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Modellsimulation weckt Zweifel Können Supervulkane die Welt wirklich dramatisch abkühlen?

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Bei einer Vulkaneruption gelangen große Mengen Schwefelaerosole in die Atmosphäre.

Bei einer Vulkaneruption gelangen große Mengen Schwefelaerosole in die Atmosphäre.

(Foto: IMAGO/Zoonar)

Eine Studie US-amerikanischer Klimaphysiker kommt überraschend zu dem Schluss, dass die oft gefürchteten Eruptionen sogenannter Supervulkane wahrscheinlich nicht ganz so dramatische Folgen haben wie bisher vermutet. Winzig kleine Aerosol-Partikel sind die Ursache.

Vor etwa 74.000 Jahren veränderte eine gigantische Eruption des Toba-Supervulkans im heutigen Indonesien die Welt. Der Ausbruch hinterließ einen riesigen Krater, den heute der 87 Kilometer lange und 27 Kilometer breite Tobasee ausfüllt. Lange hält sich in der Wissenschaft die Meinung, diese Eruption könnte in der Folge unter anderem durch eine massive globale Abkühlung die Menschheit zeitweise an den Rand des Aussterbens gebracht haben.

Unter anderem aufgrund eines sogenannten "genetischen Flaschenhalses" der Menschheit in dem Zeitraum kurz nach dieser Naturkatastrophe kam in den 1990er-Jahren durch Forscherinnen und Forscher verschiedener Fachrichtungen die Theorie auf, dass die Toba-Eruption die Ursache für einen drastischen Einbruch der genetischen Vielfalt gewesen sein könnte. Nur wenige Tausend Menschen weltweit sollen demzufolge diese Katastrophe überlebt haben. Die Ergebnisse einer neuen Studie US-amerikanischer Klimaphysiker von der Columbia University und dem NASA Goddard Institute for Space Studies wecken allerdings zumindest erhebliche Zweifel daran, dass die alleinige Ursache dafür tatsächlich eine Supervulkan-Eruption war.

Der Tobasee ist heute da, wo sich einst ein riesiger Vulkanausbruch ereignete.

Der Tobasee ist heute da, wo sich einst ein riesiger Vulkanausbruch ereignete.

(Foto: imago images/J M Barres)

Die nach großen Vulkanausbrüchen häufig beobachtete globale Abkühlung, oft auch vulkanischer Winter genannt, wird durch das ausgestoßene Schwefeldioxid und die daraus entstehenden Sulfat-Aerosole hervorgerufen. Diese können durch explosive Eruptionen bis in die Stratosphäre gelangen, also in Luftschichten über 20 und bis etwa 50 Kilometern Höhe. Dort können sie über Jahre oder sogar Jahrzehnte verweilen und die Stärke des einfallenden Sonnenlichts deutlich reduzieren, wodurch sich die Erde deutlich abkühlt. Für besonders große Eruptionen fanden die Autorinnen und Autoren der Studie durch Modellsimulationen aber heraus, dass dieser Effekt durch zwei entgegenwirkende Mechanismen deutlich abgeschwächt oder sogar umgekehrt werden könnte.

Kleine Partikel, großer Unterschied

Denn gelangen besonders große Mengen solcher Schwefelaerosole in kurzer Zeit in die Atmosphäre, nimmt wahrscheinlich auch die Größe der Aerosol-Partikel zu. Dadurch können sie wegen ihres größeren Gewichts einerseits schneller wieder zu Boden fallen, was die Abkühlung in ihrer Dauer begrenzen kann. Andererseits kann bei größeren Aerosol-Partikeln generell mehr Sonnenlicht zum Erdboden gelangen, während der wärmende Treibhauseffekt großer und kleiner Partikel etwa gleich ist. So wird es denkbar, dass besonders große Eruptionen möglicherweise sogar eine moderate Erwärmung zur Folge haben könnten. Auch die ausgestoßenen Treibhausgase wie Wasserdampf, Kohlendioxid und Methan könnten diesen Effekt noch verstärken.

In der Neuzeit waren derart große Eruptionen wie die des Toba-Supervulkans bislang nicht zu beobachten. Daher lässt sich für die Wissenschaft schwer bestimmen, wie groß die Effekte einer sich möglicherweise ändernden Partikelgröße der Vulkan-Aerosole wären. Die Studienautoren urteilen daher, dass nach wie vor sehr schwer zu sagen ist, welche Auswirkungen derartige Super-Eruptionen tatsächlich auf das Weltklima und die Menschheit hätten.

In historischer Zeit bekannte Eruptionen konnten die Welt immerhin für wenige Jahre um etwa ein bis zwei Grad Celsius abkühlen und so Hungersnöte und nach dem Ausbruch des indonesischen Tambora 1815 in Europa das berühmte "Jahr ohne Sommer" hervorrufen. Bezüglich der Ausbrüche von Supervulkanen kommen die Studienautoren allerdings zu dem Schluss, dass deren Folgen womöglich etwas anders aussehen könnten, als zuvor gedacht.

Eruption in dieser Größenordnung wäre fatal

Doch um auch dies im Verhältnis zu bekannten Eruptionen der Neuzeit einzuordnen: Obwohl die globalen Auswirkungen einer Eruption solcher Größenordnung womöglich nicht so drastisch wären wie bisher vermutet, wären die regionalen Auswirkungen und wahrscheinlich auch die Folgen für die Biosphäre und die Weltwirtschaft dennoch mit ziemlicher Sicherheit katastrophal und auf jeden Fall weltweit zu spüren. Die Menschheit würde zwar sehr wahrscheinlich nicht aussterben, aber unter den gravierenden Folgen jahrelang extrem zu leiden haben. Die daraus folgenden extremen Wetterereignisse würden beispielsweise gravierende Missernten und Hungersnöte hervorrufen können. Auch die Ozonschicht könnte durch eine Eruption derartigen Ausmaßes erheblichen Schaden nehmen.

Findet eine solche Eruption in dicht besiedelten Gebieten statt, wie beispielsweise bei den jüngst wieder sehr seismisch aktiven phlegräischen Feldern bei Neapel, dann würden möglicherweise Hunderttausende oder sogar Millionen Menschen einem solchen Ausbruch direkt zum Opfer fallen. Vor 70.000 Jahren war dies aber sicher kein Faktor. Was den genetischen Flaschenhals der Menschheit zu dieser Zeit womöglich besser erklären kann oder ob der Ausbruch des Toba aus anderen Gründen dazu geführt hat, muss indes noch genauer erforscht werden.

Quelle: ntv.de

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