Darf der Chef eigentlich ... ... kranke Mitarbeiter zu Hause kontrollieren?
25.09.2024, 15:01 Uhr Artikel anhören
Kommen Arbeitnehmer der Verpflichtung zur Vorlage einer AU-Bescheinigung nicht rechtzeitig nach, können Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern.
(Foto: picture alliance / Zoonar)
Gegen etwas Fürsorge vom Vorgesetzten hat wohl kaum jemand etwas einzuwenden. Wenn der dann aber während einer Krankschreibung vor der Tür steht, geht das den meisten doch zu weit. Vor allem, wenn vermutet wird, dass der Besuch dazu dient, Blaumachern auf die Schliche zu kommen. Was rechtlich gilt, lesen Sie hier.
Dass Geschäftsführer und Personalchef kranken Mitarbeitern des Tesla-Werkes in Grünheide persönlich einen Kontrollbesuch abgestattet haben, sorgt für Aufregung. Die Maladen fühlten sich wohl zu Unrecht der Blaumacherei verdächtigt. Die Vorgesetzten betonen aber, dass die Visite lediglich dazu diente, mal nachzufragen, wie es den Erkrankten denn so geht und ob Hilfe benötigt wird.
Ungeachtet dessen, ob so viel Fürsorge nun als rührend oder übergriffig empfunden wird, gilt es, die rechtlichen Komponenten der unangekündigten Besuche zu prüfen. Los geht's:
Darf der Chef überhaupt erkrankte Mitarbeiter zu Hause aufsuchen?
Ja, darf er. Kommt der Vorgesetzte nach Absprache auf einen Sprung ans Krankenbett, ist die Sache ohnehin unkritisch. Aber auch wenn der Mitarbeiter nichts von seinem Glück weiß und der Besuch wohl eher der Kontrolle als der Anteilnahme dient, geht die Sache in Ordnung. Worauf auch bei der Chefvisite der Tesla-Mitarbeiter allein schon die Unterstützung des Betriebsrates hinweist. Überdies ist es Arbeitgebern bei dem begründeten Verdacht, dass der Mitarbeiter gar nicht erkrankt ist, auch erlaubt, einen Privatdetektiv mit der Überprüfung zu beauftragen. Woraus sich ein "Besuchsrecht" des Vorgesetzten ableiten lässt.
Muss der Vorgesetzte in die Wohnung gelassen werden?
Nein, der darf gerne draußen bleiben. Denn nach Artikel 13 des Grundgesetzes ist die Wohnung als persönlicher Lebensbereich des Arbeitnehmers besonders geschützt. Daraus ergibt sich, dass es dem Chef natürlich erst recht untersagt ist, sich unerlaubt Zutritt zu verschaffen. Bei Zuwiderhandlung ist der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nach Paragraf 123 des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllt. Zudem kommt auch noch Nötigung gemäß Paragraf 240 StGB in Betracht. Abgesehen davon muss der erkrankte Mitarbeiter noch nicht einmal die Tür öffnen und auch nicht ans Telefon gehen, wenn der Vorgesetzte unerwünschten Kontakt sucht.
Darf der Arbeitgeber nach dem Grund für die Arbeitsunfähigkeit fragen?
Ja, fragen darf er. Arbeitnehmer müssen allerdings keine Auskunft über die Art der Erkrankung geben. Das unterliegt dem Schutz der Privatsphäre.
Was kann der Arbeitgeber sonst noch tun, um Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen?
Im Krankheitsfall müssen Beschäftigte in der Regel spätesten am vierten Kalendertag eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen. Diese dürfen einen Nachweis aber auch schon ab dem ersten Tag fordern. Außerdem muss der Arbeitgeber auch bereits am ersten Tag des krankheitsbedingten Fernbleibens formlos informiert werden. Ansonsten droht eine Abmahnung und im Wiederholungsfall eine Kündigung.
Kommen Arbeitnehmer der Verpflichtung zur Vorlage einer AU-Bescheinigung nicht rechtzeitig nach, können Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern. Dies können sie grundsätzlich auch, wenn sie an der Richtigkeit der Krankschreibung zweifeln.
Wann sind ernsthafte Zweifel berechtigt?
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Paragraf 275 des V. Sozialgesetzbuches sind zugelassen, wenn:
- die Person auffällig oft oder auffällig oft sehr kurz krankgeschrieben wird,
- die Person häufig zu Beginn oder zum Ende der Woche arbeitsunfähig ist.
Was sonst noch?
Darüber hinaus kann der Arbeitgeber bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern von der Krankenkasse verlangen, dass diese eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkassen können solch eine Begutachtung jedoch ablehnen, wenn die Krankschreibung aus den vorliegenden Diagnosen eindeutig nachvollzogen werden kann.
Welche Konsequenzen drohen überführten Blaumachern?
Allerhand. Wenn Mitarbeiter eine Krankschreibung einreichen, ohne tatsächlich krank zu sein, können sie sich strafbar machen. Zum einen ist die Vorlage eines falschen Gesundheitszeugnisses durch das StGB Paragraf 279 unter Strafe gestellt und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet. Zudem kommt auch der Betrug als Straftatbestand in Betracht. Und natürlich kann dem, der beim Krankfeiern erwischt wird, auch ohne Einreichen einer unwahren AU-Bescheinigung fristlos gekündigt werden. Muss aber nicht.
Wie können Arbeitgeber einem Missbrauch vorbeugen?
Zum Beispiel durch einen angenehmen, wertschätzenden Arbeitsplatz. Sollten dennoch Zweifel an der Ehrlichkeit des Arbeitnehmers aufkommen, sollte immer das direkte, freundliche Gespräch gesucht werden. Am besten aber am Arbeitsplatz und nicht an der Haustür des Beschäftigten. Diese sind zwar nicht dazu verpflichtet, Auskünfte über ihre Krankheit zu geben, trotzdem kann unter Umständen schon einiges aus der direkten Reaktion der Person abgeleitet werden. Hinzu kommt: Offene Gespräche schaffen Vertrauen und können weiterem Misstrauen oder auch Missbrauch vorbeugen.
(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 25. September 2024 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de