Leben

Der Rattenfänger von Berlin Galerist Johann König mag's wild und anders

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Johann König zählt zu den einflussreichsten Galeristen des Landes.

(Foto: Lukas Gansterer)

Johann König zählt zu den wichtigsten Galeristen Deutschlands. Man könnte meinen, der Beruf sei ihm in die Wiege gelegt worden. Tatsächlich war es alles andere als absehbar, was aus ihm werden würde. Denn als Kind erleidet er einen schweren Unfall und erblindet.

Man muss keine Kunst mögen, um Johann König cool zu finden. Vielleicht steht man auf Yung Hurn und hat schon mal gesehen, dass der Rapper die König Galerie in einem Instagram-Post markiert hat. Oder vielleicht findet man den Hoodie so neckisch, in dem Katharina Barley anlässlich der Europawahl posierte - Marke: König Souvenir. Johann König ist mit seinem Berliner Unternehmen einer der einflussreichsten Galeristen des Landes, vermutlich der hippste. Und er hat verstanden, wie man sich zur Marke macht. Der 38-Jährige ist vielleicht nicht der It-Boy der Kunstszene, aber doch der, mit dem die It-Boys und -Girls gern abhängen wollen.

War ja klar das alles, ist man geneigt, zu sagen. Schließlich hat König das Gespür für Kunst quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Oder an der Hand des Vaters geübt. König ist der Sohn der Illustratorin Edda Köchl-König und des Kurators Kasper König, ehemaliger Chef des Museums Ludwig in Köln. Sein Onkel ist Walter König, der mit den Buchhandlungen. Johann König war also nicht völlig fachfremd in die Branche gestolpert, als er mit 21 Jahren seine Galerie gründete. Aber er wurde auch nicht zum Galeristen gemacht.

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Edda Köchl-König, Johann König, Kasper König: Zuhause in Köln mit Werken von Blinky Palermo, On Kawara und Andy Warhol, 1985-1987.

(Foto: Johann König)

"Mein Vater hat mir Kunst nicht erklärt", erinnert sich König. "Wahrhol und Beuys waren halt da. Man traf die, man guckte sich deren Arbeiten an." Es gibt ein altes Foto, auf dem der kleine Johann mit seinen Eltern vor dem Fernseher sitzt: Das Gerät steht auf einer der berühmten Brillo-Boxen von Andy Warhol. Einmal trommelte er daheim mit Besteck auf einer Metalltonne rum. Die war von Piero Manzoni, enthielt einen Kilometer Zeichnung und war nach ihrer Umfunktionierung zum Musikinstrument zerkratzt. Zu seinem Glück ließ sich das Kunstwerk polieren.

Welche Bedeutung die Freunde der Familie in der Geschichte einnehmen, erschloss sich König erst viel später während seiner Zeit im Internat. Eindruck schinden konnte er da mit seinem Wissen nicht. "Es war doch schon immer cooler, ein guter Skifahrer zu sein, als die Künstler im Kunstunterricht zu kennen, oder?", sagt er im Gespräch mit n-tv.de. "Trotzdem war es ein Privileg, mit so viel Kunst aufzuwachsen."

Ein Unfall, der alles verändert

Das Umfeld wurde ihm gegeben und damit auch die Sicherheit, darin geschickt zu navigieren. Und doch war es alles andere als absehbar, dass König mit seinem Blick für Kunst einmal Geld verdienen würde. König war blind. Mit elf Jahren schließt er sich in seinem Zimmer ein, um mit der Munition einer Startschusspistole zu hantieren. Irgendwie war ihm wohl klar, dass er da etwas Verbotenes macht, doch sein Plan ist denkbar unschuldig: Er will die Munition umfüllen. Sie steckt in kleinen Styroporkapseln, die fummelt er auf. Die Knallkörper sollen in eine Dose mit Angelblei - das passt von der Größe. Er wird sein Vorhaben nicht abschließen. Das Spielzeug explodiert in seinen Händen.

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Als er im Krankenhaus aufwacht, ist alles nicht schwarz, sondern rostbraun - so beschreibt König heute, wie er damals gesehen hat. Erst Jahre später nach einer Operation, konnte er wieder Umrisse erkennen, Farben. "Wenn man erblindet, verschwinden die Bilder im Kopf langsam, Stück für Stück", erklärt König. "Sobald man wieder sehen kann, hat man das Gefühl, es wäre nie anders gewesen."

Ob er Kunst aufgrund seiner Geschichte anders sieht? Ja und nein. "Ich weiß nicht, ob ich als sehender Galerist andere Sachen gezeigt hätte", überlegt er. Er vertritt viele Künstler, die mit konzeptionellen Ansätzen arbeiten, darunter etwa Jeppe Hein und Natascha Sadr Haghighian, die als Natascha Süder Happelmann derzeit den deutschen Pavillon der Kunstbiennale in Venedig bespielt.

Sein Halbbruder Leo König ist ebenfalls Galerist, allerdings in New York. Er hat Malerei von Jonathan Meese oder Nicole Eismann gezeigt. Dass Leo König im Gegensatz zu seinem kleinen Bruder Johann sein gesamtes Leben sehen konnte, könnte einen Unterschied gemacht haben, vermutlich aber keinen großen. Johann König hat eine andere Vermutung. "Vielleicht ist er durch seine Mutter bildlicher geprägt", mutmaßt er. "Die hing eher mit Georg Baselitz und A. R. Penck rum. Mein Vater dafür mit Dan Graham und On Kawara. Und das hat mich wohl beeinflusst."

