Im Mäusegehirn verankert Juckreiz ist auch bei Tieren hochansteckend
11.03.2017, 17:09 Uhr
Labormäuse müssen nur sehen, dass sich ein anderes Tier kratzt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Jucken, Lachen, Gähnen: Es gibt ansteckendes Verhalten, das mit Empathie in Zusammenhang gebracht wird. Nun finden Forscher heraus, dass der Juckreiz bei Mäusen im Gehirn als Programm festverankert ist und nichts mit Empathie zu tun hat.
Juckreiz ist sozial ansteckend - nicht nur für Menschen und Affen, sondern auch für Mäuse. Beim Anblick sich kratzender Artgenossen fangen auch sie binnen Sekunden an, sich zu kratzen. Das Verhalten zeige aber keine Einfühlsamkeit, sondern sei fest im Gehirn verankert, berichten Forscher im Fachblatt "Science". Sie identifizierten sowohl die verantwortliche Hirnregion als auch einen einzelnen Botenstoff, der diese Art Kratzen steuert. "Juckreiz ist hochansteckend", sagt Studienleiter Zhou-Feng Chen von der Washington University in St. Louis (US-Staat Missouri). "Manchmal reicht es schon, das Wort Kratzen zu erwähnen, und jemand fängt damit an. Unsere Versuche zeigen, dass dieses Verhalten programmiert ist und keine Form der Empathie."
Neben dem Kratzen ist vor allem Gähnen bei manchen sozialen Tierarten ansteckend. Das Team um Chen zeigte, dass neben Primaten auch Mäuse beim Anblick sich kratzender Artgenossen Juckreiz verspüren und sich ebenfalls kratzen. Das funktioniert sogar, wenn sie die anderen Mäuse lediglich auf einem Bildschirm sehen. "Nach wenigen Sekunden fangen die Mäuse im Käfig an, sich ebenfalls zu kratzen", sagt Chen.
Botenstoff wird ausgeschüttet
Hinter dem Verhalten steckt demnach das Hirnareal Nucleus suprachiasmaticus (SCN), das zum Hypothalamus gehört. Bisher wusste man, dass das Areal am Tag-Nacht-Rhythmus der Tiere beteiligt ist. Beim Anblick von Kratzen schüttete der SCN der Mäuse die Substanz GRP (Gastrin-Releasing Peptide) aus. Der Botenstoff war schon dafür bekannt, Juckreiz-Signale von der Haut zum Rückenmark zu übermitteln.
Blockierten die Forscher GRP oder dessen Rezeptor an den Nervenzellen, so kratzten sich die Tiere nach dem Anblick von Artgenossen nicht mehr. Das galt aber nur für sozial ansteckenden Juckreiz. Bekamen sie den Stoff Histamin, das Juckreiz auslöst, kratzten sie sich weiterhin ganz normal.
Chen folgert für die Ursache des sozialen Kratzens: "Es handelt sich um ein angeborenes Verhalten und einen Instinkt. Ein einzelner Stoff und ein einzelner Rezeptor reichen dafür aus." Er glaubt, dies sei auf den Menschen übertragbar und gelte auch für das Gähnen: "Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal als Reaktion auf jemand anders gähnen oder sich kratzen: Das ist weder eine Wahl noch eine psychologische Reaktion, sondern in Ihrem Gehirn vorprogrammiert."
Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa