Fußball

Lehren des sechsten Spieltags Die Liga der Dilettanten muckt auf

O Captain! My Captain: Dortmunds Marco Reus mit Axel Witsel und Dan-Axel Zagadou.

O Captain! My Captain: Dortmunds Marco Reus mit Axel Witsel und Dan-Axel Zagadou.

(Foto: imago/Laci Perenyi)

Liebe Damen und Herren, die Fußball-Bundesliga hat einen neuen Tabellenführer. Der FC Bayern ist verwundbar, an der Spitze thront der BVB. Aber bitte nicht zu früh freuen: Es handelt sich nur um den Anschein eines Titelkampfes.

1. Die Saison ist doch noch so jung

"Willkommen in der Liga der Dilettanten" lautete die Überschrift zu diesem sechsten Spieltag der Fußball-Bundesliga. Allerdings nur bis Samstag um 20.13 Uhr. Da nämlich erzielte Paco Alcácer ein Tor und die Dortmunder Borussen führten plötzlich mit 3:2 in Leverkusen. Am Ende dieses furiosen Endspurts sprang ein 4:2 heraus und der BVB an die Spitze der Tabelle. Dabei hatten die Dortmunder mehr als eine Stunde mit zwei Treffern zurückgelegen. Und es sah ganz danach aus, als wolle partout niemand die Schwäche des FC Bayern ausnutzen, der zum Auftakt des Spieltages bei der Berliner Hertha verloren hatte. Die Bremer, die ebenfalls die Spitze hätten erklimmen können, vergeigten es beim VfB Stuttgart, der seinen ersten Sieg in dieser Saison feierte, die Mönchengladbacher remisierten in Wolfsburg.

Entfesselt: Dortmunds Trainer Lucien Favre in Leverkusen, hier mit Manuel Akanji.

Entfesselt: Dortmunds Trainer Lucien Favre in Leverkusen, hier mit Manuel Akanji.

(Foto: imago/Team 2)

Doch dank des BVB und seines Trainers Lucien Favre, der nach dem Sieg bei Bayer große Teile seiner Zurückhaltung ablegte und bei Alcácers erstem Tor nahezu ausgelassen jubelte, gibt es nun zumindest den Anschein eines Titelkampfes in der Bundesliga. Dortmund auf Platz eins und die Rasenballsportler aus Leipzig auf Rang sechs, die in Sinsheim gegen die TSG Hoffenheim gewannen, trennen drei Punkte. Das klingt spannend, und ist es in einem gewissen Sinne auch. Das Problem ist nur, dass noch 28 Spieltage ausstehen. Und natürlich ist der FC Bayern, der in den vergangenen sechs Jahren den nationalen Fußball-Contest souverän sechs Mal hintereinander gewann, noch immer der ganz große Favorit auf die deutsche Meisterschaft. Die einzige Hoffnung für die Freunde eines echten Wettbewerbs besteht darin, dass es der Branchenprimus aus München in dieser Saison vielleicht nicht ganz so einfach haben wird. Frei nach dem Motto: "Die Liga der Dilettanten muckt auf."

2. Die Hertha mausert sich zum Role Model

Damit sind wir bei der Berliner Hertha, die im ausverkauften Olympiastadion nicht nur zum ersten Mal seit Februar 2009 die Bayern besiegte, sondern auch noch so gut Fußball spielte, dass sie völlig verdient gewann. Trainer Pal Dardai war entzückt und sprach davon, die erste Halbzeit sei nahezu perfekt gewesen. Das ist ein großes Lob für sein junges Team, das in der Tat keinen Respekt zeigte, dagegenhielt und mit einer altersuntypischen Effizienz, die an Abgezocktheit grenzte, seine beiden Tore erzielte und so die Fehler der Münchner bestrafte.

In der Startelf standen sieben Spieler, die 23 Jahre und jünger sind: Valentino Lazaro, 22 Jahre alt; Niklas Stark, 23; Karim Rekik, 23; Maximilian Mittelstädt, 21; Arne Maier, 19, Ondrej Duda, 23, und Javairo Dilrosun, 20. Dardai war richtig stolz: "Die ganze Welt hat das Spiel gesehen: Freitagabend gegen Bayern München, ein volles Stadion. Das ist gut für das Image", sagte er. Und es ist gut für die Liga. Daher die Bitte an alle anderen Mannschaften, demnächst gegen den Meister ähnlich mutig aufzutreten. Probiert es doch einfach auch mal. Ihr habt doch gesehen: Da geht was.

3. Dortmunds Borussia gibt sich demütig

Es ist fast ein wenig schade, dass der geneigte Zuschauer bis zum 10. November warten muss, bis es endlich so weit ist. Dann nämlich, am elften Spieltag, gastiert der FC Bayern (ab 18.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im Dortmunder Westfalenstadion. Es ist nicht so, dass es dem BVB nicht zuzutrauen ist, bis dahin seine just erkämpfte Spitzenposition erfolgreich zu verteidigen. Aber sicher ist das natürlich nicht. Die Dortmunder selbst scheinen das zu ahnen. Sie geben sich demütig, obwohl der Sieg in Leverkusen wirklich ein Spektakel war, mehr noch als das furiose 7:0 in der vergangenen Woche gegen den 1. FC Nürnberg.

Auswärtsfeiertag.

Auswärtsfeiertag.

(Foto: imago/DeFodi)

Trainer Favre, der eh nicht für großspurige Ansagen bekannt ist, sagt: "Die Tabellenführung ist sehr schön. Das ist ein guter Start, aber mehr auch nicht. Wir denken weiter von Spiel zu Spiel." Das ist insofern ein guter Plan, als dass ihnen ja auch gar nichts anderes übrig bleibt. Am Mittwoch geht es (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) am zweiten Spieltag der Champions League gegen die AS Monaco, und am Samstag, 6. Oktober, kommt der FC Augsburg zum Ligaspiel nach Dortmund. Und Sebastian Kehl, neuerdings Lizenzspielerchef, befand: "Wir befinden uns noch sehr früh in der Saison und es wäre verfrüht, nach sechs Spielen in der Borussia einen Titelanwärter zu sehen. Wir nehmen das gerne mit. Aber für Kampfansagen ist es zu früh." Allerdings: "Es war ein geiles Erlebnis, wir haben gezeigt, dass Mentalität in der Truppe da ist." Für alle, die es mit dem BVB halten, wird es das gewesen sein. Und für alle anderen ein starkes Statement: Diese Dortmunder meinen es ernst.

4. Der FC Bayern ist "back to earth"

Vielleicht waren sie sogar ein klein wenig froh, dass die Diskussionen um ihre angebliche Unschlagbarkeit nun ein Ende haben. Aber es dürfte dem FC Bayern und seinem Trainer Niko Kovac nicht gefallen haben, dass sie nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg verdient in Berlin verloren. Nun ergeben zwei Spiele noch keinen Trend, und die Münchner haben in beiden Spielen auch nicht richtig schlecht gespielt. Aber eben auch nicht richtig gut, und zum ersten Mal seit einem Jahr auswärts kein Tor geschossen. Nur ein Punkt von sechs möglichen Zählern ist nicht das, was sie sich vorgenommen hatten. Vorerst ist der FC Bayern "back to earth", um Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zu zitieren, der mit diesen Worten einst Nationalspieler Jérôme Boateng zu mehr Bodenständigkeit ermahnte.

