Leben

Aus der Schmoll-Ecke Die Betschwester im Orkan des Wahnsinns

Das Ehepaar Schröder hält in unverbrüchlicher Treue zu Russlands Präsident Putin.

Das Ehepaar Schröder hält in unverbrüchlicher Treue zu Russlands Präsident Putin.

(Foto: imago/localpic)

Der Instagram-Account der aktuellen Ehefrau von Gazprom-Gerd zeigt, dass das Internet doch eine gute Erfindung war. Sie verkündet dort Haushaltstipps, Kochrezepte und Sätze, über die Leute wie unser Kolumnist rätseln können. Das macht irre Spaß in Wahnsinnszeiten.

Ich dachte immer, Bier sei das Lieblingsgetränk der Deutschen. Aber offenbar irrte ich, anscheinend ist es Sonnenblumenöl. Oder warum wird das sonst gerade wie verrückt gekauft? Weil wir in Wahnsinnszeiten leben? Kann man sich damit den Arsch abwischen, wenn der Corona-Vorrat an Klopapier im Jahr 2028 aufgebraucht ist? Habe ich vielleicht was verpasst? Könnte gut sein, da ich viel zu viel Zeit damit verbringe, darüber nachzudenken, wie ich es Russland zeigen könnte. Ich könnte Waren von dort boykottieren, aber mir fällt nichts ein, was ich von dort jemals gekauft hätte. Das Land produziert einfach viel Scheiße und exportiert sie kübelweise in Nachbarländer und den Rest der Welt. Für Scheiße gebe ich ungern Geld aus.

Ich will zudem weder die Große Vaterländische Militäroperation gegen die Ukraine noch die Aufsichtsratsposten von Gazprom-Gerd mitfinanzieren, auch wenn seine Ex-Frau neulich äußerte: "Nach meiner festen Überzeugung dürfen wir Gerd nicht in eine Reihe mit Hitler stellen." Keine Sorge, das tun wir nicht, es wäre falsch. Denn seine aktuelle Gattin stammt aus Südkorea, was für Toleranz und Völkerfreundschaft spricht, mit der es besagter Hitler nicht so hatte. Da Gazprom-Gerd im April 1944 zur Welt kam, wird er eher nicht in der Hitler-Jugend gewesen sein.

Gazprom-Gerd hat einen anderen Führer zum Freund: Es ist Zar Wladimir der Schreckhafte, nicht zu verwechseln mit Stalin. Der ist schon tot und hatte keine Angst vor Covid-19, weil es das früher nicht gab. Ich weiß das alles, da ich gut informiert bin durch den Instagram-Account, den die aktuelle Ehefrau von Gazprom-Gerd in einer Weise befüllt, die mich dann doch glauben lässt, dass das Internet eine gute Erfindung war. Sie verkündet dort Haushaltstipps, Kochrezepte und "PCR-Test gemacht. Ergebnis: negativ!" Oder dass sie zur Hochzeit ein Dingsbums trug und sie nun hofft, dass die "Vogue" das Kleidungsstück "nicht als Chinas Kleid 'Hanfu' bezeichnet und die falsche Information korrigiert". Denn ein Dingsbums ist ein Dingsbums und kein "Hanfu". Heroin ist übrigens auch kein Hanfu.

Jetzt nicht denken, dass ich denke, die aktuelle Gattin von Gazprom-Gerd habe den Schuss nicht gehört. Oder die Bomben in der Ukraine. Sie ist genauso clever wie ihr Gemahl. "Viele haben sich bei mir gemeldet, ob mein Mann nicht mit Herrn Putin über die Ukraine-Krise reden könnte", erklärte sie auf Instagram. Weil sie weiß, dass man "Krieg" nicht sagt, wenn man geldwerte Freundschaften erhalten will, hat sie "Ukraine-Krise" geschrieben. Zar Wladimir der Schreckhafte mag das Wort "Krieg" nicht. Er hat Angst vor der Aktion "Alles auf den Tisch", weil er riesige Tische bevorzugt, auf die jede Menge passt.

Ein Gebet macht sie unsterblich

Deshalb gibt es in seinem Reich bis zu drei Jahre Knast wegen "öffentlicher Verbreitung von vermeintlich wahrheitsgemäßen Mitteilungen, die aber vorsätzlich falsche Informationen und Angaben über Russlands Streitkräfte enthalten". Will sagen: Die Große Vaterländische Spezialoperation fordert keine Menschenleben, sondern macht aus Menschen Engel. Auf die Wortwahl kommt es an. Fragen Sie die Grünen! Die wissen das schon lange, weshalb sie Infanteristen zu Fuß Gehende mit Gewehren nennen. Das klingt gerechter. Schließlich sollen kleine Mädchen wissen, dass auch sie sterblich sind, nicht nur Jungen.

