Fußball

Sechs Lehren des 2. Spieltags FC Bayern stottert cool, BVB hat Komplexe

Robert Lewandowski weiß immer noch, wo das Tor steht.

Robert Lewandowski weiß immer noch, wo das Tor steht.

(Foto: imago/VI Images)

Dem FC Bayern reichen auf Schalke zehn ordentliche Minuten, der BVB leidet unter einem Retortenkomplex. Gladbach ist im Kopf schon bei Guardiola und bei Werder will man gegen die Minikrise "ein bisschen laufen."

1. Rostov muss sich warm anziehen

Am Dienstag gastiert der FC Rostov in der Champions League beim FC Bayern, und den Betriebsausflug der Russen vom Don an die Isar wird die Frage begleiten: War das jetzt gut, schlecht, der übliche Bayern-Dusel oder Schalker Deppertheit, was den Ancelotti-Bayern zum späten 2:0-Sieg in Gelsenkirchen und damit zum Traumstart (vier Pflichtspiele, vier Siege, 15:0-Tore) verholfen hat? So richtig wussten auch die Münchner keine Antwort darauf, Kapitän Philipp Lahm fand aber: "Da kann man nicht meckern." Auf dem Papier hat Carlo Ancelotti den besten Start eines Bayern-Neutrainers seit Ottmar Hitzfeld 1998 hingelegt. Dass es im bayrisch-italienischen Fußball-Gesamtkunstwerk aber noch knirscht, war auf dem Platz unübersehbar. Allerdings auch, dass der Tor-Solist Robert Lewandowski in herausragender Frühform ist. Auf vier Ligatore kommt er bereits und dank Lewandowski reichten den Bayern auf Schalke zehn ordentliche Minuten, um aggressive Schalker nach 90 Minuten zu bezwingen. Das dürfte ganz nach dem Geschmack von Carlo Ancelotti sein, dessen Trainerkarriere eine Besonderheit aufweist: Der Italiener hat in 17 Jahren genausoviele Meistertitel wie Champions-League-Trophäen gewonnen, drei. Das stärkt nicht nur den Verdacht, dass Ancelotti ein Highlight-Trainer sein könnte, sondern auch, dass sich die Münchner bereits für die Champions League geschont haben könnten. Also für Rostovs Betriebsausflügler. Zumindest kündigte Lahm gegen den russischen Außenseiter 90 Minuten Konzentration an, aus reinem Selbstschutz: "Es kommt eine Mannschaft auf uns zu, die keinem so richtig bekannt ist. Doch da gilt es, sofort da zu sein und drei Punkte einzufahren."

2. Retorte + Dortmund = "Echte Liebe"

Auch für einen Taktikverrückten wie BVB-Coach Thomas Tuchel bleibt Fußball eine komplexe Angelegenheit.

Auch für einen Taktikverrückten wie BVB-Coach Thomas Tuchel bleibt Fußball eine komplexe Angelegenheit.

(Foto: imago/DeFodi)

Erst kippten Unbekannte eimerweise Fäkalien von einer Rheinbrücke auf ein Schiff voller Hoffenheim-Fans, die auf dem Weg zum Auswärtsspiel in Mainz waren, auch ein Eimer knallte aufs Schiffsdeck - was 1899-Präsident Peter Hofmann in der "Bild"-Zeitung zu Recht empörte. "Was da passiert ist, ist menschenverachtend, grob fahrlässig und sogar gefährliche Körperverletzung." Dann erwischten die Hoffenheimer Fußballer eine, Entschuldigung, wirklich beschissene erste Halbzeit. 1:4. Haste Scheiße am Fuß haste Scheiße am Fuß, Sie wissen schon. Nur: Am Ende waren sie trotzdem der große Gewinner des Spieltags, obwohl sie gar nicht gewonnen hatten. Das spektakuläre Comeback zum 4:4-Endstand fühlte sich aber genauso an, und Dank für das Wunder von Mainz gebührt auch Borussia Dortmund. Hätten sich die stolzen Dortmunder (= echte Tradition) am letzten Spieltag 2012/13 nicht den geschmähten Hoffenheimern (= echte Retorte) daheim mit 1:2 ergeben und diesen so noch den Sprung auf den Relegationsplatz ermöglicht, würden die jetzt unter Trainer-Küken Julian Nagelsmann wohl kaum die Bundesliga aufmischen. Beim BVB dürfte sich die Freude darüber in Grenzen halten, in sehr engen sogar, und das liegt nicht nur an der eigenen großen Fußballtradition, die Verein und Fans besonders vor Duellen mit Retortenklubs gern so ausgiebig feiern wie Medi Dresevic Tore. Es liegt vor allem daran, dass die Dortmunder Borussia auch unter Thomas Tuchel ein Komplex plagt: Gegen Retortenteams, die sich selbst gern Projektteam nennen, klappt es einfach oft nicht so richtig. Das freute am Samstag Aufsteiger RB Leipzig, als neues hippes Projekt- und Retortenteam der fußballerische Wiedergänger der Hoffenheimer und mit 1:0 über den BVB siegreich. Das führte nicht nur zu abartigem Jubel, sondern auch zur simplen Gleichung: Retorte + Dortmund = "Echte Liebe".

