Flüchtlinge in Deutschland "Wir brauchen eine Wertedebatte"
07.08.2015, 21:47 Uhr
Derzeit vergeht kaum ein Tag ohne Nachrichten zu überfüllten Flüchtlingslagern oder Schreckensmeldungen von Schiffsunglücken im Mittelmeer. So viele Menschen wie nie zuvor machen sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg nach Europa, viele von ihnen landen schließlich in Deutschland. Während die Wirtschaft im Zustrom der Flüchtlinge vor allem Chancen sieht, warnen andere vor Überfremdung oder gar Terrorismus. Die deutsche Presse diskutiert.
Die Leipziger Volkszeitung resümiert: "Es scheint, als gäbe es zwei Deutschlands: ein leises, mitfühlendes - und ein lautes, aggressives. Zwei Parallelwelten, deren Bewohner bisher noch keinen Weg gefunden haben, ins Gespräch zu kommen, miteinander sachlich zu verhandeln, in was für einer Gesellschaft sie leben wollen, heute und in Zukunft. Das muss sich ändern. Wir brauchen eine Wertedebatte. Mutig, selbstbewusst und laut geführt von all jenen, die es für eine Selbstverständlichkeit erachten, Menschen in Not die Hand zu reichen."
"Deutschland erlebt einen kaum bewältigbaren Ansturm von Flüchtlingen", schreibt Die Welt und meint weiter: "Integration gelingt dort am besten, wo Migranten einer geregelten Arbeit nachgehen. Der Vorstoß der Sozialdemokraten, Wirtschaftsflüchtlingen unter bestimmten Bedingungen mit Arbeitsvisa zu versehen, geht in die richtige Richtung. Wer weniger abschieben will, muss mehr wirtschaftsfreundliche Reformprojekt aufgleisen und nicht wie die regierende Große Sozialdemokratische Koalition die Reförmchen der Schröderschen Agendapolitik fahrlässig zurückdrehen. Zeit also für Multikulturalisten, neoliberal zu denken und sprechen."
Scharfe Kritik an der Regierung gibt es auch in den Westfälischen Nachrichten zu lesen. "Viel Worte - wenig Taten. Das erzeugt Frust", so das Urteil. "Droht vor Ort die Stimmung zu kippen? Die CSU erweckt zumindest diesen Eindruck, wenn der frühere Bundesinnenminister Friedrich über die 'gesellschaftliche Destabilisierung' schwadroniert. Davon ist dieses Land weit entfernt. Im Gegenteil. Schenkt man der deutschen Wirtschaft Glauben, wäre mancher Betrieb in Handwerk und Industrie dankbar, wenn arbeitswillige und zum Teil auch gut ausgebildete Asylanten endlich an die Arbeit gelassen würden. Doch das ist Sache der Politik. Das politische Berlin macht Sommerpause."
Ein ganz anderes Thema greift man hingegen bei der Frankfurter Rundschau auf: "Während am Mittelmeer die Toten der jüngsten Flüchtlingskatastrophe gezählt werden, geistert durch Deutschland mal wieder ein Verdacht: Mischen sich Kämpfer des 'Islamischen Staats' gezielt unter Asylbewerber, um dann bei uns Anschläge zu verüben? Einen Fall hat es in dieser Woche gegeben: Ein marokkanischer Dschihadist wurde in einer Asylunterkunft in Ludwigsburg festgenommen." Ein systematisches Einschleusen von Kämpfern als "Flüchtlinge" gibt laut Bundesregierung aber nicht. "Dennoch gefallen sich einige Scharfmacher - auch in manchen Medien - darin, fahrlässig zu zündeln, indem sie einen Zusammenhang zwischen Flucht nach Deutschland und Terror in Deutschland sensationsgierig konstruieren", kritisiert die Frankfurter Rundschau.
Zusammengestellt von Annika Thöt
Quelle: ntv.de