Keine Alimente aus dem Norden Die Schotten sparen radikal: Beim König!


1968: Charles mit Mutter und Schwester in Schottland.
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Der neue britische Monarch muss damit leben, dass aus dem Norden des Reiches keine Alimente mehr an seine Familie fließen. Nach 257 Jahren hat die Regierung in Edinburgh den Geldhahn zugedreht – trotz bester Beziehungen.
Ausgerechnet Schottland - Scotland of all countries! Das mag sich König Charles denken, seitdem die typische Sparsamkeit der Schotten mit voller Wucht seinen Haushalt trifft. Schon seit fünf Jahren erhalten die Windsors keinen Penny mehr aus Edinburgh, wie Ronan O'Hara, der Vorstandsvorsitzende des "Crown Estate Scotland", gegenüber ntv.de bestätigt. Bereits 59,6 Millionen Pfund habe man gespart und "dem Geldbeutel der schottischen Regierung zur Verfügung gestellt". Also knapp 70 Millionen Euro.
Dabei war die Verbundenheit der Windsors mit Schottland nie größer als heute. Es ist das Resultat der vergangenen Jahrzehnte, in denen nicht nur Prinzgemahl Philip als Herzog von Edinburgh auftrat. Auch Charles trug als Prinz einen schottischen Herzogtitel: The Duke of Rothesay - gesprochen Roth-see. Dazu kleidete er sich gerne für alle sichtbar in den rot-grün karierten Tartan des Clans. Mittlerweile hat Prinz William den Titel geerbt und Charles ist endlich König aller Briten: der Engländer, Waliser, Nordiren - und selbstverständlich der Schotten.
Schottland ist das liebste Refugium des Königs
Neben zahllosen offiziellen Auftritten mit und ohne Schottenrock verbringt Charles seit jungen Jahren viel private Zeit in Schottland. Mal sind es ein paar Stunden auf einer Blumenwiese, mal in einem Garten. Und immer wieder (ent-)komme er mit Pinsel und Staffelei auf die unbewohnte Orkney-Insel Stroma, berichten Bewohner an der schottischen Nordküste. Dass er dort schon viel Ruhe und Einkehr gefunden hat, zeigen seine Aquarelle, die im Besuchercafé des Familienschlösschens von Mey ausgestellt sind.
Tatsächlich stehen dem König in keinem Land mehr Refugien zur Verfügung als in Schottland. Das Castle of Mey am nördlichsten Punkt des britischen Festlands erbte Charles 1996 von seiner Großmutter. Mit dem Tod seiner Mutter ging darüber hinaus im letzten Jahr das riesige Anwesen von Balmoral in seinen Besitz über. Auf dem rund 20.000 Hektar großen Areal befindet sich auch Birkhall, das Charles als seine Lieblingsresidenz bezeichnet. Darüber hinaus kaufte er 2007 im Südwesten von Schottland Dumfries House - oder besser gesagt: Er hat es mithilfe seiner Stiftung "The Prince's Foundation" ersteigert. Die Architektur, die Inneneinrichtung und die Gärten gelten als einzigartiges Juwel, weshalb er es "in letzter Minute für die Nation gerettet" habe - so die hochoffizielle Verlautbarung. Zum Kaufpreis von 45 Millionen Pfund, das sind heute knapp 90 Millionen Euro, schoss die schottische Regierung 5 Millionen Pfund zu.
Kein Zugriff auf das gigantische Kronvermögen
Umso mehr verblüfft es, dass man sich in Edinburgh mittlerweile in einer neuen, radikalen Sparsamkeit gegenüber dem König übt - und sich schon mehr als das Zehnfache aus der Dumfries-Spende zurückgeholt hat. Es sind Erträge aus Liegenschaften, die nicht dem König persönlich oder seiner Stiftung gehören, sondern "der Krone" - The Crown - was so viel bedeutet wie das Kronvermögen, auf das die königliche Familie keinen direkten Zugriff hat.
Verwaltet werden die weitreichenden Besitztümer - zu denen Geschäftshäuser und Einkaufszentren, Wälder und Felder, sowie Flussbette oder Teile des Meeresbodens zählen - seit 1760 vom "Crown Estate" in London. Das Gesamtvermögen soll umgerechnet 19 Milliarden Euro betragen, was Immobilienexperten allerdings für eine sehr konservative Einschätzung halten - wenn man nur bedenkt, dass alleine "the half of St. James'" dazu zählt, also ein erheblicher Teil der Londoner Innenstadt, wie auf der Website des Crown Estate (im wahrsten Sinne des Wortes) "angegeben" wird. Man stelle sich für einen Moment vor, eine deutsche Familie würde die Hälfte von Berlin-Mitte, München Schwabing oder des Frankfurter Westend ihr Eigen nennen.
