Für Serien-, Fahrrad- und Krimifans Bücher für den Gabentisch
18.12.2016, 08:28 Uhr
Du brauchst eine Pause? Lies doch ein Buch!
(Foto: Saeed Adyani/Netflix)
Ein Buch ist nicht nur ein schönes Geschenk, es kann auch die Rettung sein, wenn an Weihnachten die Lieblings-DVD einen Kratzer hat oder man einfach eine kleine Pause braucht. Für all diese Fälle haben wir einige gute Ideen.
Vom Lesen und der Liebe
Für Guylain Vignolles ist sein Job die Hölle. Ausgerechnet er, der Bücher liebt und den Geschmack von Worten beinahe mehr genießt, als den eines guten Essens, ist ihr Totengräber. Allmorgendlich stellt er eine riesige Maschine an, die aus den unverkauften Exemplaren der vergangenen Saison wieder Makulatur macht. Egal, wie hübsch ihr Einband auch sein mag, wie wohlformuliert jeder Satz darin, nichts kann ihre Zerstörung verhindern.
Doch Vignolles schafft es, den Todgeweihten doch noch einen letzten Auftritt zu verschaffen. Er liest den Mitreisenden seines Vorortzuges an jedem Morgen und jedem Nachmittag Seiten vor, die er der Maschine entrissen hat. Das könnte immer so weitergehen, doch eines Morgens fällt ihm ein knallroter USB-Stick vor die Füße.
Er enthält nur einen einzigen Ordner mit 72 Texten, geschrieben offenbar von Julie, einer Toilettenfrau. Plötzlich träumt Vignolles von dieser Frau und ihrer kleinen weißgekachelten Welt, die ihm unvermittelt als echte Alternative zu seinem bisherigen Leben erscheint. Jean-Paul Didierlaurents Debüt hat es immerhin zum Bestseller geschafft, auch wenn die Handlung manchmal etwas dünn ist. Das macht die "Sehnsucht des Vorlesers" aber mit facettenreichen Charakteren und vor allem mit einer sehr charmant erzählten Liebesgeschichte wett. (sba)
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Wenn das Schwitzfieber nach London kommt
V5N6 heißt das Virus, das die Londoner befällt und reihenweise tötet. Zunächst könnten die ersten Betroffenen die Symptome noch für eine Sommergrippe halten. Auch Stevie Flint denkt sich nichts dabei, als neben ihr in der U-Bahn jemand hustet. Dafür meldet sich ihr Freund einfach nicht, und als sie nach ihm sehen will, ist er tot. Und ausgerechnet er ist nicht am Schwitzfieber gestorben, sondern wurde ermordet.
In Flint, eigentlich Verkäuferin bei einem Shopping-Kanal, schlummert aber eine investigative Journalistin. Und die lässt nicht locker, den Tätern auf die Spur zu kommen. Währenddessen gerät das Leben in London immer weiter aus den Fugen, die Menschen plündern und versuchen zu überleben, Bürgerwehren organisieren sich und natürlich steckt sich auch Flint mit dem Virus an.
Louise Welsh hat in ihren Thriller jede Menge wirklich guter Ideen gepackt, manchmal sogar ein bisschen zu viel von allem. Trotzdem lässt der Plot den Leser irgendwie nicht wieder los. Das liegt vor allem an Welshs wirklich guter Art zu schreiben. Mit dem Lesen sollte man jedoch vielleicht bis nach der Erkältungssaison warten. (sba)
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Sibylle Berg geht auf Reisen
Der Traum von der großen weiten Welt ist ausgeträumt, unkt der Klappentext. Der Strand eine Kampfzone, das Café ein Hochsicherheitstrakt. Doch Sibylle Berg erzähle in diesem Buch von den wunderbaren Jahren, als wir unbeschwert durch Griechenland und den Kosovo und zu Wagner nach Bayreuth reisten. Voller Unruhe öffnet man da das Buch. Kann das sein? Hat wirklich DIE Sibylle Berg süßliche Urlaubsgeschichten von Mykonos und Kreta zusammengestellt? Und wieso Kosovo?
Schon nach einigen Seiten stellt sich Erleichterung ein. Nein, es ist kein verträumtes Reisebuch, es ist die Welt, wie Sibylle Berg sie sah und sieht. In der der Kosovo 1999 einiges war, aber kein romantisch-abenteuerlicher Ort. In der sie 2009 wie die gute Bildungsbürgerin in den Orientexpress steigt und erkennt, dass die Erde in den meisten Fällen real ein unangenehmerer Ort ist, als man sie sich in seinen Träumen denkt. In der wir uns heute auch in Europa an einfach alles gewöhnen werden und müssen, auch an Terror und Wahnsinn. Und spätestens wenn man in der S-Bahn bei der Kombination der Wörter ANGST, Stoiber, Mengele und Wagner laut lachen muss, ist man mittendrin im Berg’schen Universum. (sla)
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Ein Findelkind und ein Verbrechen
Zu Beginn des Jahres 1947 wurden in den Trümmern Hamburgs vier Leichen gefunden - nackt und erdrosselt. Ihre Identität konnte nie ermittelt werden, die Mordserie blieb unaufgeklärt. Diese historisch verbürgten Fakten nimmt Autorin Mechtild Borrmann als Ausgangpunkt für ihren neuen Roman. In "Trümmerkind" verleiht sie den Toten eine fiktive Identität.