Sein Kollege Thomas Müller sagt: "Jetzt hat uns ein bisschen die Realität eingeholt." Auch für die Münchner steht wieder die Königsklasse auf dem Programm, Ajax Amsterdam kommt nach Fröttmaning. "Wer uns kennt, der weiß, dass uns das richtig ärgert und wir deswegen Richtung Dienstag Gas geben." Und auch sein Trainer versicherte: "Die, die den FC Bayern kennen, wissen, dass wir uns das nicht gefallen lassen und wir alles tun werden, damit wir wieder erfolgreich sind." Für ihn liegen die Dinge so: In Berlin lag's daran, dass seine Spieler sich zwar Torchancen erspielten, sie aber nicht nutzten. Dass Kovac damit etwas kurz greift, weiß er vermutlich selbst. Aber er ist sehr darum bemüht, die Sache nicht zu hoch zu hängen. Die Rolle des Mahners übernahm Rechtsverteidiger Joshua Kimmich: "Ich glaube nicht, dass das alles Pech ist, wir müssen es uns auch schon wieder erarbeiten, weil wir die Vielzahl an Chancen nicht machen und hinten die Fehler machen. Das hatten wir in der letzten Saison auch schon. Das ist dann einfach auch eine Sache von Qualität." Seinerzeit gewann der FC Bayern die deutsche Meisterschaft und erreichte das Halbfinale der Champions League.

5. Schalke 04 gewinnt ein Fußballspiel

Das ist ja eigentlich die Nachricht des Spieltags. Dass die Schalker ein Spiel gewinnen, ist in dieser Spielzeit eine Premiere. Dieses Kunststück gelang auch dem VfB Stuttgart. Doch nach dem Sieg gegen den SV Werder Bremen sprachen alle nur über Torhüter Ron-Robert Zieler. Der hatte mit dem wohl kuriosesten Eigentor des Jahres den Sieg fast noch ins Wanken gebracht. Aber zurück nach Gelsenkirchen. Unser Kollege Arnulf Beckmann war in der Turnhalle neben dem Parkstadion und hat sich angeschaut, wie sich die Schalker zum 1:0 gegen den 1. FSV Mainz 05 zitterten. Fazit: Sie haben mit ihrem ersten Dreier nach fünf Niederlagen zwar den schlechtesten Bundesliga-Saisonstart ihrer Vereinsgeschichte vermieden. Das Ende der Krise ist das aber noch nicht.

6. RB Leipzig drängt sich nach vorne

Kommen wir zum Abschluss noch einmal zur Spitzengruppe der Liga. In die haben sich die Leipziger mit dem Sieg in Sinsheim gegen die TSG Hoffenheim just hineingedrängt, mit nur drei Punkten Rückstand auf den BVB, wir erwähnten es eingangs. Ralf Rangnick, Trainer, Sportdirektor und in der nächsten Saison der Chef des Hoffenheimer Trainers Julian Nagelsmann, den es ja zu den Rasenballsportlern zieht, hatte jedenfalls Spaß. Nach dem Sieg dozierte er genüsslich, warum sein Team gewonnen hatte: "Natürlich wussten wir um die Stärke von Hoffenheim speziell beim Umschaltspiel. Dass sie versuchen, mit ihren Achtern und ihren hohen Schienenspielern die Box auch zu besetzen, und dass sie um die Box herum teilweise mit fünf, sechs Spielern präsent sind."

Seine Analyse: "Wir haben letzte Saison gesehen, dass das mit einer Viererkette schwer zu verteidigen ist. Deswegen haben wir uns entschieden, mit einer Dreier- bzw. Fünferkette zu spielen. Ich denke, das hat sich als nicht ganz verkehrt erwiesen." Nagelsmann ertrug es und lauschte. In der Liga stecken er und seine Hoffenheimer im Mittelfeld fest, in der Champions League steht ein großer Tag bevor: Josep Guardiola kommt mit dem englischen Meister und Tabellenführer am Dienstag (ab 18.55 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) in Sinsheim vorbei. Rangnick hingegen kann davon nur träumen. Er spielt mit seinem Team am Donnerstag, ebenfalls ab 18.55 Uhr, aber eine Klasse tiefer in der Europaliga bei Rosenborg in Trondheim.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen