Wissen

Tote Dickhäuter in Botswana Ist Corona am Elefantensterben schuld?

2020-07-02T000000Z_1339375368_RC2ZKH9Q8VO9_RTRMADP_3_BOTSWANA-ELEPHANTS.JPG

Viele Elefanten liegen auf dem Bauch, als wären sie ganz plötzlich tot umgefallen.

(Foto: via REUTERS)

Sie sterben rasch und in großer Zahl: Hunderte Elefanten sind in Botswana bereits verendet. Die Dickhäuter scheinen einfach tot umzufallen. Experten stehen vor einem Rätsel und warnen vor einer möglichen Infektionskrankheit.

Die Luftaufnahmen aus Botswana sind verstörend: Ausgedörrte Elefanten-Kadaver liegen an Wasserlöchern oder mitten in der Savanne - manche von ihnen auf dem Bauch, als wären sie ganz plötzlich tot umgefallen. Seit Mai sind mehr als 300 Tiere auf mysteriöse Weise verendet. In Botswana lebt etwa ein Drittel des Elefanten-Bestands des afrikanischen Kontinents.

Fachleute sprechen von einem "beispiellosen Desaster". Behörden und Tierschützer stehen vor einem Rätsel. Einige Tiere seien beobachtet worden, wie sie "schwach, lethargisch und ausgezehrt" herumgeirrt seien, schrieb die Artenschutzorganisation Elephants Without Borders (EWB) in einem Bericht an die Regierung in Gaborone. "Manche Elefanten wirkten desorientiert, hatten Schwierigkeiten zu gehen und lahmten."

Die Ursache für das Massensterben im Okavango-Delta ist auch nach drei Monaten immer noch unklar. Es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass das Phänomen mit der Corona-Pandemie zusammenhänge, zitiert der "Tagesspiegel" den Tierarzt und Direktor der britischen Naturschutzorganisation National Park Rescue, Niall McCann.

"Die Art und Weise, wie die Elefanten sterben - viele fallen einfach auf ihr Gesicht oder gehen im Kreis -, deutet auf etwas hin, das ihr Nervensystem attackiert." Das könnte ein Virus sein - womöglich sogar Sars-CoV-2. "Elefanten sind sehr kontaktfreudige Tiere - wenn es eine Infektion wäre, könnte sich das sehr schnell in der Herde verbreiten", meint auch die Großwild-Veterinärin Sybille Quandt.

Die meisten Experten halten allerdings einen Zusammenhang mit Corona für eher unwahrscheinlich: Eine meist harmlos verlaufende Infektion mit dem Virus ist bisher vor allem für bestimmte Fleischfresser wie Katzen und Nerze bekannt. Zudem scheine keine andere Wildtierart von dem Massensterben betroffen zu sein, erklärt Heike Henderson von der Artenschutzorganisation Future for Elephants. Dies gelte auch für Tiere, die aus denselben Wasserlöchern trinken, oder Aasfresser wie Löwen, Hyänen oder Geier, die sich von den Elefanten-Kadavern ernähren.

Experten tappen im Dunkeln

Das ist auch der Grund, warum Tierschützer Vergiftungen mit Zyanid ausschließen, die in der Region häufiger vorkommen. Immer wieder gehen dort Menschen gegen Elefanten vor, weil diese in Siedlungen eindringen und Felder zerstören. Insbesondere Kleinbauern vergiften oder jagen die riesigen Tiere, die täglich 200 Kilogramm Blattwerk fressen und bis zu 150 Liter Wasser saufen. Aber auch Hirten entledigen sich auf diese Weise gern Raubkatzen wie Löwen, Leoparden oder Hyänen, die es auf ihre Rinder- oder Ziegenherden abgesehen haben.

Auch Nahrungsmangel könne wegen der ergiebigen Regenfälle in letzter Zeit nicht die Ursache für den plötzlichen Tod Hunderter Elefanten sein, sind sich Experten sicher. Ebenso wenig wie Wilderei: Die toten Tiere haben alle ihre Stoßzähne noch.

Parallelen sieht die örtliche Tierschutzorganisation Elephants Protection Society zu einem ähnlichen Massensterben vor gut einem Jahr. Damals habe schon einmal ein zunächst mysteriöser Erreger die Region heimgesucht, sagt der Direktor der Organisation, Oaitse Nawa. Ursache waren seinerzeit Böden, die mit dem Anthrax-Erreger (Milzbrand) verseucht waren. Diesmal wurde eine Vergiftung durch Anthrax mit Tests aber ausgeschlossen. Ob ein neuer Erreger oder doch ein Gift schuld ist, sollen nun Proben klären, die an Laboratorien in Zimbabwe, Südafrika und Kanada geschickt wurden. Doch bis die Ergebnisse vorliegen, werden wohl noch weitere Elefanten sterben.

Um tote Tiere ausfindig zu machen, setzen Behörden und Tierschützer zurzeit Helikopter und Flugzeuge ein. Henderson spricht von einem außergewöhnlich dramatischen Ereignis: "Etwas, was sonst höchstens durch eine extreme, langanhaltende Dürre verursacht wird."

Ein großes Problem sei zudem, dass sich die Regierung von Botswana nicht sehr transparent oder kooperativ zeige, kritisiert sie. Hilfsangebote würden von der Regierung nicht angenommen. "Warum leugnet die Regierung die Ernsthaftigkeit des Problems?", fragt die kenianische Wildtier-Expertin Paula Kahumbu auf Twitter.

Tierschützer Niall McCann vermutet hinter dem Zögern der Regierung auch den Versuch eines Imagewechsels. Kritiker hätten der früheren Regierung vorgeworfen, dass sie Elefantenleben stärker gewichten als Menschenleben. "Die amtierende Regierung ist sehr darauf bedacht, der ländlichen Bevölkerung zu zeigen, dass man das Leben der Elefanten nicht vor das eines Menschen setzt, insbesondere nicht in Zeiten der Corona-Krise", sagte McCann dem britischen Sender Channel 5.

Er betonte allerdings, wie wichtig es sei, das Massensterben der Elefanten so bald wie möglich aufzuklären. "Noch wissen wir nicht, ob es ein Gift oder eine Krankheit ist. Aber wenn dies auf den Menschen übergeht, kann es zu einer Krise für die öffentliche Gesundheit kommen." Auch für den für das Land so wichtigen Tourismus könne dies negative Konsequenzen haben, da viele Menschen nur wegen der Elefanten nach Botswana kommen.

Eigentlich hat das Land einen guten Ruf in Sachen Natur- und Tierschutz. Im Vorjahr hatte es aber international Empörung wegen der Aufhebung des Elefantenjagdverbots gegeben. Während die Zahl der Elefanten in vielen Regionen Afrikas zurückgeht, ist sie in dem Binnenstaat laut offiziellen Angaben von etwa 50.000 im Jahr 1991 auf gut 130.000 Tiere angestiegen.

Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen