Online-Spieler helfen bei Problemen Forscher nutzen Weisheit im Netz
07.08.2010, 09:10 Uhr
Eines der gefaltetet Proteine: "Foldit" nutzt das Wissen von Online-Gamern für die Wissenschaft aus.
(Foto: www.fold.it)
Wie kann ein Protein in seine stabilste Form gebracht werden? Wofür selbst die besten Computerprogramme zu langsam sind, setzt die Molekularbiologie auf Hilfe aus dem Internet.
Die geballte Erfahrung von fast 60.000 Online-Spielern löst einige Fragen der Molekularbiologie erfolgreicher als die besten Computerprogramme. Davon profitieren Forscher der Universität von Washington, die sich mit der Faltung von Proteinen befassen. Das Team um Seth Cooper löst mit der Erfahrung und Intuition der Online-Gemeinde ein Problem, für das selbst die schnellsten Rechner zu langsam arbeiten.
Mit dem Programm "Foldit" (etwa: "Falte es richtig!") gilt es, ein Protein in die beste, weil stabilste Form zu falten. Wer dabei am besten abschneidet, nimmt einen Spitzenplatz der Highscore-Liste ein. Die so gefundenen Strukturen könnten den Biologen etwa helfen, neue Medikamente zu schaffen. Das Verfahren nutzt "Crowdsourcing", also die Auslagerung einer Aufgabe auf die Intelligenz einer großen Menschenmenge via Internet.
Unüberschaubare Zahl an Variationen
Auch für Supercomputer ist die Vorhersage, wie sich die lange "Perlen"-Kette verschiedener Aminosäuren mit ihren jeweils unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften in ein dreidimensionales Protein faltet, eine nur schwer zu lösende Ausgabe. Manche Aminosäuren stoßen einander stärker oder schwächer ab, andere ziehen sich an, dritte bilden schwache Bindungen zwischen ihren Wasserstoffatomen. Die Zahl möglicher Variationen sind unüberschaubar groß – sie alle schlicht und einfach mit brutaler Kraft ("brute force"-Ansatz) durchzurechnen funktioniert derzeit schlichtweg nicht.
Gerade wäre das aber wünschenswert, weil Forscher dann bereits vom Gen auf die Form der Proteine schließen könnten. Das Programm von Cooper und seinen Kollegen vergibt dann besonders viele Punkte, wenn besonders wenig Energie nötig ist, um das Protein am Bildschirm in Form zu halten. Diesen Zustand streben Proteine auch in der Natur an. Das Programm ist bereits seit einiger Zeit online – jetzt präsentiert die Gruppe mehrere Erfolgsbeispiele, in denen die Intuition und das räumliche Verständnis der rund 57.000 Mitspieler Probleme lösten.
Punkte und Lob spornen an
Dabei gelang es den Spielern jeweils, besonders störende Aminosäuren im Inneren des kompakt gefalteten Proteins verschwinden zu lassen. Dabei ziehen, wackeln und ruckeln sie mit der Maus am digitalen Protein herum. Dabei waren die Menschen der bisher besten Software ("Rosetta") vielfach überlegen und kamen schnell zu besseren, stabileren Lösungen. Dazu kann ein Spieler seine gefundene Struktur an andere Mitspieler weitergeben, um deren Rat einzuholen.
Wie bei anderen Online-Spielen gibt es kurzfristige Belohnungen durch ein Punktesystem. Langfristig erarbeiten sich Mitspieler einen guten Ruf als Experten, zudem "ernten" sie Lob und Anerkennung in der Gemeinde der "Mitfalter". "Unsere Resultate zeigen, dass ein Fortschritt bereits dann möglich wird, wenn nur ein kleiner Teil der Zeit für Computerspiele in die Wissenschaft geht", erklärt Cooper.
Quelle: ntv.de, dpa