Eine kleine schottische Revolution
Dass 2017, also 257 Jahre später, das Crown Estate Scotland gegründet und vom englischen Kronvermögen abgespalten wurde, war ursprünglich eine Forderung der Scottish National Party - und wurde zur Bedingung des Unabhängigkeitsreferendums von 2014. Sie ist bisher weitestgehend übersehen worden, auch im Königreich.
Obwohl die Aufkündigung des britischen "Union Act" von 1707 scheiterte und es - vorerst - nicht zur Abspaltung vom Vereinigten Königreich gekommen ist, hat das Referendum nicht weniger als ein fundamental neues Verhältnis zur Monarchie herbeigeführt. Es ist nicht einmal übertrieben, von einer kleinen republikanischen Revolution zu sprechen - selbst wenn eine knappe Mehrheit der Schottinnen und Schotten laut des Markt- und Meinungsforschungsunternehmens Yougov die Monarchie behalten möchte.
Unterdessen mögen Monarchisten in England lieber nicht von einer Revolution als vielmehr von einem Zwergenaufstand sprechen. Sie argumentieren mit der effektiv geringen Höhe der schottischen Taschengeldkürzung für die Royals. Sie ist tatsächlich mickrig, wenn man sie mit der Gesamthöhe des jährlichen Stipendiums für den königlichen Haushalt vergleicht. 2022 betrug der sogenannte "Sovereign Grant" 86,3 Millionen Pfund, knapp 100 Millionen Euro.
Wurde Schottland übers Ohr gehauen?
Als Grundförderung bezieht der Hof von St. James - so der offizielle Titel von Charles' Firma - 15 Prozent der Erlöse des Crown Estate. Seit 2017 schüttet das englische Crown Estate zehn weitere Prozent seiner Erlöse aus, also insgesamt 25 Prozent. Begründet wird dieser Zuschlag, der auf zehn Jahre befristet wurde, mit der Renovierung des Buckingham-Palastes in London.
Dass die Aufstockung von insgesamt rund 416 Millionen Euro ausgerechnet in dem Jahr begann, als das Crown Estate Scotland seine Arbeit aufnahm, wird auf Anfrage sowohl im britischen Finanzministerium wie in beiden Crown Estates als Zufall bewertet. Kommentieren will es niemand - gemäß dem Motto des englischen Hosenbandordens: "Ein Schuft, wer Böses dabei denkt."
Unmut ist hingegen über die Methode entstanden, wie die Londoner Hauptzentrale des Crown Estate vor sechs Jahren die schottischen Besitzungen an die neue, kleine Schwesterorganisation übergeben hat. Wurde im Geschäftsjahr 2016/17 eine Wertminderung von rund 340 Millionen Euro für die Überschreibung verzeichnet, blieb die Beteiligung an einem Einkaufszentrum in der Nähe von Edinburgh von rund 200 Millionen Euro unberücksichtigt. 2018 verkaufte das Crown Estate dieses Filetstück und erwarb die Beteiligung an einem anderen Einkaufszentrum - in England. Schottische Medien beklagten sich danach über eine "Shady Cash Grab" - eine unlautere Bereicherung auf Kosten Schottlands.
Britische Könige dürfen nicht auf schottische Geldscheine
Dass die Schotten generell ein bisschen anders sind mit Geld, dokumentiert sich übrigens seit Langem auf den Geldscheinen der Gemeinschaftswährung Pound Sterling. Als England 1960 erstmals Banknoten mit dem Kopf der Königin einführte, machte Schottland nicht mit. Der Unterschied zwingt die Bank of England nun zu einer teuren Umstellung: Der Austausch von 4,7 Milliarden Scheinen mit dem Konterfei von König Charles wird nach eigenen Angaben der Bank mehr als 350 Millionen Pfund kosten, rund 400 Millionen Euro.
Auch diese horrenden Luxusausgaben bleiben dem Finanzministerium in Edinburgh erspart. Robert the Bruce war zwischen 1274 und 1329 König - und er ist der bislang einzige Monarch auf schottischen Geldscheinen. Unterdessen bedeutet der Schritt des Crown Estate Scotland nur einen kleinen Einschnitt für die Königsfamilie. Trotzdem ist er bemerkenswert, denn er zwingt die Krone, stärker für sich selbst zu sorgen. Das könnte sie finanziell unabhängiger und verantwortungsbewusster werden lassen. Zugleich wird ihr Handeln zwangsläufig einem ökonomischen Kalkül unterworfen.
Quelle: ntv.de