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Mit Stöcken auf Nahrungssuche Hawaiikrähen nutzen Werkzeug

Lange Zeit galten die Fähigkeiten der Neukaledonischen Krähen als Ausnahme in der Vogelwelt. Nun haben Forscher eine zweite Rabenvögel-Art gefunden, die Werkzeuge geschickt nutzt. In freier Wildbahn ist das Tier jedoch längst ausgestorben.

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(Foto: Ken Bohn / San Diego Zoo Global )

Hawaiikrähen benutzen Werkzeuge, um an verborgene Nahrungshappen heranzukommen. Sie besorgen sich kleine Äste, die sie teils noch bearbeiten, bevor sie damit Futter aus kleinen Astlöchern angeln, berichten Forscher aus Großbritannien und den USA. Sie hatten dieses Verhalten bei Tieren in Gefangenschaft beobachtet und erforscht, da Hawaiikrähen in freier Wildbahn nicht mehr vorkommen. Neben den für ihren Werkzeuggebrauch berühmten Neukaledonischen Krähen sind die Hawaiikrähen die zweite Art der Rabenvögel, die mit einem geschickten Schnabel auf sich aufmerksam macht. Vermutlich ist das Verhalten bei beiden Arten unabhängig entstanden, schreiben die Forscher im Fachblatt "Nature".

Seit Beginn dieses Jahrhunderts gilt die Hawaiikrähe (Corvus hawaiiensis) in freier Wildbahn als ausgestorben. Die letzten lebenden Exemplare wurden gefangen, um ein Zuchtprogramm aufzubauen. Derzeit leben an zwei Stationen auf den Inseln Hawaii und Maui gut 130 der in der Landessprache auch 'Alalã genannten Vögel. Demnächst sollen erste Exemplare ausgewildert werden.

Die Forscher um Christian Rutz von der schottischen University of St. Andrews waren auf die Vögel gestoßen, als sie unter den Raben und Krähen nach einem Vertreter suchten, der möglicherweise ähnlich wie die Neukaledonischen Krähen (Corvus moneduloides) Werkzeuge benutzt. Diese Krähen-Art lebt auf der Inselgruppe Neukaledonien im Pazifik. Die Vögel funktionieren verschiedene Objekte zu Werkzeugen um, um an Nahrung zu gelangen. Die evolutionären Ursprünge dieses Verhaltens seien weitgehend unerforscht, schreiben die Forscher um Rutz.

Zunächst keine weitere Beachtung geschenkt

Ähnlich wie die Neukaledonischen Krähen haben auch die Hawaiikrähen einen sehr geraden Schnabel, was sie womöglich ebenfalls zum Werkzeuggebrauch befähigt, vermuteten die Wissenschaftler. Außerdem lebten sie ursprünglich in einem vergleichbaren Lebensraum. Tatsächlich hatten Mitarbeiter der Aufzuchtstationen gelegentlichen Werkzeuggebrauch bei den Tieren beobachtet, dem aber keine weitere Beachtung geschenkt.

Rutz und sein Team erforschten das Verhalten der Vögel nun genauer: Sie bohrten kleine horizontale und vertikale Löcher in ein Stück Holz und versteckten darin beliebte Futterhappen. Kleine Ästchen, die als Werkzeuge benutzt werden konnten, verteilten sie drum herum. Insgesamt testeten sie 104 Hawaiikrähen.

Die meisten von ihnen schnappten sich einen Ast, um an die verborgenen Leckereien heranzukommen. Sie stellten sich dabei sehr geschickt an und angelten meist in weniger als einer Minute den Köder aus dem Loch. Sie wählten routiniert passende Werkzeuge aus, verwarfen ungeeignete und bearbeiteten die Ästchen zum Teil auch. Einige bastelten sich sogar Werkzeuge aus bereitgestelltem Pflanzenmaterial. Zwischen männlichen und weiblichen Vögeln fanden die Forscher keine Unterschiede. Das Alter schien allerdings den Werkzeuggebrauch zu beeinflussen: Nur 47 Prozent der Jungtiere nutzten Hilfsmittel, im Vergleich zu 93 Prozent der ausgewachsenen Exemplare.

Ursprüngen des Werkzeuggebrauchs auf der Spur

In einem weiteren Experiment untersuchten die Forscher die Ursprünge des Werkzeuggebrauchs. Sie zogen sieben Jungvögel in zwei sozialen Gruppen auf und beobachteten, was geschah. Alle nutzten Werkzeuge, um an versteckte Leckereien heranzukommen, vier waren dabei erfolgreich. Da die Tiere nie Artgenossen dabei beobachtet hatten, nehmen die Forscher an, dass das Verhalten angeboren ist. "Der Werkzeugbrauch kommt auf natürlichem Weg zu den 'Alalã. Diese Vögel hatten vor unserer Studie kein Training, und dennoch waren die meisten von ihnen unglaublich geschickt im Umgang mit den Stöckchen, und gelangten sogar in schwierigen Fällen an die Köder", erläutert Rutz laut einer Mitteilung seiner Universität.

In vieler Hinsicht ähnelten die Hawaiikrähen den Neukaledonischen Krähen, schreibt das Team. Beide Arten seien aber nicht nah miteinander verwandt, ihr letzter gemeinsamer Vorfahre lebte vor etwa elf Millionen Jahren. Die Forscher vermuten, dass ähnliche Lebensbedingungen das Verhalten beider Arten unabhängig voneinander entstehen ließen. Beide lebten auf entlegenen tropischen Inseln, auf denen es keine Spechte als Konkurrenz und keine argen Feinde gäbe – perfekte Ausgangsbedingungen für die Entwicklung des Verhaltens.

Bei Neukaledonischen Krähen ist Werkzeuggebrauch gut untersucht. Kürzlich berichtete eine britische Forschergruppe in der Zeitschrift "Current Biology", dass die Vögel Rechts- oder Linksschnäbler sind - ähnlich wie Menschen Rechts- oder Linkshänder. Welche Seite die bessere ist, hänge vom Sehvermögen ab.

In einer weiteren Arbeit zeigten Forscher, dass die Vögel Probleme durchdenken. Sie schaffen es, drei verschiedene Arten von Werkzeugen hintereinander einzusetzen, um an Nahrung zu kommen – ohne dies vorher geübt zu haben. Alex Taylor und seine Mitarbeiter von der University of Auckland (Neuseeland) stellten ihre Studie 2010 in den "Proceedings B" der britischen Royal Society vor.

Quelle: ntv.de, ali/dpa

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