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Rauswurf des Westens So unterwandert Russland die Länder der Sahelzone

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Mitglieder der Wagner-Gruppe schützen den zentralafrikanischen Präsidenten Faustin-Archange Touadera.

Mitglieder der Wagner-Gruppe schützen den zentralafrikanischen Präsidenten Faustin-Archange Touadera.

(Foto: REUTERS)

Russlands Einfluss in Afrika wächst. Die Militärregierungen in Mali, Burkina Faso und Niger wenden sich vom Westen ab. Die instabile Lage nutzt Russland aus, schickt Waffen, Kriegsgerät und Wagner-Söldner. Der blutige Handel bringt Geld für den Ukraine-Krieg.

Auf dem Flughafen der nigrischen Hauptstadt Niamey landet ein Transportflieger der russischen Luftwaffe, eine Iljuschin-76-Maschine. Russische Soldaten schieben Kisten mit Militärausrüstung auf einen daneben parkenden Lastwagen. "Wir sind hier, um die Armee des Niger zu trainieren, mit dem Equipment, das hier angekommen ist", sagt ein vermummter Mann in Militäruniform.

Im April hat Russland dem Niger erste Truppen geschickt: 100 Militärausbilder sind gelandet. Moskau und das westafrikanische Land sind neue Freunde. Seit einem Militärputsch vor einem Jahr wendet es sich vom Westen ab. Frankreich musste seine Truppen schon abziehen, auch die USA müssen ihre Soldaten bis Mitte September nach Hause schicken. Deutschland wird seinen Luftwaffenstützpunkt bis Ende August schließen.

"Europa findet kaum noch statt im Niger", sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Kaum hatte die nigrische Militärregierung im April beschlossen, dass die US-Truppen das Land verlassen sollen, waren die russischen Soldaten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Niamey eingezogen. "Die Russen werden sicherlich auch nach Agadez in die ehemalige Drohnenbasis der Amerikaner einziehen, die sie gerade räumen", erwartet Laessing. "Das machen sie gerne so, das hat eine gewisse Symbolik. Bald werden die Russen alleine da sein."

Russland als Hauptpartner

Das US-Militär hat sein Personal inzwischen komplett von der Airbase in Niamey abgezogen. Im August soll die Drohnenbasis in der Nähe der Wüstenstadt Agadez aufgegeben werden. Von dort aus kämpfen seit sechs Jahren amerikanische Soldaten gegen Islamisten und Dschihadisten. In Niger, Mali und Burkina Faso haben sich islamistische Terrorgruppen ausgebreitet.

Der Niger war lange der letzte demokratische Partner des Westens in der Sahelzone, doch jetzt wird Moskau von mehreren Staaten in der Region mit offenen Armen empfangen. "Russland ist inzwischen der Hauptverbündete von drei Sahel-Ländern, Mali, Niger und Burkina Faso. Russland bemüht sich auch um andere afrikanische Länder wie den Tschad. Man bietet Militärkooperation und politische Unterstützung an und sieht die Sahelzone als strategischen Bereich, fast so wie im Kalten Krieg", sagt Afrika-Experte Laessing.

Auch in Mali und Burkina Faso haben inzwischen Militärregierungen das Sagen. Die drei Staaten waren im Januar aus der ECOWAS ausgetreten, der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten. Anfang Juli haben sie eine "Allianz der Sahelstaaten" gegründet, Russland habe dabei im Hintergrund mitgewirkt, sagt Laessing. Die Verteidigungsabkommen mit den Streitkräften der USA, Europas und der Vereinten Nationen wurden dagegen aufgelöst.

Zur Generalversammlung der Sahel-Allianz, ein internationales Bündnis zur Unterstützung des Sahels, Mitte Juli in Berlin waren die Länder aber nicht gekommen, obwohl es gerade um diese drei Staaten gehen sollte, wie Laessing berichtet. Anscheinend hatten ihre Botschafter entsprechende Anweisungen aus ihren Heimatländern erhalten: "Sie sind verbündet mit Russland, sagen jetzt ganz bewusst: Wir brauchen den Westen nicht mehr. Es gibt nur noch Kontakte in der Entwicklungszusammenarbeit. Mauretanien hat den Wirtschaftsminister entsandt, es kam auch jemand aus dem Tschad. Die sind bereit, mehr zu machen."

Wagner-Söldner kämpfen und beschützen

Wenn von russischen Soldaten in Mali, Niger oder Burkina Faso die Rede ist, sind es eigentlich Söldner der Wagner-Gruppe, die sich jetzt Afrikakorps nennt. Das Korps gehört nicht zu den regulären Streitkräften, ist aber direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt. Man kann die Söldner einfach mieten als Kämpfer oder für andere Aufgaben: "Es gibt ungefähr 1000 bis 1200 Söldner in Mali, vielleicht 300 in Burkina Faso und 100 in Niger", sagt Laessing.

