Machte zuletzt auch immer wieder mit gesundheitlichen Problem von sich reden: Til Schweiger.
(Foto: imago images/Reiner Zensen)
Til Schweiger galt lange als das Aushängeschild des deutschen Films. Doch nach Skandalen, gesundheitlichen Rückschlägen und finanziellen Problemen stellt sich auch die Frage: Welche Verantwortung trägt die Gesellschaft im Umgang mit Alkoholproblemen und den Krisen prominenter Menschen?
Charlie Chaplin hat mal gesagt: "Der größte Feind des Erfolgs ist der Glaube, er sei für immer sicher." Und damit willkommen, lieber Leser zu einer neuen Ausgabe der Promi-Kolumne, in der es in dieser Woche um Til Schweiger gehen soll. Eins vorab: Es ist mir herzlich egal, wie man persönlich zu Herrn Schweiger steht, ob man ihn mag oder kritisch sieht, ihn canceln möchte, Mitleid hat oder meint, er sei ein überbezahlter, untalentierter Fatzke, der zu Recht von den Medien gescholten wird. Es geht hier nicht um irgendein persönliches Empfinden.
Til Schweiger ist jemand, der aus der deutschen Kino-Geschichte nicht wegzudenken ist. Schauspieler, Regisseur, Unternehmer: Über Jahrzehnte verkörperte er das Bild des erfolgreichen Filmstars - ein Macher, einer, der sogar seine Fühler nach Hollywood ausgestreckt hat.
Auch in den letzten Jahren hat der Erfolgsmensch Schweiger immer wieder von sich reden gemacht - längst aber nicht mehr nur mit seinen Filmen, sondern ebenso mit Skandalen und seiner angeschlagenen Gesundheit bis hin zu Videos, in denen er stark alkoholisiert zusammenhangloses Zeug lallt. Und nun machen auch noch Berichte über einen mutmaßlichen dramatischen finanziellen Absturz die Runde. Viele werden sagen: "Ist mir scheißegal! Was juckt mich der Typ? Mein Mitleid hält sich in Grenzen." Und ja, lieber Leser, diese Meinung kann Ihnen niemand verübeln. Und so gesehen zeigt das Beispiel Schweiger auch nur wieder eindrucksvoll, dass Erfolg, Gesundheit und Glück nicht selbstverständlich sind wie eine Pizza, die man sich bestellt und die dann nach Hause geliefert wird.
Und wie der wieder aussieht!
Dennoch schwirren mir dieser Tage zu diesem Thema viele Gedanken und Fragen im Kopf herum. Vor allem beschäftigt mich, wie wir mit Menschen umgehen, die vom gefeierten Star zum Skandalobjekt werden. Natürlich müssen und sollen Medien kritisch hinterfragen und berichten, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass man dann, vor allem dann, besonders nachtritt. Frei nach dem Motto: Dem Pinsel drücken wir jetzt erst recht eine rein! Was, der war schon wieder besoffen? Geile Schlagzeile! Schweigers Suff-Video schockiert alle! Und wie der wieder aussieht! Dem muss es ja richtig schlecht gehen! Wow, das Suff-Video wird aber super geklickt. Ein voller Erfolg!
Ich frage mich: Sind wir wirklich so weit von denen entfernt, die sich über den tiefen Fall einer prominenten Person lustig machen? Oder sind wir nicht alle irgendwie Teil eines Systems, das solche Abstürze begünstigt? Was passiert, wenn ein Mensch, der viele Jahre auf einem medialen Thron saß, plötzlich merkt, dass sein Platz immer wackeliger wird?
Til Schweiger ist einer, der seit gefühlten Ewigkeiten im Rampenlicht steht. Obwohl seine heftigsten Kritiker ihm jegliches Talent absprechen, zog er durch, legte einen Erfolg nach dem anderen hin und wurde dank Filmen wie "Keinohrhasen" oder "Honig im Kopf" zu einem der erfolgreichsten deutschen Filmemacher aller Zeiten. Während sich fernab des Blitzlichtgewitters schon sehr lange etwas zusammenbraute.
Die Medien berichteten von Machtmissbrauch und Alkoholproblemen, die sich am Filmset gezeigt haben sollen. Der mittlerweile 61-Jährige wurde, man kann das ruhig so benennen, medial wie die Sau durchs Dorf getrieben. Der Glanz, der ihm so lange zugeschrieben wurde, hatte da schon längst an Strahlkraft eingebüßt.