3. Darmstadt wird ohne Tiki-Taka Derbysieger

Nach den Gewaltexzessen in der vergangenen Saison schaute manch einer am Samstagnachmittag mit bangem Blick gen Darmstadt, wo wieder einmal das Hessenderby zwischen den "Lilien" und Eintracht Frankfurt anstand. Vor der Partie gelobte die Fanszene aus Frankfurt, ihr Temperament zu zügeln. Im Spiel bewies sie, dass sie dieses Gelöbnis durchaus ernst nahm. Zur Enttäuschung der 17.000 Zuschauer im ausverkauften Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor übertrug sich diese Zurückhaltung auch auf den Platz. Beide Mannschaften boten dem Publikum über weite Strecken ein Festival der Langeweile. "Wir sind ja keine Tiki-Taka-Truppe", rechtfertigte Darmstadts Sandro Sirigu den wenig ansehnlichen Auftritt seines Teams. Dem 25-Jährigen war es schließlich zu verdanken, dass die Partie noch einen sportlichen Höhepunkt haben sollte. In der Schlussminute krönte der Abwehrspieler seine "Lilien" zum erneuten Derbysieger - mit einem kuriosen Tor. "Ich habe den Ball auf den zweiten Pfosten gechippt. Dass er direkt reinging, ist natürlich umso schöner", sagte der ehrliche Matchwinner. Seinen Trainer juckt das wenig: "Wir kennen diese Schweinebälle, die rutschen ab und senken sich dann plötzlich. Da kann kein Torwart etwas machen", sagte Norbert Meier: "So ist eben der Fußball." Wenig mit Fußball hatte kurz nach dem Abpfiff eine Szene in der Nordkurve zu tun. Aus dem Heimblock flogen zwei Leuchtraketen in den Eintracht-Block - das Hessenderby bekam dann doch noch die befürchteten Negativschlagzeilen. Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch verkündete nach dem Spiel, dass beide Täter bereits identifiziert seien und "dass sie definitiv keinen Spaß haben werden". Das mulmige Gefühl im Vorfeld der Hessenderbys dürfte allerdings bleiben. "Das war eine Saat für das Rückspiel, da schwant mir nichts Gutes", sagte SGE-Vorstand Axel Hellmann.

4. Der SC Freiburg macht richtig Spaß

Die Reise in den Breisgau kann sich Borussia Mönchengladbach eigentlich sparen. Zum bereits neunten Mal konnte der VfL im Schwarzwaldstadion nicht gewinnen, diesmal präsentierten sich die Fohlen gegen den SC Freiburg gar erschreckend harmlos. Was der Borussia fehlte, war beim Kontrahenten umso mehr zu erkennen: "Wir haben alle Lust auf Bundesliga. Mit Herz und Willen schaffst du vieles", sagte Freiburgs Mittelfeldmotor Vincenzo Grifo. U21-Nationalspieler Maximilian Philipp zweifelte ebenfalls nicht an den Qualitäten des Aufsteigers: "Auch als wir zurücklagen, war ich so sicher, dass wir gewinnen", sagte der Doppeltorschütze. Nach der unglücklichen Last-Minute-Niederlage bei der Hertha hat der Sport-Club nun den ersten Dreier - dank eines Gute-Laune-Fußballs, der selbst den eigenen Trainer verwundert. "Ich war selbst ein Stück weit überrascht, dass wir die Intensität über 93 Minuten durchgehalten haben. Wir haben extrem viel investiert und gut gespielt", sagte der sichtlich bewegte Christian Streich. Dessen Gegenüber musste mit Blick auf die Leistung seines Teams das Gegenteil behaupten: "Wir haben nicht ins Spiel gefunden. Gerade was Aggressivität und Leidenschaft betrifft", konstatierte Gladbachs Trainer André Schubert: "Die Analyse fällt einfach aus, weil die Basics gefehlt haben. Darüber müssen wir reden. Und dann bereiten wir uns auf das nächste Spiel vor." Dort wartet am Dienstag niemand Geringeres als Josep Guardiola mit seinem neuen Klub Manchester City (ab 20.45 im Liveticker auf n-tv.de). "Manchester ist ein völlig anderes Spiel", betonte Schubert nach der verpatzten Generalprobe für das erste Gruppenspiel in der Champions League. Bis dahin will die Elf vom Niederrhein den blutleeren Auftritt in Freiburg schnell vergessen. "Das wird schnell abgehakt, da es ja am Dienstag zum Glück schon weitergeht", sagt Christoph Kramer: "Wir wissen, dass wir es besser können. Das Spiel in Manchester wird völlig anders."

