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Drogenbejahendes Aufklärungsbuch Ein bisschen High muss sein

"High Sein" wartet mit jeder Menge gut gemachter Infografiken auf.

"High Sein" wartet mit jeder Menge gut gemachter Infografiken auf.

Drogen sind böse und machen kaputt. Stimmt schon, sagen die Autoren von "High Sein", aber Drogen nehmen kann auch großartig sein. Wie das funktioniert und warum wir in einer bigotten Drogenwelt leben, verraten sie in ihrem neuen Buch.

Dieser Artikel ist unter dem Einfluss von Drogen entstanden. Ging leider nicht anders, manchmal läuft das mit dem Schreiben eben einfach nicht so, wie ich mir das wünsche: Draußen scheint die Sonne, drinnen herrscht die Hirnblockade - und statt eines gekonnten Einstiegs in den Text weht lediglich tonnenweise Steppengras durch die endlose Leere meines Oberstübchens. Höchste Zeit für eine ordentliche Dosis Methyltheobromin: 100 Milligramm reichen, um meine Synapsen anzufeuern, und plötzlich läuft alles wie von selbst.

"High Sein" will "mit der gesellschaftlichen Verdruckstheit" aufräumen.

"High Sein" will "mit der gesellschaftlichen Verdruckstheit" aufräumen.

Okay, die meisten Menschen würden mich nach dem Genuss einer Tasse Kaffee - denn genau das ist Methyltheobromin - wohl eher nicht als Drogenkonsumenten abstempeln, aber nichts anderes bin ich, wenn ich zum Texten ein leistungssteigerndes Aufputschmittel brauche; genauso wie jeder, der zum Entspannen nach einem langen Arbeitstag ein Feierabendbier trinkt. Wer als abendliches Sedativum den Alkohol mit einer fetten Tüte ersetzt, wird dagegen schon ganz anders angesehen, ist ja schließlich verboten. Es ist eine bigotte Drogenwelt, in der wir leben: die Perspektiven verzerrt und voller jahrzehntelang kultivierter Vorurteile. Der Journalist Jörg Böckem, der Wissenschaftler Henrik Jungaberle und die beiden Studenten Immanuel Jork sowie Julia Kluttig wollen mit ihrem frisch erschienenen Buch "High Sein" genau damit aufräumen.

"Ein Aufklärungsbuch" lautet der Untertitel des gut 300 Seiten starken Bandes - und genau das ist es auch: Die Autoren stellen von Crystal bis Koks alle mehr und viele der weniger geläufigen Drogen vor und unterfüttern die kleine Einführung in die Welt der Rauschmittel mit den Erfahrungen einer Handvoll junger Erwachsener, die ihre ganz persönliche Geschichte erzählen. Das hat man zwar so oder so ähnlich alles schon mal irgendwo gelesen, neu ist aber der betont positive Ansatz des Buches: "Wir wollen niemandem vorschreiben, was er tun oder lassen soll. Stattdessen möchten wir versuchen, jedem Leser die Möglichkeit zu geben, seine Entscheidungen gut informiert und unter Abwägung der Risiken zu treffen."

Pflichtlektüre für neugierige Jugendliche

"Ein Gramm für 60 Euro, das sind so in etwa fünf bis sechs Wochenenden purer Spaß."

"Ein Gramm für 60 Euro, das sind so in etwa fünf bis sechs Wochenenden purer Spaß."

(Foto: picture alliance / dpa)

Dabei bleiben die Autoren stets fair und gehen das Thema unvoreingenommen an: Unter den interviewten Jugendlichen sind die üblichen abziehbildartigen Drogenopfer ("1,2 Gramm Crystal auf einmal, das war nicht so gut") genauso vertreten wie junge Erwachsene, die mit Gras, LSD, Pilzen, MDMA und ähnlichem ganz einfach nur Spaß haben oder ihr Bewusstsein erweitern, ohne gleich abzustürzen - und das auch glaubhaft reflektieren können.

"Ein Gramm für 60 Euro, das sind so in etwa fünf bis sechs Wochenenden purer Spaß. Dagegen ist doch jeder Freizeitpark, in dem wir als Kinder waren, teuer, und der Looping auf der Achterbahn kribbelt nicht halb so gut", sagt einer, der es nicht geschafft hat, und bringt das Problem in zwei Sätzen auf den Punkt: Die Türen, die wir aufstoßen, sobald wir in diese neue Welt eintauchen, lassen sich nicht so einfach wieder schließen - dafür sind die Erfahrungen, die wir auf Drogen machen, meist schlicht zu intensiv. Wenn wir aber akzeptieren, dass wir nicht ungestraft jeden Tag Loopings schlagen können, lässt sich das auf Drogen Erlebte positiv in unseren Alltag einbauen, lautet die Prämisse des Buches.

"High Sein" möchte dabei die bestmögliche Hilfestellung geben - und auch wenn die Autoren zum Ende hin eingestehen müssen, dass das Buch für erfahrene Konsumenten nicht tief genug schürft, hat es doch eine klare Daseinsberechtigung: als Pflichtlektüre für neugierige Jugendliche, die sich nicht kopflos ins Abenteuer stürzen wollen, genauso wie für aufgeschlossene Erwachsene, die ihre pubertierenden Kinder besser verstehen wollen.

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Quelle: ntv.de

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