Bei ganzer Familie in Italien Gen ist Grund für Schmerzunempfindlichkeit
19.12.2017, 20:05 Uhr
Langanhaltende Schmerzen sind zermürbend.
(Foto: imago/Westend61)
Keinen Schmerz zu empfinden scheint für viele Menschen erstrebenswert. Dabei könnten Betroffene schnell in Lebensgefahr geraten. Forscher machen die Ursache für die Schmerzunempfindlichkeit einer ganzen Familie aus.
Menschen, die fast keine Schmerzen empfinden, gibt es nur sehr selten. Bei der Familie Marsilis aus Italien hingegen sind alle Familienmitglieder von dieser Schmerzfreiheit betroffen. Ein Forscherteam unter Leitung von James Cox vom University College London hat alle sechs Marsilis genau unter die Lupe genommen und nach den Ursachen für das fehlende Schmerzempfinden gesucht. Dabei entdeckten die Forscher alte Knochenbrüche an Armen und Beinen, von denen die Betroffenen nichts oder nur wenig bemerkt hatten.
Die Forscher fanden bei ihren Untersuchungen heraus, dass sowohl die 78-jährige Frau, ihre beiden Töchter im mittleren Alter als auch deren drei Kinder eine normale Anzahl von Nerven in ihrer Haut hatten und konnten demzufolge fehlende oder eine zu geringen Anzahl an Nerven als Ursache ausschließen. Im weiteren Verlauf der Tests zeigte sich, dass alle Marsilis eine bestimmte Gen-Mutation aufweisen. Die Veränderung zeigte sich im Gen mit dem Namen ZFHX2.
Um zu überprüfen, wie dieses Gen mit Schmerzempfindungen zusammenhängt, führten die Forscher weitere Tests an Mäusen durch. Sie schalteten zuerst dieses Gen in Mäusen aus und fügten den Tieren dann verschiedene Schmerzreize zu. Es zeigte sich, dass die Tiere schmerzhaften Druck auf den Schwanz fast gar nicht wahrnahmen. Bei Hitze hingegen überempfindlich reagierten.
Schmerzempfinden an Mäusen getestet
In einem weiteren Test wurden Mäuse gezüchtet, die die gleiche Mutation wie die Familie Marsilis in sich trugen. Auch diese Mäuse erhielten verschiedene Schmerzreize. Es zeigte sich, dass sie nicht nur gegenüber mechanisch zugeführten Schmerzen unsensibel waren, sondern auch hohe Hitze tolerierten. Die Forscher schlussfolgern daraus, dass das veränderte Gen nicht nur eine wesentliche Rolle dabei spielt, ob Reize als schmerzhaft wahrgenommen werden oder nicht, sondern darüber hinaus auch die Aktivität von weiteren Genen beeinflusst. Normalerweise, das geht aus vorangegangenen Untersuchungen hervor, steuert das identifizierte Gen die Aktivität von 16 anderen Genen, die alle an der Schmerzwahrnehmung beteiligt sind.
Durch die Identifizierung der Mutation haben die Forscher einen neuen, aussichtsreichen Behandlungsansatz für Patienten mit chronischen Schmerzen entdeckt, bei denen herkömmliche Therapien keine Effekte zeigen. Darüber hinaus könnte auch eine Behandlung für Familie Marsilis entwickelt werden, die die Schmerzunempfindlichkeit auflöst. Die Familie Marsilis allerdings verneinte eine solche Behandlung. Wer will schon freiwillig Schmerzen haben?
Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin "New Scientist".
Quelle: ntv.de, jaz