Wunsch nach Bestätigung

Der einflussreiche Vater spielt in Königs Leben eine prägende Rolle. Er will ihm gefallen. Seine Erziehung erlebte König als unstet. "Es hat sehr gewechselt. Mal waren meine Eltern involviert, mal nicht so sehr. Mal war es laissez-faire, dann geprägt von einem Kollektivgedanken, dann wieder autoritär", erinnert er sich. "Zeitweise waren wir tatsächlich wie kleine Erwachsene." Das erklärt Königs Selbstständigkeit, seinen unbedingten Willen, früh etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und damit auch zu glänzen.

Seine erste Ausstellung macht König mit Jeppe Hein. Eine große Metallkugel donnert angetrieben von einem versteckten Motor durch die Galerieräume, ramponiert sie. Sein Vater hielt das damals für keine gute Idee. "Es war genau das Gegenteil von dem, was er mir empfohlen hat", sagt König. "Das war okay. So habe ich schnell gemerkt, dass das, was für ihn richtig ist, für mich nicht richtig sein muss." Der Erfolg gibt ihm Sicherheit. Bestätigung wünscht er sich weiter. "Das ist nicht mehr der Hauptantrieb", reflektiert er. "Aber ganz wird man das nie los."

Erfolgreiche Typen nutzen heute Meditations-Apps, Smoothie-Maker und Paartherapie. Jedenfalls kann einem das so vorkommen. König ist da angenehm altmodisch. Was das Geschäft anbelangt, ist er ein Fuchs. Und man kann sich vorstellen, dass er sich dafür auch schon mal wie ein Rockstar belohnt. König mag es wild und anders. Nur ins Detail gehen will er nicht. "Das ist dann doch zu wild und zu anders", sagt er. Jedenfalls fängt er nicht schon um fünf Uhr früh mit Sonnengrüßen an.

König sagt Dinge wie "Ich habe Angst, etwas zu verpassen". Und ist dann wirklich überall. Sicher, es gefällt nicht jedem in der Szene, wenn sich ein Galerist wie ein Popstar geriert. In Königs Erfolgskonzept geht potenzielle Ablehnung auf. "Das finde ich eben auch an Künstlern so toll", sagt er. "Die machen einfach Sachen, ohne dass sie jemand darum gebeten hat."

Macht mittels Instagram

Und deswegen funktioniert auch sein Galeriebetrieb ein bisschen anders als bei Kollegen. Er bringt ein Magazin raus, lässt seine Künstler Merchandise-Artikel anfertigen. "Mir geht es darum, das anspruchsvolle Programm niedrigschwellig zu machen und die ganze Galerie so offen wie möglich zu betreiben, um sehr viele Leute zur Kunst zu bringen", sagt König. Deswegen füllt seinen Ausstellungsraum in der Kreuzberger St. Agnes Kirche schon mal ein Zirkuszelt von Kathryn Andrews oder es warten Erwin Wurms menschengroße Gurken zur Bar umfunktioniert auf Schnaps-affine Ausstellungsbesucher.

Kathryn Andrews, Circus Empire, 2019, installation view, Courtesy the artist, KÖNIG GALERIE, Berlin & David Kordansky Gallery, LA, Photo by Roman März (16).jpg

Für die Ausstellung von Kathryn Andrews wurde in der König Galerie 2019 ein Zirkuszelt installiert.

(Foto: KÖNIG GALERIE, Berlin & David Kordansky Gallery, LA / Roman März)

"Wer keine Ahnung hat, kann trotzdem einen Zugang finden", erklärt König sein Konzept. "Oder eben nicht." Er sieht es als seine Aufgabe, Künstlern eine Öffentlichkeit zu geben. Deswegen ist seine Galerie zum Beispiel auch sonntags geöffnet und der Chef nahezu rund um die Uhr auf Instagram unterwegs, um anonyme Zuschauer durch die eigenen Räume zu führen - oder eben um neue Schaukel-Videos von der Tochter hochzuladen. Gehört auch dazu, glaubt König: "Ich finde es auch wichtig, dass man zeigt, dass das Leben nicht nur aus Kunst oder irgendwelchen Dinners besteht."

Fast 35.000 Menschen verfolgen auf Instagram, was Johann König ausstellt, wen er trifft und wie er sonst so eine Zeit verbringt. Für einen Galeristen ist diese Reichweite unüblich. Wieso ist er so gerne sichtbar? "Das spielt wahrscheinlich schon ein bisschen Narzissmus rein", gibt er zu und wagt sich dabei gleichzeitig nicht zu weit aus der Deckung, denn so machen es ja irgendwie alle, die sich online ein Gesicht geben. "Jeder, der da so aktiv ist, hat eine mehr oder weniger schwerwiegende narzisstische Störung!", sagt er und lacht. In Wahrheit hat er wohl erkannt, welche Macht eine starke Reichweite bedeutet.

"Du musst die Leute irgendwie kriegen. Auch Kunst funktioniert über große Geschichten. Deswegen schreibt die Presse ja auch so gern über Rekordpreise", erklärt König. "Ich bin wie ein Rattenfänger!" In Form von geckigen Kurzclips legt er seine Köder aus. Viele beißen an, manche rümpfen die Nase. Doch König kann kritische Stimmen ausblenden: "Wenn man etwas richtig durchziehen will, ist das auf alle Fälle besser."

Derzeit zeigt die König Galerie in Berlin die Gruppenausstellung "What Beauty Is, I Know Not", kuratiert von Kasper König. Am 26. Oktober eröffnen neue Ausstellungen von Michael Sailstorfer und Jose Dávila.

Quelle: ntv.de

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