Rocker-"Tatort" aus Dortmund Ein Kollegenschwein kommt selten allein
09.10.2016, 22:08 Uhr
Bilderbuchkollegen sehen anders aus: das Dortmunder Ermittlerteam und der Mann von der Dienstaufsicht (Milan Peschel, 2.v.l.)
(Foto: WDR/Thomas Kost)
Der Haussegen hängt im vierköpfigen Dortmunder Ermittlerteam schon seit der ersten Folge schief. Jetzt hat Faber allerdings auch noch die Dienstaufsicht am Hals - und tut alles, um seinen Job zu retten. Achja, gemordet wird natürlich auch noch.
Daniel Kossik (Stefan Konarske) geht es nicht gut: Der Oberkommissar hat Probleme im Job und kommt nicht darüber hinweg, dass seine Kollegin und Ex-Freundin mit einem anderen in die Kiste steigt. Die Schmerzen betäubt Kossik auf täglicher Basis in seiner Stammkneipe, wo er sich langsam und sorgfältig auf den benötigten Pegel trinkt. An diesem Abend wird der Kommissar vielleicht ein, zwei Bierchen mehr trinken als sonst, schließlich steht am nächsten Tag die Aussage bei dem internen Ermittler an, der die von ihm selbst angeschobene Dienstaufsichtsbeschwerde gegen seinen Chef untersucht. Auf keinen Fall aber wird er sich betrinken und damit seiner Aussage die Glaubwürdigkeit nehmen. Ein Vorsatz, der genau solange hält, bis der Chef zur Tür hereinkommt, sich neben den vor Schreck und Ekel erstarrten Kossik setzt und "zwei lecker Pils und zwei Kurze" bestellt.
Was dann folgt, ist eine ungemein eklige Trinkerszene, in der Hauptkommissar Faber (Jörg Hartmann) das unübersehbare Alkoholproblem seines Kollegen schamlos ausnutzt und Kossik bis zur Besinnungslosigkeit abfüllt. Am nächsten Morgen wacht der jüngere Kommissar völlig verkatert und viel zu spät zu seinem Termin mit der Dienstaufsicht im Bett seines Chefs auf, während Faber ihm mit einem süffisanten Grinsen einen Espresso serviert. Kossiks Aussage ist damit natürlich völlig wertlos, wer glaubt schon einem Alkoholiker?
"Wenn ich einen Hitlergruß zeigen muss, dann mach ich das"
Dass der Subplot in "Zahltag" so viel spannender ist als die ebenfalls ansprechend erzählten Mordfälle, die sich um einen Machtkampf im Rockermilieu drehen, ist bezeichnend für den Dortmunder "Tatort" - und eine echte Auszeichnung im Angesicht all der Krimis da draußen, deren Ermittlergeschichten häufig so bemüht daherkommen. Es ist eine wahre Freude, dem Dortmunder Kripo-Team dabei zuzusehen, wie es unaufhörlich dem Abgrund entgegensteuert.
Dass Faber dabei zum ersten Mal auch bei seinen eigenen Leuten genau die perfiden Taktiken anwendet, die für seine enorm hohe Aufklärungsquote verantwortlich zeigen, ist ein gelungener Twist von Regisseur Jauch: "Wenn ich den Hitlergruß zeigen muss, um an die Nazis ranzukommen, dann mach‘ ich das. Und wenn ich mit einem Rocker dealen muss, um zwei seiner Killer zu kriegen, dann mach‘ ich das auch", sagt Faber. Man könnte hinzufügen: "Und wenn ich einen Kollegen dranhängen muss, um meinen Job zu behalten, dann mach ich das auch!"
Erstaunlicherweise schwankt man als Zuschauer immer noch hin und her zwischen der Feststellung, dass Faber für eine erfolgreiche Ermittlung selbst über die Leichen seiner Kollegen geht und der Überzeugung, dass sich hinter dem roughen Cop eine empfindsame Seele und ein guter Mensch verstecken. Neben Faber selbst ragt diesmal der interne Ermittler heraus: Milan Peschel macht seine Sache als Johannes Pröll so gut, dass man sich beinahe wünscht, die Ermittlungen gegen Faber mögen nie wieder eingestellt werden. So wie man sich wünscht, dass dieser famose "Tatort" nie eingestellt werden möge.
Quelle: ntv.de