In eben jenem bitterkalten Nachkriegswinter entdeckt der 15-jährige Hanno Dietz den toten Körper einer Frau. Nicht weit entfernt steht ein einsamer kleiner Junge. Er bekommt den Namen Joost und wächst bei den Dietzens auf. Erst Jahre später gelingt es dem einstigen Findelkind durch einen Zufall, dem furchtbaren Geheimnis um seine Herkunft näherzukommen. Auch Anna Meerbaum unternimmt eine schmerzliche Reise in die Vergangenheit, die 1945 auf einem Gutsherrenhof in der Uckermark begann.
Geschickt verknüpft Borrmann die einzelnen Handlungsstränge miteinander, die Charaktere sind feinfühlig gezeichnet. Gerne folgt der Leser dieser berührend, tiefgründig und fesselnd erzählten Geschichte, die zeigt, wie Schweigen, Schuld und Kriegstraumata über Generationen hinweg ihre Spuren hinterlassen. (kse)
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Kindsein in den 1950er-Jahren
Karl-Markus Gauß war der einzige gebürtige Österreicher der Familie. Der Sohn einer Flüchtlingsfamilie eben, die in der Siedlung in Salzburg zwar angekommen ist, die alte Heimat aber immer bei sich hat. In der Sprache sowieso: Liebevoll flüstern die Eltern auf Ungarisch, sprechen sie Serbokroatisch, ist die Stimmung nicht so gut.
In Gauß' Kindheit gab es Obusse mit A-Wagen, die einen Motor hatten und E-Wagen, die elektrisch betrieben wurden. Schaffner verkauften noch Fahrkarten und torkelten erst Stunden nach Dienstschluss betrunken nach Hause. Viele Leute schleppten versehrte Körper mit sich herum, Ärmel und Hosenbeine blieben einfach leer, vom Herrn Kogler wussten alle, dass er ein Kopfschüssler war.
Man ahnt in Gauß' kurzen Skizzen zwar das bleierne Grau, das auch zwischen den Häusern der Siedlung gehangen haben muss. Aber die kindliche Sicht und die erwachsene Schreiblust machen die Zeiten, in denen Nachbarn Telefone noch gemeinsam benutzten, zu einem farbenfrohen Bild einer untergegangenen Welt. (sba)
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Kurz und knackig: Kette rechts!
Bücher über den Radsport gibt es wie Sand am Meer oder besser: wie Schweißperlen auf der Stirn eines Radsportlers hinauf nach Alpe d'Huez. Richtig gute Radsportbücher sind dagegen so selten, wie die Männer, die sich einen Sieg bei diesem wohl mythischsten Tour-Ziel in ihr Palmares schreiben dürfen.
Von diesen Büchern hat Tim Krabbé gleich zwei geschrieben. Nach dem Klassiker "Das Rennen" schafft er mit "Die vierzehnte Etappe" erneut das Kunststück, ein Werk abzuliefern, das nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Es ist eine Sammlung von Texten rund um den schönsten Sport der Welt, voller Anekdoten aus dem Radsportuniversum, dem der Niederländer Krabbé einst selbst als Amateur angehörte - mehr als 1000 Rennen lang. Diese Nähe und Liebe ist auf jeder der 320 Seite erlebbar. Kette rechts! (bad)
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"Curves" im Asphalt
"Kette rechts" könnte auch das Motto des "Curves"-Machers Stefan Bogner sein. Seine Magazine verleiten aber nicht nur Radsportfans zum Träumen, sondern auch Oldtimer-Fans und Bike-Enthusiasten. Es geht um nichts Geringeres als "Kurven". Nicht die von Frauen, Autos, Motorrädern oder Rennradreifen.
Es ist der Asphalt, der Bogner immer wieder in die Berge lockt. Frankreich, Österreich, Italien. Sein jüngster Trip führte ihn nach Schottland. Und die Bilder, die er von dort mitbringt, sind so wunderschön, wie sie wohl nur ein Radsportler, Oldtimer-Fahrer oder Biker in ihrer Schlichtheit vollends genießen kann: Die Asphaltlinien schlängen sich elegant den Glens hinauf, immer dem Motto folgend: Der Weg ist das Ziel. Willkommen im Land der Fernweh-Junkies und der nie enden wollenden Sehnsucht nach der ultimatien Freiheit. Einfach traumhaft! (bad)
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Ein Traum von einem Museum
Paris hat den Louvre. Paris hat aber auch das Musée d’Orsay. Erst seit 1986 wird in dem ehemaligen Bahnhof Kunst gezeigt, vor allem französische Meister aus den Jahren zwischen 1848 und 1914. Eine Reise ist es aber wert, vor allem, wenn man vorher Manuele Fiors Comic "d'Orsay-Variationen" gelesen hat. Keinen Kunstführer legt der Italiener vor, eher einen Traumführer. Es ist der Traum einer Museums-Wärterin, in dem einige Künstler auftreten, die im Musée d'Orsay zu sehen sind und heute als Wegbereiter der Moderne gelten: Cézanne, Degas, Gauguin, Ingres, Manet, Monet, Morisot, Renoir.