Die aktuelle Gemahlin von Gazprom-Gerd hat sich mit einem Gebet unsterblich gemacht. Sie ist ein wahrer Engel. Neulich erst. Da hat sie wagemutig direkt - nur von einem Fenster getrennt - auf dem Roten Platz in Moskau gestanden und gebetet. Für irgendetwas Gutes. Einfach so. Ohne Geld dafür zu verlangen. Nach meiner festen Überzeugung dürfen wir die Frau nicht in eine Reihe mit Eva Braun stellen. Man kommt nicht umhin, sich mit dieser Betschwester zu verbrüdern. Ein betender Engel im Orkan des Wahnsinns, wo man in den Knast kommt, wenn man die Große Vaterländische Spezialoperation "Krieg" nennt.

"Manche Menschen sind sich der Konsequenzen ihres Handelns nicht bewusst", notierte die Betschwester jüngst auf Instagram. Wie recht sie doch hat. Mir fielen die Worte von Rainer Maria Rilke ein: "Vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im tiefsten Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will."

Welcher Drache will nicht einmal im Leben Prinz oder Prinzessin, schön und mutig sein? Eine Verwandlung im Zeichen des Guten in der Welt des Bösen? Klingt gut. Bin auch ich ein Drache? Dann besteht Hoffnung, sogar für den Leser, der mir via Mail mitteilte: "Was für ein widerlicher Nato/EU Mainstream Kommentar, Leute Ihres Schlages haben grad Konjunktur. Nichts verstanden, Nazis hätten ähnlich geschrieben unter Göbbels."

Man kann gerade vieles anders sehen

Ich will hier anmerken, dass Goebbels nicht mit ö geschrieben wird und dass mir die These fragwürdig erscheint, da ich unter den Nazis höchstwahrscheinlich nicht hätte schreiben können, doch bitte nicht alle Russen über einen Kamm zu scheren. Als Sehr-Gutmensch bin ich natürlich tolerant und sag: Schwamm drüber, guter Mann, in diesen Wahnsinnszeiten kann man schon mal irren. Das geht auch anderen so.

Ein Herr Peskow zum Beispiel, der in Medien als Sprecher von Zar Wladimir dem Schreckhaften bezeichnet wird, was ich aber nicht unabhängig überprüfen konnte, da ich kein Russisch spreche, nennt seinen Arbeitgeber "eine sehr weise, weitsichtige und kultivierte internationale Persönlichkeit". Ich finde, darüber lässt sich streiten. Der Beauftragte des Zaren für Auswärtiges, ein gewisser Sergej Lawrow, behauptet: "Wir haben die Ukraine nicht angegriffen." Kann man ebenfalls anders sehen.

Der Chef des sogenannten Parlaments in Moskau gab zum Besten: "Die ukrainische Bevölkerung muss die friedensstiftende Operation nicht fürchten, denn sie dient einzig der Entmilitarisierung." Auch darüber kann man geteilter Meinung sein. Der Moderator des Lieblingssenders von Zar Wladimir dem Schreckhaften erklärte seinem Publikum, "was unsere Jungs" in der Ukraine den lieben Tag lang treiben. "Unsere Leute zerschlagen die faschistischen Schlangen. Es ist ein Triumph der russischen Armee." Da habe ich schon Gegenteiliges gehört.

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Werden sich all diese alten männlichen Drachen demnächst als Prinzessinnen entpuppen, die einmal im Leben schön und mutig sein wollen? Glaube ich nicht, zumal viele Russen eine Abneigung gegen Transsexuelle haben. Zar Wladimir der Schreckhafte ist (trotz Botox) das Gegenteil von Schönheit und Mut. Er lebt in einem Mikrokosmos, der Rest der Welt ist ihm egal, selbst das Insektensterben rührt ihn nicht. "Das russische Volk wird immer die echten Patrioten von den Lumpen und Verrätern unterscheiden können und sie einfach ausspucken, wie ein zufällig in den Mund geflogenes Flieglein auf den Boden spucken."

Kein Wunder, dass gerade so viele Menschen sein Reich verlassen. Wer will schon im Schlund von Psychopathen landen.

Quelle: ntv.de

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