass bei Sprinteinlagen der Eindruck entsteht, als würden von den zwei Turboladern nicht 177, sondern lediglich 150 Pferde über die Weide getrieben.
Für die Endgeschwindigkeit hat das keine Folgen. Problemlos schnurrt der Tucson bis an die 190 km/h-Marke. Um die vom Hersteller versprochenen 202 km/h zu erreichen, bedarf es dann aber doch eines gewissen Anlaufs. Bei aller Beanspruchung beschwert sich das Aggregat nie rüde über die Belastung. Die Geräuschdämmung ist ein ganz großes Plus des Tucson. Nicht nur, dass er sich ein Grollen des Motors verbittet, er lässt auch Wind und Rollgeräusche draußen. Hier haben die Ingenieure wirklich ganze Arbeit geleistet - und die Insassen, auch bei flottem Lauf, Gelegenheit zur gepflegten Konversation. Noch entspannter dürfte fahren, wer sich für das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe entscheidet. Allerdings werden hier 1950 Euro extra fällig. Dafür gibt es aber zusätzlich eine elektrische Parkbremse und der inzwischen nicht mehr ganz zeitgemäße Hebel im Mitteltunnel verschwindet.
Außerdem lässt sich mit dem Automatikgetriebe der in der Ausstattung Premium bereits vorhandene adaptive Spurhalteassistent noch gelassener nutzen. Der hält den Offroader präzise in der Spur, greift aber nicht ein, wenn der Fahrer den Wagen ohne zu blinken über den Sperrstreifen zieht. Hier warnt lediglich ein Piepton. Für 1100 Euro zusätzlich gibt es auch einen Frontkollisionswarner, Totwinkel-Assistenten und eine Querverkehrswarnung. Ein sehr empfehlenswertes Paket. Gerade dann, wenn der Spurhalteassistent ohnehin an Bord ist.
Viel Raum und tolle Sitze
Was bei allen Tucson-Modellen gleich ist, sind die Raumverhältnisse. Hier hebt sich der neue wohltuend von seinem Vorgänger ab. Nicht, dass im ix35 kein Platz gewesen wäre, aber hier ist er noch mal gewachsen. Der Tucson ist fast sieben Zentimeter länger und drei Zentimeter breiter. Im Gegensatz dazu aber auch einen Zentimeter flacher. Das stört die Insassen überhaupt nicht, formt die Figur des koreanischen Offroaders aber ungemein. Für Fahrer und Beifahrer gibt es für 1600 Euro extra Sitze, die sich nicht nur elektrisch verstellen lassen, sondern auch je nach Wetterlage beheizt oder belüftet werden können.

Der Innenraum im Hyundai Tucson ist gut verarbeitet. Leider wurde fast alles in harte Plastik verpackt.
(Foto: Holger Preiss)
Hochgewachsene Fahrer könnten hier den Wunsch nach einer etwas längeren Sitzauflage für die Oberschenkel hegen, haben aber ansonsten nichts zu klagen. Die Polster sind straff und mit Seitenwangen versehen, die auch mal einen flotten Zug um die Kurve zulassen - ohne das man Angst haben muss, aus dem Gestühl zu rutschen. Gleiches gilt für die zweite Reihe. Auch hier fühlt sich das Publikum wohl verwahrt, denn die Rückenlehne kann im Neigungswinkel verstellt werden und der Abstand zu den Vordersitzen ist einfach premium.
Premium nicht in allen Details
Premium ist auch der Anspruch, den die Koreaner an das ganze Fahrzeug stellen - und in vielen Punkten ist es absolut gelungen. So greift der Fahrer in ein angenehm griffiges Lederlenkrad, die Instrumententafel, die auf digitalem Untergrund analoge Rundinstrumente anzeigt, erfreut durch gute Lesbarkeit und in der aufgeräumten Mittelkonsole sorgt ein acht Zoll großer Touchscreen für beste Funktionalität bei der Steuerung des Navis, Radios, Telefons oder der über Bluetooth abzuspielenden Musik. Natürlich wird hier auch das Bild der Rückfahrkamera übertragen. Der Start-Stopp-Knopf strahlt silbern und wird bei Dunkelheit blau hinterleuchtet.
