Frage & Antwort

Nicht schlecht von sich denken Ist man im Spiegel schöner als auf Fotos?

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Erst ab einem bestimmten Alter, wenn man sich jünger fühlt, als man aussieht, beginnt auch das eigene Spiegelbild zu wackeln.

(Foto: imago/Westend61)

Sie hängen in Bädern, bedecken Fahrstuhlwände oder stecken als Klappvariante in Handtaschen: Spiegel. Das, was man tagtäglich darin sieht, stimmt allerdings meistens nicht mit dem überein, was man von sich auf Fotos erblickt. Warum?

Die meisten Menschen blicken morgens, bevor sie aus dem Haus gehen, mindestens einmal in den Spiegel. Das ist auch gut so. Denn dadurch gewinnen sie nicht nur einen Blick auf sich selbst, sondern bewerten auch blitzschnell das, was sie sehen. So kann eine gewisse Sicherheit entstehen, bevor man das Haus verlässt.

"Wir tun im Prinzip ein Leben lang alles dafür, um die eigene Persönlichkeit zu schützen", erklärt Nadine Kmoth n-tv.de. "Zum Schutz der gesunden Persönlichkeit gehört außerdem, dass man selbst nicht zu schlecht von sich denkt." Auch der Kontrollblick in den Spiegel gehört zu diesem Selbstschutzkonzept dazu, genauso wie beispielsweise das morgendliche Kämmen, Föhnen und Schminken bei Frauen oder die tägliche Rasur bei Männern.

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Das Spiegelbild täuscht.

(Foto: imago/Westend61)

"Erst wenn man mit dem zufrieden ist, was man sieht, traut man sich auch aus dem Haus", so die Autorin und Expertin für Körperrhetorik weiter. Man dreht sich also solange hin und her, neigt den Kopf oder verzieht den Mund, bis das, was man im Spiegel von sich sieht, mindestens als "in Ordnung" bewertet werden kann. Die Körpersprache passt sich also so lange an, bis sie zur eigenen Erwartung passt. Das Spiegelbild ist also variabel - und darüber hinaus seitenverkehrt. Das, was man darin sieht, wird als wahre Abbildung gespeichert. Doch es gibt noch mehr Gründe.

Da kein Mensch zwei identische Gesichtshälften beziehungsweise Körperhälften hat, sieht man die vermeintliche Schokoladenseite im Spiegel immer seitenverkehrt. Auf Fotos wiederum ist das anders. Sie geben die Seiten einer Person identisch wieder. Da man das nicht gewohnt ist, verblüfft das nicht nur, sondern lässt sogar eine innere Bewertung von "falsch aussehen" entstehen. Das Spiegeln von Fotos könnte diesbezüglich einen erheblichen Wiedererkennungswert schaffen.

Psychologen haben außerdem herausgefunden, dass man sich über die Jahre hinweg nicht nur an den Anblick der eigenen Person gewöhnt, sondern diesen im Laufe der Zeit auch positiver bewertet. Je häufiger man sich im Spiegel sieht, umso besser wird das Urteil dazu - zumindest im mittleren Lebensalter. Der sogenannte Mere-Exposure-Effekt wurde erstmals von Robert Zajonc beschrieben. Der US-amerikanische Psychologe erbrachte als Erster den Beweis dafür, dass Menschen Bekanntes als angenehmer und sympathischer empfinden als Unbekanntes. Das gilt übrigens nicht nur für die Selbstwahrnehmung, sondern auch für Musik, Menschen und Dinge des Alltags, wie zum Beispiel Fotos.

Starre Momentaufnahme

Egal, ob Schnappschüsse oder das aufwendig vorbereitete Bewerbungsbild: Sieht man sich auf einem Foto, dann erkennt man sich darauf kaum wieder, manche erschrecken sogar bei dem Anblick. "Bei Fotos handelt es sich um Momentaufnahmen, die im Gegensatz zum Spiegelbild durch Körpersprache nicht mehr beeinflusst werden können", erklärt Kmoth.

Vor allem bei Fotos, die andere von einem gemacht haben, stimmt das Selbstbild mit dem, was man sieht, ziemlich selten überein. Das liegt nicht nur an schlechtem Licht oder einem ungünstigen Winkel, aus dem das Bild gemacht wurde. Der Fokus bei der Bewertung solcher Momentaufnahmen wird nämlich vor allem auf die Unterschiede zwischen dem Selbstbild und dem, was man sieht, gelegt. Da erscheint die eigene Nase viel länger, die Falten an den Augen wesentlich tiefer und der Mund schiefer als man dachte. Freunde oder Bekannte können das Gezeter über solche Fotos meistens nicht nachvollziehen und beteuern, dass man doch ganz normal und wie immer darauf aussehe.

Selfie-Verliebte wissen es besser

Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen auf Fotos gilt natürlich nicht für die heranwachsende Selfie-Generation. Die Fotos, die seit einigen Jahren vor allem junge Menschen von sich selbst machen und veröffentlichen, unterliegen ebenfalls dem Gewöhnungs- oder Mere-Exposure-Effekt. Zudem werden aus einer Vielzahl von Smartphone-Bildern nur die veröffentlicht, die für gut oder passend befunden werden. Es wird also, ähnlich wie beim Spiegelbild am Morgen, solange probiert, gedreht und geübt, bis der richtige Winkel, die beste Schnute oder das günstigste Profil getroffen wird. Übung macht eben auch in diesem Bereich den Meister.

Übrigens: Forscher raten dazu, Bewerbungs- oder Profilbilder lieber von anderen aussuchen zu lassen. Sie begründen das damit, dass der Blick von Fremden auf Fotos genauer sei als der eigene. Feine Unterschiede könne man selbst gar nicht mehr gut erkennen. Und die sind ja oftmals entscheidend dafür, wie man von anderen wahrgenommen wird.

Quelle: ntv.de

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