Die Ampel und der Haushalt Eigentlich können sie sich gar nicht einigen


Das Bundeskabinett bei einer Klausur in Meseberg im März. Die Haushaltssorgen hielten sich damals noch in Grenzen.
(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)
Die Zeit läuft: Bis Weihnachten will die Ampel den Haushalt für das kommende Jahr über die Ziellinie bringen. Grüne und SPD fordern eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse. Die FDP ist dagegen. Eine Lösung wurde bislang nicht präsentiert und das hat Gründe.
Am Nikolaustag werden viele Nüsse geknackt, nur die schwerste leider nicht: Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck haben noch immer keine Lösung im Haushaltstreit gefunden. 17 Milliarden Euro müssen sie auftreiben. Am Dienstagabend präsentierte Lindner dabei neue Fakten zu dieser Summe. Es entstehe in der Berichterstattung immer der Eindruck, die Summe gehe vollständig auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zurück, sagte er. Doch dem sei gar nicht so. 6 Milliarden davon entfielen auf Mehrausgaben beim Bürgergeld, 3 Milliarden auf die Senkung der Stromsteuer.
Alle drei Ampelparteien müssten von ihren Lieblingsprojekten etwas opfern, heißt es nun oft, das sei die Lösung. Doch geht das überhaupt? Die wichtigsten Vorschläge taugen jedenfalls kaum dazu.
Das Bürgergeld: Die FDP fordert, die geplante Erhöhung auszusetzen - obwohl sie selbst vor wenigen Monaten diese noch als Verfassungsgebot verteidigt hat. Denn das Bürgergeld steigt mit der Inflation, oder genauer: mit der Inflationsprognose. Die Prognose war aber deutlich höher als die tatsächliche Geldentwertung. Insofern gebe es Korrekturspielraum, argumentiert jetzt Lindner. Doch für die SPD ist all das - eigentlich - unannehmbar. Das Bürgergeld war für die SPD ein Prestigeprojekt, die endgültige Abkehr von Hartz IV, für viele der Sündenfall der Ära Gerhard Schröders. Arbeitsminister Hubertus Heil hat den FDP-Vorstoß bereits zurückgewiesen. Die Erhöhung zum 1.1. ist ohnehin geltendes Recht und lässt sich so kurzfristig nicht mehr zurücknehmen.
Die Kindergrundsicherung: Ein weiterer Vorschlag ist es, die Kindergrundsicherung zu kürzen oder sogar ganz zu streichen. Das fordert die Union, die bei den Verhandlungen gar nicht mit am Tisch sitzt. In der FDP gibt es dafür aber ebenfalls große Sympathien. Das zeigte sich im Dauerstreit darum - nach dem Heizungsgesetz war das die klare Nummer 2 der Schlachten, die sich Liberale und Grüne in diesem Jahr lieferten. Lindner bügelte hier schon Familienministerin Lisa Paus ab, gestand ihr statt der ursprünglich mal geforderten 12 Milliarden Euro nur 2,2 Milliarden Euro zu. Da nun noch einmal ganz oder teilweise ranzugehen, muss sich für die Grünen wie die Definition von "die Butter vom Brot nehmen" anfühlen. Für sie ist die Kindergrundsicherung wichtig, weil es sie auch vor dem Vorwurf schützt, den Blick für soziale Probleme verloren zu haben.
Die Schuldenbremse: Für große Teile von SPD und Grünen ist es die Lösung, die Schuldenbremse im kommenden Jahr noch einmal auszusetzen. Rein technisch könnte die Ampel damit all ihre akuten Probleme lösen. Allerdings führt die FDP verfassungsrechtliche Bedenken an. Lässt sich im kommenden Jahr noch einmal die Notlage mit dem Ukraine-Krieg begründen? Oder der Energiekrise? Es wäre doppelt peinlich, wenn Karlsruhe wieder einen Strich durch die Rechnung machen würde. Für Lindner dürfte Taktik aber mindestens genauso wichtig sein. Die Schuldenbremse ist sein großes Thema. Er will für solide Finanzen stehen. Wenn er dann drei Jahre in Serie die Notlage erklärt, ließe sich diese Erzählung nur mit Argumentationsakrobatik durchhalten. Genauso sieht es mit Steuererhöhungen aus, die für die FDP ebenfalls eine rote Linie ist.
Bei Prestigeprojekte keine Zugeständnisse ratsam
Wenn alle drei bei "ihrem" Lieblingsprojekt Zugeständnisse machen, haben alle drei viel zu verlieren. Denn am Ende könnte es heißen: "Die SPD ist beim Bürgergeld eingeknickt." Oder: "Die Grünen konnten die Kindergrundsicherung nicht durchsetzen." Oder: "Die FDP ist bei der Schuldenbremse weich geworden." Solche Erzählungen können ganze Wahlkämpfe verhageln. Das wissen auch Scholz, Habeck und Lindner. Mal davon abgesehen, dass sie von der Sinnhaftigkeit ihrer Projekte überzeugt sein dürften.
Und auch weitere Vorschläge fallen flach: Eine Rentenerhöhung zurücknehmen? Viel Spaß bei der nächsten Wahl. Die Ukraine-Hilfe doch nicht verdoppeln? Putin freut sich drauf. Die bereits zugesagten Subventionen für die Chip-Fabriken in Sachsen und Sachsen-Anhalt streichen? Das wäre es dann mit dem guten Ruf Deutschlands als Investitionsstandort.
Etwas anderes als eine Flucht nach vorn bleibt den Ampelspitzen aber gar nicht übrig. Ein Ausweg könnten die klimaschädlichen Subventionen sein, die das Umweltbundesamt auf 65 Milliarden Euro beziffert. Schaut man sich den entsprechenden Bericht genauer an, zeigt sich zwar, dass dabei sehr großzügig gerechnet wurde - nicht nur beim Dieselprivileg oder der Nicht-Besteuerung von Kerosin. So wird auch der soziale Wohnungsbau als klimaschädlich betrachtet. Außerdem ist die neueste Aufstellung von 2018 und nicht mehr aktuell - so findet sich noch das Baukindergeld darin, das mittlerweile ausgelaufen ist. Dennoch schlummern hier einige Milliarden Euro. Und Subventionsabbau ist grundsätzlich mit den Glaubenssätzen der FDP vereinbar.
Entwicklungshilfe kürzen?
Lindner fordert auch, die Entwicklungshilfe ein Stück weit zurückzufahren. Allein die Leistungen von Bund und Ländern liegen bei rund 28 Milliarden Euro im Jahr. Schaut man sich an, wofür das ausgegeben wird, erscheint alles sinnvoll. Doch ließe sich eine Kürzung rechtfertigen, um die Haushaltslöcher im Inland zu stopfen. Für SPD und Grüne wäre das aber eine Kröte.
Vertreter der Ampelparten räumen mittlerweile freimütig ein, dass die Außendarstellung des Bündnisses schlecht ist. Zu viel Streit, zu wenig Geschlossenheit. Aber, so betonen sie dann, die Ergebnisse könnten sich doch sehen lassen. Es wäre jetzt an der Zeit, genau das unter Beweis zu stellen. Lindner sagte im Bayerischen Rundfunk, die Regierung werde dem Bundestag "sehr zeitnah" Vorschläge unterbreiten. Er versuchte zwar den Eindruck zu erwecken, dass eine Haushaltsverabschiedung im Januar kein Problem wäre. Peinlich wäre eine Hängepartie über die Weihnachtsfeiertage indessen schon.
Quelle: ntv.de