In Zentral- und Nord-Mali kämpfen die Söldner etwa zusammen mit der malischen Armee gegen Dschihadisten. Teilweise sehr brutal, erzählt Laessing. Im Alltag der malischen Hauptstadt sind sie ihm zufolge kaum zu sehen. Erst am Wochenende bevölkern sie in Bamako Restaurants und Hotels.

In Burkina Faso sind die ersten Mitglieder des Afrikakorps Ende Januar gelandet. Offiziell sind sie Trainer der Präsidentengarde. "Das ist wahrscheinlich eine Art Bodyguard-Service."

Sowjetwaffen für Afrika

Russland schickt nicht nur Truppen, sondern verkauft den Ländern auch Waffen. Mali hat bisher etwa 30 Jets und Hubschrauber bekommen. "In Niger hat Russland auch angekündigt, Luftabwehrgeschütze zu liefern. Das ist ganz klar ein Regimeschutz. Die Militärregierung fürchtet immer noch, dass Frankreich oder der westafrikanische Block ECOWAS versuchen könnte, die Regierung zu stürzen. Daher die Lieferung der Luftabwehrgeschütze." Auch Gewehre und Munition sollen in das Land gebracht werden.

Moskau liefert allerdings keine Waffen, auf die es für seinen Krieg in der Ukraine angewiesen ist: "Das sind nicht gerade die neuesten Modelle. In Mali wurden noch Flugzeuge aus der damaligen Tschechoslowakei geliefert. Das sind sehr alte Hubschrauber oder Flugzeuge, die irgendwo in Sibirien auf Halde stehen", sagt Laessing im "Wieder was gelernt"-Podcast. "Europa wollte ihnen wegen der Menschenrechtsverletzungen keine Waffen liefern. Die Sahel-Staaten sind froh, dass sie überhaupt was kriegen."

Der Waffenhandel sei gerade in Zeiten westlicher Sanktionen wichtig, berichtet der Experte. "Etwa 50 Prozent des afrikanischen Waffenmarkts wird von Russland bedient."

Gold und Diamanten

Doch die militärische Unterstützung hat ihren Preis: Als Gegenleistung darf Russland unter anderem die Bodenschätze der Region ausbeuten. In der Zentralafrikanischen Republik sollen sich im Oktober ehemalige Wagner-Söldner gewaltsam eine Goldmine unter den Nagel gerissen haben. Auch im Norden von Mali haben russische Söldner eine Goldmine übernommen.

Der Handel mit afrikanischem Gold ist inzwischen zu einer Einnahmequelle des Kremls geworden, auch für den Ukraine-Krieg. Es stammt vorwiegend aus der Zentralafrikanischen Republik und dem Sudan. Damit hat Russland von Februar 2022 bis Ende vergangenen Jahres über 2,5 Milliarden US-Dollar verdient, wie aus dem Blood Gold Report hervorgeht. Der beschreibt, wie durch den Goldabbau in Afrika Geld nach Russland geschleust wird.

Zusätzlich sollen die Söldner von der Militärjunta in Mali jeden Monat fast 11 Millionen US-Dollar in bar bekommen. Das Geld stammt demzufolge aus Steuern, die westliche Bergbauunternehmen an die Militärjunta zahlen.

In der Zentralafrikanischen Republik hat die Wagner-Gruppe inzwischen das Monopol über die Minen und die Rohstoffe des Landes. Tochterfirmen dürfen die wertvollen Rohstoffe in Gold- und Diamantenminen abbauen und auch exportieren.

Desinformation und Russische Häuser

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Der russische Einfluss in Afrika wächst aber auch medial. Der Kreml fährt große Desinformationskampagnen, um die Menschen zu manipulieren, sagt Laessing. Im Niger wurden nach dem Militärputsch unter anderem russische Flaggen im Land verteilt, die häufig auf Demonstrationen zu sehen sind. In sozialen Medien wurden falsche Videos verbreitet, in denen unter anderem behauptet wird, dass die Bevölkerung hinter der Junta stehe.

Auch mithilfe sogenannter Russia Houses, ähnlich dem Goethe-Institut, versuche Russland positive Stimmung zu machen. "Es gibt sie in Mali und Burkina Faso, im Niger soll auch eins kommen", so Laessing. Russland veranstalte vermeintliche Kulturevents und Sprachkurse, vergebe viele Stipendien für Menschen, die in Russland studieren wollen. "Das hat Europa bislang nicht ernst genommen und nicht viel dagegengehalten."

Der Kreml präsentiert sich als Verbündeter der afrikanischen Länder, als Gegenspieler der alten Kolonialmächte. Dabei spielt sich Moskau selbst wie eine Kolonialmacht auf, sagt Laessing. Er ist deswegen überzeugt: Langfristig wird Russland dort genauso erfolglos sein wie die westlichen Länder.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

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Quelle: ntv.de

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