Vergebliche Hoffnung auf mehr Quote Brät die ARD Til Schweiger Extrawürste?
14.02.2016, 12:15 Uhr
Viel Action: Til Schweiger in der "Tatort"-Folge "Fegefeuer".
(Foto: dpa)
Er redet undeutlich, bevorzugt aber im Geschäft klare Ansagen. Auch gegenüber der ARD setzt Til Schweiger eigene Interessen durch. Das ist sein gutes Recht. Nur warum bauchpinselt die ARD den Mann überhaupt so sehr?
Wenige Wochen vor Weihnachten hatte die ARD eine frohe Botschaft für alle Tatort-Fans. Im November kippte sie nach jahrelanger Debatte die - sowieso unnötige - Regel, die Folgen, die Freitag- und Sonntagabend im Ersten laufen, anschließend jeweils nur sieben Tage in der Mediathek zur Verfügung zu stellen. Damit wolle sie "im Rahmen ihrer Multiplattformstrategie" dem "großen Publikumsinteresse auch im non-linearen Angebot Rechnung" tragen, teilte der Senderverbund damals mit. Nun seien es 30 Tage. Die neue Frist gelte sowohl für Erstausstrahlungen als auch für Wiederholungen.
Wenige Wochen nach Weihnachten veröffentlichte der NDR noch eine frohe Botschaft, dieses Mal in eigener Sache. Der "Tatort: Der große Schmerz" mit Til Schweiger habe "während der sieben Tage, an denen er online zu sehen war", mit fast 600.000 Abrufen in der ARD-Mediathek den bisherigen Rekordinhaber "Schwanensee" - ein "Tatort" aus Münster - abgelöst. Sieben Tage? War da nicht was?
Die zwei jüngsten Schweiger-"Tatorte" bilden eine der ganz wenigen Ausnahmen. So gut wie alle anderen Ausgaben der Serie - egal, ob alt oder neu und unabhängig von der Sendeanstalt -, die die ARD seit Einführung der Vier-Wochen-Regel brachte, waren einen Monat abrufbar oder sind es gerade.
Schweiger darf seine Tochter, wie er selbst schauspielerisch wenig talentiert, einsetzen. Schweiger darf für seine "Tatorte" – im wahrsten Sinne des Wortes – ein paar Hunderttausend Euro mehr verballern als die Kollegen. Schweiger darf die Marke "Tatort" für einen Kinofilm verwenden, der mit Millionen öffentlicher Gelder "gefördert" wird. Die Produktionsfirma darf ihre "Tatort"-Folgen nach sieben Tage aus der Mediathek abziehen, damit ihr das DVD-Geschäft nicht zerschossen wird.
Skandalös ist das nicht, noch nicht mal verwerflich. Alles liegt im grünen Bereich. Doch leider riechen all die Kleinigkeiten nach Extrawürsten für den Mann, der so gerne mal einen Filmpreis gewinnen würde. Und das alles nur für die (vergebliche) Hoffnung auf ein bisschen mehr Einschaltquote und ein bisschen mehr junges Publikum.
Schweiger will Action
Rund 1,4 Millionen Euro kostet normalerweise eine "Tatort"-Folge, die Ausgaben für "Der große Schmerz" und die Fortsetzung "Fegefeuer" sollen nach Schätzungen in der Branche jeweils etwa 300.000 bis 600.00 Euro darüber gelegen haben. "Schweiger will Action und kein Kammerspiel à la Derrick. Das ist dann eben teurer. Wenn die ARD diese Mehrkosten nicht übernehmen sollte, müssten sie durch eine kommerzielle Auswertung zurückverdient werden", sagt der auf Medien spezialisierte Rechtsanwalt Oliver Castendyk, Direktor bei der Allianz Deutscher Film- und Fernsehproduzenten. "Je früher der Film aus der Mediathek verschwindet, desto eher kann das Geschäft mit DVDs und Streamingdiensten beginnen."
Ist es so? Schweigers PR-Büro verweist auf Syrreal Entertainment. Die Produktionsfirma ignoriert Anfragen zu dem Thema. Und der NDR? Dort dauert es Tage, bis Fragen beantwortet werden. Als handele es sich um eine Staatsaffäre, die die hohe Kunst der Diplomatie erfordere, wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss.
Warum waren die zwei jüngsten Schweiger-Ausgaben des "Tatort" nur sieben Tagen in der Mediathek? Bei Vertragsabschluss "war noch nicht bekannt, dass die Verfügbarkeit der 'Tatorte' in den Mediatheken grundsätzlich 30 Tage betragen soll. Daher wurde noch eine Frist von 7 Tagen vertraglich vereinbart", erklärt ein NDR-Sprecher. Schweigers "Tatort"-Premiere "Willkommen in Hamburg" - der Film war übrigens noch witzig und unterhaltsam - wurde am 10. März 2013 erstausgestrahlt. Was ist mit den ebenfalls vom NDR in Auftrag gegebenen "Tatort"-Folgen mit Wotan Wilke Möhring als Kommissar Thorsten Falke? Da sei "die 30-Tage-Regel vereinbart" worden. "Die Verträge sind jüngeren Datums", sagt der Sprecher. Der erste Möring-"Tatort" "Feuerteufel" hatte seine Premiere am 28. April 2013.
"Tatort"-Kinofilm ein Flop
Nachfrage: Warum hat die Produktionsfirma der Schweiger-"Tatorte" auf sieben Tage bestanden und warum haben ARD/NDR der Ausnahme zugestimmt? Die Antwort kommt drei Arbeitstage später und lautet wenig erhellend: "Bei älteren Verträgen ist eine nachträgliche Verlängerung nicht immer machbar." Immerhin teilt der Sender mit, dass die DVD-Rechte für den Directors Cut nicht beim NDR lägen, sondern "derzeit bei Warner".
Wie gesagt: Alles kein Skandal. Die Sendeanstalten der ARD sollen den Produzenten gerne entgegenkommen, damit diese tolle Filme drehen können, die Welterfolge werden und Milliarden einspielen. Da freut sich der Gebührenzahler. Aber bitte keine Rund-um-Sorglos-Pakete für Leute wie Til Schweiger. Sein "Tatort"-Kinofilm "Tschiller: Off Duty" - offenbar ein Flop - zeigt doch einmal mehr, dass die Zuschauer zwischen gut und schlecht unterscheiden können.
Wie formulierte es jüngst Regisseur Dominik Graf in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "TV-Intendanten bauen derweil ihre Sender für die 'Zukunft' um und geben dabei Geld aus, das den Kreativen, den Produktionen vorenthalten wird. Jedes Fiction-Projekt, abgesehen von 'Tatort' und 'Polizeiruf', ist bedroht, könnte stets kippen, weil das Geld anderswo in der Bürokratie gebraucht wird. Eine Branche in Angststarre." Offenbar kuschen Angsthasen vor Keinohrhasen.
Quelle: ntv.de