5. Werders "Fortschritt" überrascht

Abstiegssorgen? Fehlstart? Trainerdiskussion? Von all dem möchte man in Bremen nichts wissen. Gerade hat der SV Werder sein Heimspiel nach zwischenzeitlicher Führung gegen den FC Augsburg mit 1:2 verloren und rangiert nach zwei Spieltagen weiter auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga. Doch auch nach der dritten Niederlage im dritten Pflichtspiel - inklusive Pokalaus beim Drittligisten SF Lotte und der 0:6-Klatsche beim FC Bayern - überwiegt bei der sportlichen Führung das Positive: "Natürlich war das heute ein Fortschritt – aber das muss man von der Mannschaft auch erwarten", sagte Werder-Sportchef Frank Baumann. Angesichts dieser vermeintlich steigenden Formkurve gibt es laut Baumann nichts am Trainerposten von Viktor Skripnik zu rütteln: "Wir sind davon überzeugt, dass Viktor da rauskommt." Der besinnt sich auch lieber auf die positiven Dinge: "Wir wollen noch einmal das Spiel analysieren und dabei auch die guten Dinge zeigen", erklärte Skripnik, der zuvor das Spiel gegen Augsburg noch zum Finale erkoren hatte. Damit die verbleibenden 32 Bundesliga-Endspiele nicht genauso enttäuschend enden wie die Heimspielpremiere, zieht der Ukrainer nun die Zügel an - und streicht vorerst den trainingsfreien Tag: "Wir haben uns den freien Tag nicht verdient. Ich will die Mannschaft in dieser Woche jeden Tag sehen." Was das Team dann erwartet, weiß der 46-Jährige selbst noch nicht: "Vielleicht gehen wir auch ein bisschen laufen." Wenn schon sonst nichts läuft in der Bremer Minikrise.

6. Lewandowski kann einpacken

Am 2. Spieltag fielen 25 Tore, das ist ein übersichtlicher Wert. Sehr beachtlich war allerdings, wie viele Treffer auf das Konto von Jokern gingen. Nämlich: elf. Zum Joker-König mutierte ein Spieler, dessen Namen Fußball-Deutschland wohl frühestens zum Rückrundenstart unfallfrei buchstabieren kann. Joel P-O-H-J-A-N-P-A-L-O, Finne und seit Samstag erster Leverkusener Hattrickschütze seit Ulf Kirsten 1997. Und das auch noch äußerst fix. Nur sieben Minuten nach seiner Einwechslung machte P-O-H-J-A-N-P-A-L-O den 1:1-Ausgleich gegen den Hamburger SV, das war in der 79. Minute. In der 91. Und 94. Minute legte der Finne dann nochmal nach, das reichte dann zum 3:1-Sieg für Bayer und für P-O-H-J-A-N-P-A-L-O  zum geteilten ersten Platz in der Torjägerliste mit einem gewissen Robert Lewandowski. Was Bayer- und Bayern-Star freilich trennt, ist die Torschussquote. Die liegt bei P-O-H-J-A-N-P-A-L-O bei respektablen 100 Prozent, vier Schüsse, vier Treffer, bei Lewandowski aber nur bei bescheidenen 21 Prozent (4 aus 21). Womöglich sollte ihn Bayern-Coach Carlo Ancelotti ihn einfach mal von der Bank bringen.

Quelle: ntv.de

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