Wichtiges zur "Wunderwaffe" Deutsche schlucken zu viele Antibiotika
28.10.2014, 15:58 Uhr
Allein im ambulanten Bereich liegt Deutschland bei etwa fünf Tagesdosen pro Jahr und gesetzlich Krankenversichertem.
Die Deutschen greifen unverändert gern und unverändert häufig zu Antibiotika. Ein eklatanter Fehlgriff, denn die meisten Erkältungen gehen auf Viren zurück - und der hohe Verbrauch schmälert zusehends die Wirkung der "Wunderwaffe".
Antibiotika-resistente Bakterien sind ein zunehmendes Problem vor allem in den Krankenhäusern. Dennoch werden in Deutschland nach wie vor zu viele dieser Medikamente verordnet, wie eine Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit zeigt. Die "Wunderwaffe" Antibiotikum wirkt deshalb oft nicht mehr.
Welche Wirkung haben Antibiotika?
Antibiotika sollen Bakterien abtöten oder deren Wachstum hemmen und so Infektionen heilen. Es gibt mehr als 15 verschiedene Klassen von Antibiotika, die sich in ihrer chemischen Struktur und in ihrer Wirksamkeit gegen verschiedene Bakterien unterscheiden. Behandelt werden damit bakterielle Infektionen, zum Beispiel eine durch Pneumokokken verursachte Lungenentzündung. Gegen Viren, die zum Beispiel eine banale Erkältung verursachen, können Antibiotika nichts ausrichten.
Wie viele Antibiotika werden in Deutschland verbraucht?
Allein im ambulanten Bereich liegt Deutschland bei etwa fünf Tagesdosen pro Jahr und gesetzlich Krankenversichertem. Deutschlandweit werden laut dem DAK-Report jährlich rund 40 Millionen Antibiotika-Verordnungen ausgestellt. Viele Patienten halten Antibiotika nach wie vor für Allheilmittel gegen - auch durch Viren ausgelöste - Infektionen und gehen mit einer entsprechenden Erwartungshaltung zum Arzt. Dies führe dann häufig zu überflüssigen Verordnungen, warnen Kritiker wie der Gesundheitsexperte Gerd Glaeske.
Wie entsteht eine Antibiotikaresistenz?
Bakterien sind sehr anpassungsfähig und wahre Überlebenskünstler. Sie vermehren sich sehr schnell. Dabei können spontan Veränderungen im Erbgut auftreten, so dass die Erreger unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika werden. Einige Bakterien tauschen außerdem ab und zu kleine Stücke ihres Erbgutes untereinander aus. Auch dies kann die Erreger widerstandsfähig, das heißt resistent, gegen Antibiotika machen. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika beim Menschen und in der Tiermast sowie eine unsachgemäße Einnahme der Medikamente fördert solche Resistenzbildungen.
Darf die Antibiotika-Therapie abgebrochen werden?
Nein, selbst wenn man sich nach einigen Tagen besser fühlt. Der Antibiotika-Report der DAK-Gesundheit zeigt aber, dass elf Prozent der Patienten eigenständig die Antibiotikaeinnahme stoppen oder die Dosierung reduzieren. Eine zu niedrige Dosis tötet aber nicht alle Bakterien ab. Auch so können Resistenzen entstehen.
Warum sind resistente Erreger so gefährlich?
Die von solchen Bakterien ausgelösten Infektionen sind schwer oder manchmal gar nicht zu behandeln. Multiresistente Erreger, also solche, gegen die gleich mehrere Arten von Antibiotika nichts mehr ausrichten können, sind vor allem in Krankenhäusern ein großes Problem. Zu diesen Bakterien zählt der Methillicin-resistenten Staphylococcus aureus, kurz MRSA, gegen den die meisten Antibiotika wie Penicillin unwirksam sind. Für immungeschwächte Patienten auf Intensivstationen, Krebskranke oder Chirurgie-Patienten können solche multiresistenten Erreger zur Gefahr werden und unter anderem Lungenentzündungen, Wund- und Harnwegsinfektionen oder Blutvergiftungen auslösen.
Wie viele Menschen infizieren sich mit sogenannten Krankenhauskeimen?
Die Bundesbehörden gehen von 400.000 bis 600.000 Infizierten und bis zu 15.000 Todesfällen pro Jahr aus. Die Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sind weitaus höher: Sie schätzt die jährlichen Todesfälle durch Klinikinfektionen auf bis zu 40.000 und die Zahl der Infizierten auf rund eine Million.
Gibt es Behandlungsalternativen?
Versagen die üblichen Antibiotika, gibt es noch sogenannte Reserveantibiotika, die dann als letztes Mittel eingesetzt werden können. Aber auch sie helfen nicht in allen Fällen.
Quelle: ntv.de, dsi/AFP