Das Drama um Schweiger ist, wie ich finde, aber nichts anderes als eine Spiegelung einer Gesellschaft, die mit ihren Idolen eine weitaus weniger wohlwollende Beziehung pflegt, als sie es gerne behauptet. Denn während der Schauspieler immer weiter in Schieflage geriet, schauten die Medien lange zu, gaben ihm Raum für Interviews, in denen er seine Verletzlichkeit verbarg. Warum? Weil Dramen Menschen eben fesseln.
Wir wissen alle: Der Abstieg von Menschen wie Til Schweiger ist der Stoff, aus dem Schlagzeilen gemacht sind. Doch irgendwann reicht es nicht mehr, nur von den Abstürzen der großen Namen zu berichten. Aber wie viel Verantwortung tragen wir, als Gesellschaft, für das Scheitern eines Menschen, den wir jahrelang auf ein Podest gehoben haben? Die Frage, die sich aufdrängt, ist: Hätten wir ihn in den Momenten seines Kampfes besser auffangen können?
Die Verantwortlichkeit der Medien und der Gesellschaft
Von Filmen über gastronomische Betriebe bis hin zu Mode und eigenen Getränken: Schweiger hat es geschafft, sich ein gigantisches Imperium aufzubauen. "Barefoot Living", "Tils" und "Schweiger-Weine", all diese Marken waren weit mehr als nur Geschäftsideen. Und sie zeigen auch, wie schnell sich der Wind drehen kann. Erst ist es das Restaurant, das dicht macht. Dann die Pizzerien. Schließlich das Bier, das von der Brauerei eingestellt wird. Und auch die Weine verschwinden aus den Regalen.
Die Schattenseiten eines "gelebten Erfolgs", der mit den eigenen Fehlern und dem Druck des öffentlichen Lebens kollidiert. Doch sind es wirklich nur die finanziellen Probleme, die uns aufrütteln sollten? Oder geht es nicht auch um den Umgang mit Menschen, die unter dem Druck des Ruhms und der öffentlichen Erwartungen ins Taumeln geraten?
Es gibt einen Moment in der Geschichte von Til Schweiger, der uns viel mehr zu sagen hat als alle Skandale zusammen. Es ist der Moment, als er in einem Werbespot für "Blockchain Sports" in der belarussischen Hauptstadt Minsk auftaucht. Ein Land, dessen politisches System auf Manipulation und Unterdrückung basiert und das als enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt.
Schweiger erklärte, er habe nur "die besten Dinge" über Belarus gehört. Herrje! Er scheint sich von seiner öffentlichen Persona und seinen unternehmerischen Ambitionen weit entfernt zu haben. Das Unternehmen "Barefoot Management Holding GmbH", das er einst mit großem Ehrgeiz gründete, befindet sich mittlerweile in der Liquidation.
Blöd gelaufen, kann man jetzt natürlich sagen. Aber es ändert nichts an der Frage, was man aus Schweigers Geschichte lernen kann? Wann müssen wir aufhören, Menschen in ihren Krisen zu beobachten und zu konsumieren? Etwa so, wie wir das auch schon bei Nadja Abd el Farrag gemacht haben, die man immer wieder offensichtlich betrunken ablichtete.
Alkoholismus ist eine Krankheit
Diese Fragen sollten den Fall Schweiger zu einer größeren Diskussion darüber machen, wie wir medial und als Konsumenten mit prominenten Persönlichkeiten und ihren Schattenseiten umgehen. Warum ist ein "Scheitern" etwas, das in der Öffentlichkeit so viel mehr Aufmerksamkeit bekommt als ein Kampf, der vielleicht unauffällig und leise ausgetragen wird? Es scheint fast so, dass einige von uns nur dann an einer prominenten Persönlichkeit interessiert sind, wenn er oder sie in den Abgrund blickt.
Ja, Schweiger hat Fehler gemacht, er ist erwachsen und auch verantwortlich für seine Taten! Doch sind wir nicht alle irgendwie Teil eines Systems, das es geradezu begünstigt, dass Leute in den Strudel ihrer Fehler stürzen? Die Medien sind mit ihrer Sensationsgier nicht unschuldig, die Gesellschaft mit ihrem hohen Erwartungsdruck ebenfalls nicht.
Vielleicht ist es an der Zeit, den Umgang mit gescheiterten Promis neu zu denken. Und nein, Til Schweiger hat mich nicht dafür bezahlt, diesen Text zu schreiben. Alkoholismus ist keine Schwäche, sondern eine schwere Krankheit, die niemals zum Spektakel werden sollte!
Quelle: ntv.de
