Miserable Herrschaftsbilanz Inzucht brachte schlechte Monarchen hervor
27.03.2021, 18:49 Uhr
Karl II. von Spanien litt unter anderem unter hormonellen Mangelerscheinungen und einer Nierenfehlfunktion.
(Foto: picture alliance / Heritage-Images)
Cousins heirateten Cousinen und Onkel ihre Nichten - über Jahrhunderte waren solche Verbindungen Usus in europäischen Königshäusern. Sie halfen, die Macht zu festigen, und brachten Gebietsgewinne, ohne Kriege führen zu müssen. Doch bei näherer Betrachtung war die Inzucht weder für die Regenten noch für ihre Länder von Vorteil.
Prinz William heiratete mit Catherine Middleton die Tochter eines Flugdienstberaters, Prinzessin Victoria von Schweden ehelichte ihren Fitnesstrainer Daniel Westling und Letizia, die Frau des spanischen Königs Felipe V., verdiente vor der Hochzeit im Jahr 2004 ihr Geld als Journalistin. Wenige Generationen zuvor wären derlei Verbindungen undenkbar gewesen. Geheiratet wurde nicht nur innerhalb eines Standes, sondern oft auch innerhalb der Familie. So sicherten sich Europas Adelsdynastien Ländereien und Einfluss, während sich ihr Genpool immer weiter reduzierte. Forscher der Universität von Kalifornien (UCLA) haben nun untersucht, ob sich der Grad an Inzucht europäischer Monarchen auf ihren Erfolg oder Misserfolg als Herrscher auswirkte. Ihr Fazit: Je inzestuöser die Abstammung der Könige und Königinnen war, desto schlechter regierten sie.
Für ihre Studie, über die die "Daily Mail" berichtet, betrachteten die Autoren die Abstammungsgeschichte von 331 Herrschern, die zwischen 990 und 1800 regierten. Eine geistige und moralische Bewertung ihrer Qualitäten hatte bereits der Historiker Adam Woods im Jahr 1913 vorgenommen. Die Autoren ergänzten sie nun um eine besser messbare Komponente: Die Landgewinne und -verluste unter der jeweiligen Regentschaft.
Eine besonders erfreuliche Bilanz konnte demnach die österreichische Kaiserin Maria Theresia vorweisen, deren 40-jährige Regentschaft ab 1740 später als Glanzzeit der Habsburgermonarchie bewertet wurde. Auch Heinrich VIII., der 1509 als 18-Jähriger den Thron von England bestieg, galt als politisches Talent, hochgebildet und zumindest als junger Mann auch gutaussehend. Beide, so die Studie, hatten eine relativ vielfältige genetische Abstammung. Heinrichs Eltern waren zwar Cousin und Cousine dritten Grades, doch für damalige Verhältnisse war das schon recht weit auseinander.
Karl II, ein König am Rande des Schwachsinns
Am unteren Ende der Skala rangiert Karl II. von Spanien, der aufgrund seiner körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen unter dem Beinamen "der Verhexte" in die Annalen eingehen sollte. Die Forscher ermittelten bei ihm den höchsten Inzuchtkoeffizienten aller untersuchten Monarchen, eine Folge jahrhundertelanger Heiraten naher Verwandter innerhalb des Habsburgerhauses. Karls Eltern waren Onkel und Nichte, über Generationen hinweg eine durchaus übliche Kombination. Und gerade deswegen hatte sie extremere Auswirkungen als etwa ein singulärer Inzest unter Geschwistern, wie die Studie herausstellt.
Karl begann erst im Alter von vier Jahren mit dem Sprechen, was ihm wegen seiner extrem dicken Zunge zeitlebens schwer fiel, höhere Bildung blieb ihm wegen seiner geistigen Zurückgebliebenheit verwehrt. Seine faktische Regierungsunfähigkeit hinterließ Spuren. Woods charakterisierte Spanien unter Karls Herrschaft als ein Land, das von "Elend, Armut, Hunger und Niedergang", unter anderem in der Landwirtschaft um im Finanzwesen gezeichnet gewesen sei. Auch Landverluste prägten seine Regierungszeit. Weil Karl keine Nachkommen zeugen konnte, endete die männliche Linie des Hauses Habsburg in Spanien nach seinem Tod.
Trotz dieses und anderer abschreckender Beispiele habe man bis ins 20. Jahrhundert hinein die negativen Auswirkungen der Inzucht nicht verstanden, schreiben die Autoren. Im Gegenteil seien die Herrscher davon ausgegangen, dass sie durch Verbindungen innerhalb der Familie die vermeintlich überlegenen Eigenschaften des eigenen blauen Blutes erhalten könnten. Ein verheerender Irrtum, denn nach den Gesetzen der Biologie führt zunehmende Inzucht zu einem Schwund von Intelligenz, auch in den Königshäusern. Und wie die Studie zeigt, bekamen die fehlenden geistigen Fähigkeiten der Herrscher auch den jeweiligen Ländern nicht gut.
Quelle: ntv.de, ino