Einschränkung wegen Erderwärmung Wer darf noch fossile Energien nutzen?
07.01.2015, 22:29 Uhr
Den Berechnungen der Forscher zufolge dürften die USA nur noch knapp zehn Prozent ihrer derzeit nutzbaren Kohlemengen verbrauchen.
(Foto: AP)
Die globalen Vorräte an fossilen Energieträgern sind ohnehin begrenzt. Aber wenn die Klimaerwärmung gebremst werden soll, dürfen auch längst nicht alle Reserven genutzt werden – sagen Forscher. Sie haben errechnet, wie viel noch gefördert werden darf und vor allem: wo.
Um der globalen Klimaerwärmung Einhalt zu gebieten, müssen erhebliche Mengen an Kohle, Öl und Gas Forschern zufolge im Boden verbleiben. In den nächsten 40 Jahren sollte demnach weltweit etwa ein Drittel der gegenwärtig technisch und wirtschaftlich förderbaren Ölreserven ungenutzt bleiben. Bei Gas wäre es die Hälfte, und bei Kohle sollten mehr als 80 Prozent der Reserven nicht gefördert werden.
Unter diesen Bedingungen bestünde zumindest eine 50-prozentige Chance, die globale Erwärmung auf noch als verträglich geltende zwei Grad über dem vorindustriellen Wert zu begrenzen. Dies berichten Wissenschaftler im britischen Fachblatt "Nature". In früheren Studien hatten Experten bereits errechnet, dass zwischen den Jahren 2011 und 2050 noch etwa 1100 Gigatonnen Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen werden dürfen, wenn das 2-Grad-Klimaziel erreicht werden soll.
2-Grad-Ziel verlangt Verzicht
Die in den vorhandenen fossilen Ressourcen festgelegten Kohlendioxidmengen der Erde liegen deutlich darüber, sie belaufen sich Schätzungen zufolge auf bis zu 11.000 Gigatonnen. Davon könnten 2900 Gigatonnen derzeit technisch und wirtschaftlich vertretbar gefördert werden. Eine unverminderte Nutzung dieser Reserven ist mit dem 2-Grad-Ziel nicht kompatibel, schreiben Christophe McGlade und Paul Ekins vom University College London in ihrem Artikel.
Mit Hilfe komplexer Computermodelle ermittelten die Forscher darüber hinaus, in welchen Regionen der Welt welche Mengen fossiler Energieträger ausgebeutet werden sollten. Vereinfacht gesagt berücksichtigen die Modelle zahlreiche Annahmen - unter anderem über den Aufwand und die Kosten der Förderung und die künftige technologische Entwicklung. Die Wissenschaftler errechneten auf diese Weise, wo welche Ressourcen besonders günstig ausgebeutet werden können, also so etwas wie eine globale Optimallösung.
Arktis sollte unangetastet bleiben
Den Ergebnissen zufolge liegt im Mittleren Osten etwa die Hälfte der derzeit technisch förderbaren Ölreserven, die im Boden bleiben sollten. Gut 260 Milliarden Barrel Öl - etwa 38 Prozent der förderbaren Gesamtreserven - müssten die dortigen Länder ungenutzt lassen. Die USA und Australien dürften wiederum nur knapp 10 Prozent ihrer derzeit nutzbaren Kohlemengen verbrauchen. Die Förderung von unkonventionellen Gasreserven, wie das in Gestein gebundene Schiefergas, müsste in China, Indien, Afrika und dem Mittleren Osten stark eingeschränkt werden. Die fossilen Vorräte in der Arktis sollten gänzlich unangetastet bleiben.
Technologien zur Speicherung und Abscheidung von Kohlendioxid, die in den kommenden Jahrzehnten möglicherweise eingesetzt werden können, erhöhten die nutzbaren Mengen fossiler Energieträger nur leicht, schreiben die Forscher. So könnten unter Nutzung solcher CCS-Technologien etwa sechs Prozent mehr Kohle verbraucht werden, der förderbare Gas-und Öl-Anteil steige um nur zwei Prozent.
"Eine Frage der Entschädigung"
Die Stärke der Studie liege in der detaillierten regionalen Aufspaltung der Analyse, die es so zuvor noch nicht gegeben habe, sagt Michael Jakob vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Gemeinsam mit Jérôme Hilaire vom gleichen Institut hat der Klimaforscher auch einen Kommentar zu der "Nature"-Studie geschrieben. "Eine erfolgreiche Klimapolitik ist letztlich eine Frage der Entschädigung", sagt Jakob. "Einige Entwicklungsländer fragen sich natürlich, warum sie ihre vorhandenen Reserven ungenutzt lassen sollten, wenn dies doch ihr vorrangiges Ziel - die Bekämpfung der Armut - erschwert."
Nur ein globales Klimaübereinkommen, das Verlierer entschädige und von allen Teilnehmern als gerecht empfunden werde, könne auf lange Sicht die Nutzung fossiler Energieträger streng begrenzen, heißt es in dem Kommentar. Künftige Technologien zum CO2-Entzug aus der Atmosphäre könnten es möglicherweise erlauben, auch nach 2050 weitere fossile Reserven zu verbrennen. Es sei jedoch noch sehr unsicher, etwas über diese Verfahren zu sagen.
Quelle: ntv.de, asc/dpa