Unterhaltung

Letzter "Tatort" aus Leipzig Kopulation, Keile, Kinderwunsch

Das ehemalige Traumpaar geht nun endgültig getrennte Wege.

Das ehemalige Traumpaar geht nun endgültig getrennte Wege.

(Foto: dpa)

Keppler spricht mit der Kamera, die Saalfeld spielt Luftgitarre, ein durchgeknallter Lehrer klaut für seine irre Gattin ein Kind. Und während die kleine Magdalena unter Tage um ihr Leben bangt, wird draußen gebetet, geblödelt und gebumst.

Dass man sich für den letzten Vorhang in Leipzig einiges vorgenommen hatte, wird einem gleich daumendick unter die Nase gerieben. Auf dem heimischen Sofa hat die Tüte mit den Chips kaum zum ersten Mal geknistert, da spricht Andreas Keppler (Martin Wuttke) schon durch die offene Kühlschranktür mit dem Zuschauer, watet in seiner Junggesellenbude durch kniehoch stehendes Wasser und schaut seiner Waschmaschine, ein Geschenk von Muttern, beim Explodieren zu. Wohlgemerkt: Das hier ist Leipzig, und nicht Münster.

Nach 20 gelösten Fällen knipst man im dortigen Tatort-Revier das Licht aus. Abschied ist ein scharfes Schwert? Mitnichten, eher ein nadelspitzer Füllfederhalter. Und den hat Drehbuch-Autor Sascha Arango, Grimme-Preisträger und mehrfacher Borowski-Schreiber, ganz tief in psychedelische Tinte getunkt und die Abschiedsvorstellung zu einem kruden Plotpourri zusammengedrechselt.

Es prickelt

Im Mittelpunkt der "Niederen Instinkte" stehen, besser gesagt sollen stehen, der labile Lehrer Prickel (Jens Albinus) und seine durchgeknallte Gattin (Susanne Wolf). Prickel heißt nicht nur so, ihm prickelt der Kinderwunsch seiner Angetrauten derart unter der Hutschnur, dass er eines Tages ein Kind für sie klaut. Die kleine Magdalena greift er auf dem Weg zur Schule ab und sperrt sie daheim in ein eigens für sie angelegtes Verlies. Vor dem Besuch im Keller legt das seltsame Paar noch seltsamere Masken an - und als hätte Konrad Fritzl nach dem Genuss einer Überdosis Multi-Sanostol eine neue Version von "Vanilla Sky" geschrieben, verkommt hier ein hochverstörender realer Entführungsfall der jüngeren Vergangenheit zum TV-Tummelplatz für ein Arsenal von Flachpfeifen, deren beste Eigenschaft ist, dass sie sich Gott sei Dank nur hinter dem Bildschirm befinden.

Apropos Gott: Die Eltern des Mädchens sind christliche Sektierer - sie backt im Angesicht der Katastrophe Rosinenkuchen, er - taub, verblendet und rauschebärtig - bevorzugt stattdessen eine gepflegte Benzindusche und wird gerade noch rechtzeitig - Kepplers beste Tat - vor der Selbstentzündung bewahrt. Kein Stein bleibt hier zum Kehraus auf dem anderen. Als hätte ganz Leipzig ein psychotischer Schüttelwahn ergriffen, verhält sich niemand auch nur eine Nanosekunde "normal". Alles ist Ironie, alles ist Augenzwinkern, tongue-in-cheek, Ellenbogen in die Rippen, nudge-nudge, weiß’ Bescheid? Einer geht noch.

Hundescheiße, herrlich

Im Revier kriechen die dümmlichen Assistenten unter den Schreibtischen und suchen nach Kugelschreibern, während Keppler und Saalfeld einander Backpfeifen in der Kantine servieren. Ach, wie herrlich das klatscht. Von mir gleich auch noch eine, möchte man dem Fernseher zurufen. Stattdessen tritt Keppler erst ins Leben von Saalfelds schöner Nachbarin, anschließend in einen Haufen Hundescheiße. Ja, wirklich. Einen dicken, dampfenden Haufen - wie das erleichtert, es einfach nochmal zu schreiben: Hundescheiße. Wie programmatisch.

So schlimm aber kann der Schuh gar nicht stinken, als dass der stilvoll verwohnte Keppler oben erwähnter Nachbarin nicht den Hof machen könnte. Und während der Kommissar kopuliert, lässt sich seine Ex nebenan volllaufen und spielt Luftgitarre. Wirbel, wirbel. Tanz, tanz. Für einen Moment guckt Frau Thomalla beinah natürlich aus der Wäsche. Am Ende kommt es, wie es kommen muss: Happy End in Großbuchstaben. "Mach mir ein Kind", raunt die Saalfeld. Mach doch selbst, entfährt es einem. Nicht so Keppler. Der setzt zum finalen Luftsprung an, hinein ins Bettvergnügen. Flucht in die Frucht. Zwei, die einander unbedingt verdient haben. Servus, Leipzig, und die Tabletten nicht vergessen.

Quelle: ntv.de

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