Ausgehend von Henri Rousseaus "Schlangenbeschwörerin" zeigt Fior die Lebensumstände jener Künstler: ihr ärmliches Leben in Paris, ihre Bekanntschaften, die zu Musen und Modellen werden, ihre Träume, aus denen Gemälde entstehen, aber auch ihre Kämpfe. Wegen ihres Kunstverständnisses werden sie verspottet, ihre Ausstellungen enden im Eklat. Gekonnt, mit einem zwinkernden Auge verwebt Fior das Leben der Künstler mit ihren Motiven und Werken. Er stellt aber auch die Frage nach der Freiheit der Kunst und der Entwicklung des Kunstverständnisses. Schließlich inspiriert ein Künstler mitunter den anderen - bis ihre Werke im Museum wieder zusammenfinden. (mli)
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Ein Gilmore-Girl in der Ausbildung

Die deutsche Ausgabe ist bei Fischer erschienen und kostet 9,99 Euro, die englische Ausgabe bei Ballantine und kostet 12,99 Euro.
Wenn für die oder den zu Beschenkenden das Netflix-Highlight des Jahres das "Gilmore-Girls"-Revival ist, dann kommt jetzt die perfekte Geschenkidee und die Antwort auf die Frage: Was macht Lorelai eigentlich so, wenn sie nicht in Stars Hollow ist? Nun, die Schauspielerin Lauren Graham scheint gut beschäftigt zu sein. Neben weiteren Filmen und der mehr als 100 Folgen schweren Serie "Parenthood" hat sie noch ein Buch geschrieben.
"Someday, Someday, Maybe" (Lieber jetzt, als irgendwann) ist die Geschichte der jungen Franny Banks, die in den 1990ern versucht, in New York als Schauspielerin Fuß zu fassen. Franny hat sich selbst eine Deadline gesetzt, denn wer will sich schon zu lange Hoffnung auf etwas machen, für das man kein Talent hat? Also wird ein Filofax angeschafft, wo die Termine penibel festgehalten werden. Wie Franny sich durch diverse Vorsprechen und Werbespots, eine Affäre mit einem Mitstudenten an der Schauspielschule und durch das Gefühlschaos in ihrer WG kämpft, liest sich so rasant-witzig, wie ein Gilmore-Girls-Dialog. Wer würde sich da nicht die junge Lauren Graham vorstellen? Kleiner Tipp unter Serienfans: Im OV witziger! (sla)
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Englischer Adel, große Musik, kleine Pianisten
Wer sich weniger für amerikanische Kleinstädte und mehr für englische Landgüter, Adel und den Umbruch in moderne Zeiten interessiert, wo der Butler und die Herrschaft hilflos zusehen, wie der alte Glanz schwindet, der sollte es sich mit Natasha Salomons "Ein letztes Lied für dich" gemütlich machen. Im Jahr 1946 lebt der 18-jährige Fox mit seinen Brüdern und seinem Vater auf Hartgrove Hall in der Grafschaft Dorset. Das Herrenhaus ist heruntergekommen und soll gesprengt werden, doch die Brüder erbitten eine Gnadenfrist und wollen das Gut retten. Dafür muss Fox jedoch auf seinen Traum, Komponist zu werden, verzichten. Und da ist noch Edie, die Verlobte seines älteren Bruders Jack. Fox verliebt sich hoffnungslos in die schöne Sängerin, die als einzige seine Liebe zur Musik teilt.
Im Jahr 2000 lebt Fox immer noch auf Hartgrove Hall. Der erfolgreiche Komponist trauert um seine geliebte Frau. Und um die Fähigkeit, Musik zu fühlen. Erst sein kleiner Enkel holt ihn ins Leben zurück. Robin ist nicht nur ein begabter Klavierspieler, er kann die Musik auch so hören, wie es Fox einst tat. "Ein letztes Lied für Dich" ist das vierte Buch von Natasha Solomons, die tatsächlich in Dorset lebt und dort Drehbücher mit ihrem Mann schreibt. Kein Wunder, dass sich das Buch liest, als würde man sich an einem kalten, ungemütlichen Winternachmittag einen schönen Film gönnen. (sla)
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Quelle: ntv.de