Das alles wirkt sehr hochwertig. Leider hat man bei der Verpackung des Ganzen auf die zum Premium gehörende weich geschäumte Plastik verzichtet. Zugegeben, erst wenn die Finger anfangen danach zu tasten, wird dieser Umstand deutlich. Denn die Struktur und auch die Verarbeitung sind so gut, dass es mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist. Überraschend ist beim Premiumgedanken auch, dass sich lediglich auf der Fahrerseite das Fenster automatisch öffnet und schließt. Bei allen anderen muss der Finger am Drücker bleiben.
Wie von Geisterhand

Der Kofferraum des Hyundai Tucson reicht für die entspannte Urlaubsfahrt. Bei sperrigen Ladegut stören die Radkästen.
(Foto: Holger Preiss)
Ganz ohne Drücken öffnet sich hingegen die Kofferraumklappe. Steht der Schlüsselträger dahinter, hebt sich der Deckel, ganz ohne Fußwedeln, nach drei Sekunden wie von Geisterhand und gibt den Blick auf 513 Liter Ladevolumen frei. Wer sperrige Gegenstände transportieren will, muss sich geschickt mit den in den Kofferraum ragenden Radhäusern arangieren. In der zweiten Etage wurde Platz für Kleinigkeiten geschaffen, die dort in entsprechenden Fächern rutschfest verstaut werden können.
In jedem Fall reicht der Stauraum locker, um zu viert entspannt in den Urlaub zu fahren. Zumal der Tucson mit dem 177-PS-Benziner gerade auf der Langstrecke seine Vorzüge hat. Liegt der Verbrauch bei vermehrtem Stadtverkehr bei erfahrenen 9,8 Litern, lässt er sich bei gemäßigter Fahrt auf Landstraße und Autobahn locker an die 8,7 Liter führen, was bei Allradantrieb und 1,5 Tonnen Lebendgewicht ein guter Wert ist. Noch etwas weniger könnte der Koreaner verbrauchen, wenn ihm eine Start-Stopp-Automatik beigegeben worden wäre. Die wird für den 1,6-Liter-Benziner aber nicht angeboten.
Lobend muss das neu entwickelte Fahrwerk hervorgehoben werden. Anders als noch beim Vorgänger ist es in jeder Hinsicht absolut ausgewogen. Unebenheiten im Asphalt werden geschluckt und schnelle Kurvenfahrten kommentarlos in eine klare Linie ohne spürbare Seitenneigung umgesetzt. Das ist auch der inzwischen angenehm direkten Lenkung geschuldet. Gab es beim Vorgänger noch eine dreistufige Aufteilung in Comfort, Normal und Sport, bietet der Tucson nur noch zwei Wahlmöglichkeiten. Die beeinflussen aber tatsächlich die Lenkkräfte und ziehen nicht nur die Servounterstützung fest. Bei Sport verengt sich der Einschlag, die Rückstellkräfte wirken direkter und das Lenkverhalten bekommt eine durchaus dynamische Attitüde. Im Stadtverkehr empfiehlt sich hingegen der Normalmodus für den leichten Gang ums Eck und in die Parklücke.
Fazit: Der Tucson hat mit kleinen Abstrichen einen weiteren Schritt in die von Hyundai angepeilte Premium-Richtung gemacht. Mit den großen Drei kann man sich noch nicht messen. Aber die rufen auch im C-Segment für ihre SUV ganz andere Preise auf. Insofern ist der Tucson in der Summe ein wertiger und mit fünf Sternen im NCAP-Crashtest auch ein sicherer Begleiter durch den Alltag. Hinzu kommen die obligaten fünf Jahre Garantie, die nur noch von der Schwester Kia getoppt werden.
DATENBLATT | Hyundai Tucson 1.6 Turbo Premium 4WD |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,47 / 1,85 / 1,65 m |
Leergewicht (DIN) | 1583 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 513 - 1503 Liter |
Motor | Reihen-Vierzylinder mit Turboaufladung 1591 ccm Hubraum |
Getriebe | 6-Gang-Handschalter |
Systemleistung | 130 kW/ 177 PS |
Kraftstoffart | Benzin |
Antrieb | Allradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 202 km/h |
max. Drehmoment | 265 Nm bei 1500 - 4500 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 9,5 s |
Normverbrauch (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km | 10,0 / 6,2 / 7,6 l |
Testverbrauch | 9,8 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 177 g/km |
Emissionsklasse | EU 6 |
Grundpreis | 34.450 Euro |
Preis des Testwagens | 37.700 Euro |
Quelle: ntv.de