Unterhaltung

Bremer Optimierungswahn-"Tatort" Stedefreund und die Roboterfrauen

Finden eine nicht mehr ganz frische Leiche: die Bremer Ermittler

Finden eine nicht mehr ganz frische Leiche: die Bremer Ermittler

(Foto: Radio Bremen/Michael Ihle)

"Ein Nein ist kein Nein!" ist nicht nur in Zeiten von #metoo eine ziemlich furchtbare Lebenseinstellung. Dass es allerdings auch verkorkste Frauen gibt, die nach dieser Maxime leben, zeigt dieser gelungene Psycho-"Tatort".

Ein abgeschnittener Finger in Nahaufnahme, ein blutbesudelter SUV und eine halbverweste Leiche in einem alten U-Boot-Bunker: Der neue Bremer "Tatort" beginnt blutig. Aber obwohl der Film bis zum Finale nicht mehr so explizit wie in den ersten Szenen ist, sind die gut 85 Minuten dazwischen viel brutaler als die offen zur Schau gestellte Gewalt. Schuld daran ist eine eiserne Lady in Red.

Ziemlich wahnsinnig und wahnsinnig faszinierend: Verfällt Stedefreund (Oliver Mommsen) der Lady in Red (Nadeshda Brennicke)?

Ziemlich wahnsinnig und wahnsinnig faszinierend: Verfällt Stedefreund (Oliver Mommsen) der Lady in Red (Nadeshda Brennicke)?

(Foto: Radio Bremen/Michael Ihle)

Maria Voss (Nadeshda Brennicke) ist ein medizinisches Wunder: Nach einem schweren Autounfall sind ihre Ärzte überzeugt, dass die einstmals erfolgreiche Pharmareferentin für immer ans Bett gefesselt sein wird. Aber derselbe unbändige Wille, mit dem die attraktive Frau im roten Businessmantel einst von einem Umsatzrekord zum nächsten eilte, ermöglicht ihr auch den Weg "zurück ins Licht", wie sie nicht ohne Pathos konstatiert. Wie es um ihre zwischenmenschlichen Beziehungen bestellt ist, lässt sich alleine schon anhand ihres Credos erahnen: "Ein Nein ist kein Nein!"

"Wie eine Sirene"

Ins Visier der Ermittlungen gerät Effizienzmonster Maria, weil der fingerlose Tote ihr ehemaliger Chef war - der sie kurz vor seinem Ableben mehrfach zu erreichen versuchte. Dass sich ausgerechnet Kommissar Stedefreund (Oliver Mommsen) an Marias Fersen heftet, ist allerdings eine eher unglückliche Entscheidung: Immerhin hat der Ermittler erwiesenermaßen eine Schwäche für genau den Typ Frau, der irgendwo auf dem schmalen Grat zwischen beeindruckender Stärke, gnadenloser Effizienz und soziopathischen Zügen wandelt. Seine Mehr-oder-weniger-Freundin und BKA-Kollegin Linda (Luise Wolfram) ist schließlich auch eine Effizienzmaschine, wenn auch ganz anderer Art: Wo Maria "wie eine Sirene" mit den Emotionen anderer spielt, lebt Linda ihr Leben mit der Empathie eines Roboters. Fasziniert ist Stedefreund von beiden gleichermaßen.

Seine Kollegin Lürsen (Sabine Postel) hat in diesem Psycho-"Tatort" nur eine Nebenrolle, der Fokus liegt ganz auf dem furchtbar düsteren Beziehungsdickicht, dass Maria um sich herum aufgebaut hat. Nadeshda Brennicke gibt die Lady in Red gruselig gut während Regisseur Florian Baxmeyer geschickt mit den gängigen Klischees einer kalten Karrierefrau in einer harten Männerwelt spielt, indem er sie immer wieder aufbricht, wenn sie ins Tragikomische abzurutschen drohen. Dass Maria dem Wahnsinn deutlich näher als der Wirklichkeit ist, macht ihren Charakter angenehm vielschichtig. Nicht nur Stedefreund schwankt zwischen Verachtung, Faszination und Mitleid für diese Frau.

Leider braucht der Film vergleichsweise lange, um seine Spannung aufzubauen: Erst nach 45 Minuten setzt die Sogwirkung so richtig ein, davor überwiegt teils der Ekel ob der kaputten Bremer Beziehungswelt. Wer so lange durchhält, wird dafür aber mit einem packenden zweiten Teil belohnt. Und darf sich über eine interessante Katharsis Stedefreunds freuen. Wäre ja auch zu doof, wenn der Arme so kurz vor seiner "Tatort"-Rente noch der falschen Frau verfiele.

Quelle: ntv.de

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