Unsichtbar und nicht zum Essen Wofür die dünnsten Spaghetti der Welt dienen könnten
26.11.2024, 14:46 Uhr Artikel anhören
Die Fotografie des Elektronenmikroskops zeigt die dünnsten Spaghetti der Welt.
(Foto: Beatrice Britton / Adam Clancy)
Spaghetti sind beliebt. Je dünner die Nudeln sind, umso leichter sollte die Soße darauf sein. Doch was macht man mit Spaghetti, die 200-mal dünner sind als ein menschliches Haar? Forschende, die diese Nudeln herstellen, geben Auskunft.
Die dünnsten Spaghetti der Welt sind 372 Nanometer dünn und damit für das menschliche Auge nicht sichtbar. Sie wurden von Chemikern des University College London im Labor hergestellt. Das Forschungsteam um Adam Clancy benutzte für die Nano-Nudeln normales Weizenmehl, Ameisensäure und ein neu entwickeltes Verfahren. Die Chemiker und Chemikerinnen wollen damit eine Grundlage schaffen, um herkömmliche Stärkefasern, deren Herstellung aus Pflanzenfasern aufwendig und kostenintensiv sind, durch günstigere und umweltfreundlichere Alternative zu ersetzen.
Die Methode, die von den Forschenden angewendet wurde, erinnert an die herkömmliche Herstellung von Spaghetti: "Um Spaghetti herzustellen, drückt man eine Mischung aus Weizenmehl und Wasser durch feine Metalllöcher", erklärt Clancy laut Mitteilung der Uni. "In unserem Experiment haben wir das Gleiche gemacht, nur dass wir unsere Weizenmehlmischung mithilfe elektrischer Ladung durch die Löcher gezogen haben. Die resultierenden Fasern sind tatsächlich echte Spaghetti, nur viel dünner."
Das Gerät, das dafür verwendet wurde, wird Elektrospinner genannt. "Unseres Wissens nach wurde bisher noch nie ein Elektrospinning mit Mehl durchgeführt", sagte Clancy dazu. Das Elektrospinnen mit stärkehaltigen Zutaten wie Weißmehl sei anspruchsvoller als die Verwendung reiner Stärke, da die Verunreinigungen die Mischung zähflüssiger machen und die Bildung von Fasern verhindern.
Ameisensäure statt Wasser
Die Stärke liegt in Weizenmehl in Form von Spiralstapel oder sogenannte Helices vor. Sie haften aneinander und sind deshalb zu groß, um als Bausteine für Nanofasern zu dienen. Die Forschenden verwendeten für ihre Nano-Nudeln deshalb Ameisensäure statt Wasser. Durch diese werden die Helices aufgebrochen. Das Kochen von Nudeln hat eine vergleichbare Wirkung auf die Stärke wie die Ameisensäure. Es bricht die Helices auf und macht die Pasta damit verdaulich.
Prinzipiell könnte man auch die Nano-Nudeln essen, denn die ätzende Ameisensäure, die die Forschenden statt Wasser dem Weizenmehl hinzugefügt haben, verdunstet während des Spaghetti-Spinnings. Aber es gibt ein Problem: Die dünnsten Spaghetti der Welt, die rund 1000 Mal dünner sind als die dünnsten je per Hand hergestellten Nudeln, wären in kochendem Wasser in weniger als einer Sekunde völlig zerkocht.
"Stärke ist ein vielversprechendes Material, da es reichlich vorhanden und erneuerbar ist. Nach Zellulose ist es die zweitgrößte Biomassequelle der Erde und es ist biologisch abbaubar, was bedeutet, dass es auch im Körper abgebaut werden kann", sagte Clancy.
Aber welchen Nutzen haben die Nano-Nudeln denn dann?
"Nanofasern, wie sie beispielsweise aus Stärke hergestellt werden, bieten Potenzial für den Einsatz in Wundverbänden, da sie sehr porös sind. Darüber hinaus werden Nanofasern auf ihre Verwendung als Gerüst für das Nachwachsen von Gewebe untersucht, da sie die extrazelluläre Matrix nachahmen - ein Netzwerk aus Proteinen und anderen Molekülen, das Zellen zu ihrer Selbsterhaltung aufbauen", wird Gareth Williams, der an der Studie beteiligt war, dazu zitiert.
In einem nächsten Schritt ist es dem Forschungsteam gelungen, aus ihren Nano-Nudeln feine Netze herzustellen. Denkbar sei, dass in dieser Form Filter oder Wundverbände zum Einsatz kommen könnten. Die Forschenden, deren Ergebnisse im Fachmagazin "Nanoscale Advances" veröffentlicht wurden, wollen die Eigenschaften ihrer Nano-Spaghettis in Zukunft noch genauer untersuchen. So soll zum Beispiel geklärt werden, wie lange die Nudeln brauchen, bis sie sich auflösen oder wie zellverträglich sie sind.
Quelle: ntv.de, jaz