Frage & Antwort, Nr. 160 Warum bleiben Papiertaschentücher ganz?
15.02.2011, 09:03 Uhr
Taschentücher eigneten sich früher überhaupt nicht für die Wäsche. Heute gibt es Produkte, die sich in der Maschine nicht auflösen.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Wenn ich vergesse, die Hosentaschen meiner kleinen Tochter nach Papiertaschentüchern durchzusehen und diese daher mal mitwasche, bleiben sie tatsächlich ganz. Ich kann sie als Knäuel aus der Wäsche ziehen. Woran liegt das? Früher lösten sich die Tücher doch immer in Krümel auf. Und darf man die Papiertaschentücher trotzdem noch in den Bio-Müll werfen? Unter welchen Umständen zersetzen sie sich? (fragt Melanie P. aus Lübeck)
Eigentlich dürfte es das Phänomen der mitgewaschenen Papiertaschentücher gar nicht geben. Denn medizinisch betrachtet gehören die praktischen Wegwerftücher nicht in Hosentaschen, sondern schon nach einmaliger Benutzung in den Müll. Doch diese Empfehlung ärztlicherseits scheint in der Praxis - bzw. außerhalb einer solchen - nicht allzu viele Anhänger zu finden. Hersteller von Papiertaschentüchern sahen den Bedarf an waschbeständigen Produkten und reagierten.

Rückt man gesundheitliche Aspekte in den Vordergrund, gehört das Tuch jetzt in den Mülleimer. Nicht in die Hosen- oder Jackentasche.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Was genau es ist, das die Tücher so stabil macht, erklärt uns Dr. Stephan Eichhorn, Leiter der Abteilung Prototyping & Chemistry Support der SCA Hygiene Products GmbH in Mannheim: "Papiertaschentücher werden mit einem Nassfestmittel ausgestattet, mit einer Art Polymer, das sich in Teilbereichen über das Fasernetzwerk der Zellulose legt. Das Mittel wird als Zuschlag in die Papiermaschine mit eingebracht und verfestigt sich dann im Laufe des Papiermaschinen-Prozesses. Und dann bekommen die Tücher eine Festigkeit, die auch im nassen Zustand Bestand hat", sagt der Experte.
Der Ingenieur kann uns auch die Chemie, die hinter dem Vorgang steht, vermitteln: "Bei der reinen Faser-Faser-Bindung der Zellulose, die getrocknet wird, kommen sich die Fasern so nah, dass eine so genannte Wasserstoffbrücken-Bindung entsteht. Das ist eine Kraft, die zwischen Molekülen wirkt, und sie reicht aus, um ein Papier, wenn es trocken ist, als Papier zu erhalten und nicht als Staub. Es zerfällt also nicht gleich wieder. Wird das Papier dann feucht, drückt sich das Wasser zwischen die Faser-Faser-Bindung." Was dann passiert, können wir uns vorstellen: Das Produkt löst sich auf.
Um das auszuschließen, arbeitet man mit den erwähnten Nassfestmitteln. Gibt man die Polymer-Lösungen mit in die Papiermaschine, lagern sich die Polymere, wie Eichhorn ausführt, vor allem an den Faser-Kreuzungspunkten der Zellulose an. "Wie einen Leimpunkt kann man sich das vorstellen", so der Fachmann."Die Fasern werden neben ihrer eigenen Bindung durch die Polymere noch fester zusammen gehalten, und damit erschweren diese das Auflösen im Nassen."

Hier geht jemand auf Nummer sicher...
(Foto: picture alliance / dpa)
Sie erschweren es. Sie machen es nicht unmöglich. Und damit wären wir beim zweiten Teil der Leserfrage. Werden die Tücher nass und dann auch noch kräftig umgerührt (siehe Waschmaschine), dauert es einfach eine Weile länger als ohne Nassfestmittel, bis sie sich auflösen. Spätestens beim dritten Waschgang wäre es wohl soweit. "Die Kompostierfähigkeit der Tücher wurde gemessen", sagt Eichhorn. "Sie gehen den Weg alles Irdischen und sind also auch weiterhin biologisch abbaubar." Grundsätzlich hat die biologische Abbaubarkeit der Tücher auch gar nichts mit der Waschmaschinenfestigkeit zu tun. Darauf weist uns Andreas Hömke hin, Ingenieur im Neusser Werk der SCA Hygiene Products GmbH. "Alles, was wir in der Papierherstellung nutzen, ist für den Lebensmittelkontakt zugelassen", betont er. "Und es dauert im normalen Kompost etwa drei Monate, bis sich das Taschentuch zersetzt hat."
Die Anwendung von Polymeren im Bereich der Tücher ist übrigens, wie Eichhorn erzählt, kein Novum. Bei Haushalts- bzw. Küchentüchern kommen die Nassfestmittel schon seit Längerem zum Einsatz. Und es gibt, wie uns der Experte wissen lässt, noch eine andere Variante: die so genannten Trockenverfestiger. "Da wird mit Bio-Polymeren gearbeitet", sagt Eichhorn, "also beispielsweise mit Stärken. Auch die haben eine gewisse Feuchteresistenz, sorgen aber nicht so lange für Festigkeit." Solcherart hergestellte Tücher überstehen dann also unter Umständen nicht jeden Schleudergang. So kann es durchaus sein, dass Sie - je nach Produkt - doch noch Papierkrümel in der Wäsche finden.
Quelle: ntv.de