Leben

Aus der Schmoll-Ecke Politisch Korrekte, hört nicht ABBA!

So sehen ABBA natürlich nicht mehr aus.

So sehen ABBA natürlich nicht mehr aus.

(Foto: dpa)

Unser Kolumnist kann den Hype um ABBA nicht nachvollziehen. Die Band kommt aus einem Land brutaler Nordmänner und -frauen und reduziert eine tanzende 17-Jährige auf äußere Merkmale wie "jung und süß". Es ist Zeit, die Berliner Schwedenstraße umzubenennen.

Der Zustand, dass ich die Welt nicht mehr verstehe, hält seit Monaten an. Es gibt kein einfaches Richtig oder Falsch mehr, alles ist so kompliziert und so wenig Schwarz-Weiß, dass es zu meinem schlichten Gemüt passen würde. Andauernd gibt es gute Argumente für die eine und die andere Seite, garniert von Beifall der falschen Seite, bevor ich überhaupt weiß, welche die richtige Seite ist. Das erfahre ich dann erst durch eine Meldung, in der darüber berichtet wird, was "das Netz" oder "die Netzgemeinde" dazu erklärt.

Ständig ist jemand betroffen. Wohin man schaut: Überall Betroffene, auf die man Rücksicht nehmen muss. Jüngst erblickte ich bei einer Recherche das Kürzel "LPI-GTH" und dachte: Schon wieder eine neue Personengruppe von Betroffenen, die ein Akronym erhalten hat, damit man sie als Betroffene erkennt. Aber es war die Landespolizeiinspektion (LPI) Gotha (GTH), die Zeugen für einen "Einbruch in eine Tankstelle" suchte. Viel Glück dabei. Aber bitte kein Racial Profiling. Auch Bio-Deutsche brechen ein.

Deshalb will die Linke in Berlin-Neukölln Razzien in Shisha-Bars stoppen: "Wenn nur ein Gewerbezweig öffentlichkeitswirksam kontrolliert wird, ist das stigmatisierend für Gewerbetreibende und ihre Gäste." Das stimmt, zumal bekannt ist, dass Mitglieder von Clans lieber ins Theater und die Oper gehen. Mir ist es egal. Ich bin nie in einer Shisha-Bar.

Ich breche auch nirgendwo ein, obwohl ich mich ab und an auf dünnes Eis begebe. Mit der Nummer, für die die LPI-GTH Zeugen sucht, habe ich definitiv nichts zu tun. Mein Alibi ist so dicht wie eine britische Tankstelle. Außerdem bin ich ein Sehr-Gutmensch. Wenn ich tanke, bezahle ich - auch die Gummibärchen - umgehend, wie man das als Sehr-Gutmensch nun mal zu tun pflegt. Obwohl die Verlockung aktuell groß ist, da man beim Mopsen eine Maske tragen darf, ohne von der Polizei wegen des Vermummungsverbots zur Rede gestellt zu werden.

Singen im Ganzkörperkostüm

Daran wird sich vorläufig nichts ändern. Es wird Ihnen nicht entgangen sein: Der Sommer ist vorbei und die Corona-Scheiße geht von vorn los. Karl Lauterbach ist wieder häufiger zu vernehmen und erklärt, dass alles noch viel schlimmer wird, wenn man nicht auf ihn hört, weshalb er so lange redet, bis alle auf ihn hören. Am Ende siegt eben doch die Vernunft. Immer! Sonst wäre die Welt doch längst schon untergegangen.

Ein privater Sender geht beispielhaft voran und lässt Singende, wie Sängerinnen und Sänger neuerdings politisch korrekt genannt werden müssen, damit die ganze deutschsprachige Welt erfährt, dass auch Frauen singen können, in Ganzkörperkostümen auftreten. "The Masked Singer" - vielleicht ist das der Weg aus der Pandemie. Kein Wunder, dass in Köln Karneval gefeiert wird.

Oder man macht es wie ABBA und lässt Avatare singen, die sich nicht anstecken können. Trotz dieses vorbildhaften Verhaltens verstehe ich den Hype um diese vier Musizierenden (früher politisch unkorrekt Musiker genannt) nicht. Sie kommen aus einem Land, in dem einst brutale Nordmänner und -frauen lebten, die - bevorzugt im alten England - plünderten und Christen abschlachteten, weshalb es Zeit wird, im Zuge der Neubewertung von Geschichte über eine Umbenennung der Berliner Schwedenstraße und der Stockholmer Straße nachzudenken.

Aus meiner Sicht ist es erstaunlich, dass die Rückkehr einer Gruppe auch hierzulande gefeiert wird, die in einem ihrer Lieder eine 17-Jährige auf ihre äußeren Merkmale "jung und süß" reduziert und es normal findet, dass eine Jugendliche ihre Zeit mit Tanzen vergeudet, statt sich in sozialen Projekten, für den Weltfrieden und gegen den Klimawandel zu engagieren. Wann wird das endlich angeprangert?

Ich verstehe nicht, warum all die Kämpfenden (früher politisch unkorrekt Kämpfer genannt) gegen soziale Ungleichheiten es ABBA durchgehen lassen, dass sie eine Frau in prekären Verhältnissen völlig unkritisch besingen, eine Arbeitende, die nach eigenem Bekunden "Tag und Nacht" schuftet, damit sie ihre "Rechnungen bezahlen kann". ABBA offeriert ihr keine vernünftige Perspektive, das triste Dasein hinter sich zu lassen. Dafür lässt sie die Band von "der Welt der Reichen" und einem Gewinn im Casino träumen, nach einem Mann suchen, der "Zaster, Zaster, Zaster" hat und sich dann auch noch selbst demütigt, da sie glaubt, "er würde nicht auf mich stehen". Diese Frau hat unsere Solidarität verdient!

Bobbi ist nicht ganz dicht

ABBA ist nichts für politisch Korrekte wie mich, kein Vorbild für die woke Jugend. Ich bin bekanntermaßen ein Mann der Tat. Also erkundigte ich mich bei "Chatbot Bobbi" auf dem offiziellen Portal des Bundeslandes, in dem ich wohne. Der begrüßte mich mit: "Hallo! Ich bin Bobbi und beantworte gerne Ihre Fragen zu ausgewählten Dienstleistungen der Berliner Verwaltung!" Meine Frage lautete: "Ich möchte die Stockholmer und die Schwedenstraße umbenennen. Was muss ich tun?" Seine Antwort: "Ich habe anhand Ihrer Eingabe wichtige Informationen aus dem Bereich Corona gefunden." Die ersten zwei genannten "Bereiche" waren: "Ich möchte einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entzug stellen. Wo kann ich das tun?" Sowie: "Ich möchte verreisen, aber mein befristeter Aufenthaltstitel läuft ab. Was muss ich tun?"

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Ich dachte: Bobbi ist nicht ganz dicht. Aber vielleicht war die Frage inhaltlich zu weit weg von "ausgewählten Dienstleistungen der Berliner Verwaltung" und der Corona-Gefahr. Also fragte ich Bobbi, der eine Maske trägt: "Ist es okay, ins Bordell zu gehen oder derzeit lieber nicht?" Wieder hatte der Chatbot anhand meiner Eingabe wichtige Informationen aus dem Bereich Corona für mich zur Hand. Sein Angebot: "Sollte ich aufgrund der aktuellen Lage lieber gleich auf Projektformate zurückgreifen, die kein Live-Publikum erfordern?" Und: "Kann ich mich derzeit freiwillig engagieren?" Freiwillig im Puff engagieren? Das überlege ich mir noch.

Ja, Berlin ist schon eine lustvolle Stadt, das muss ich immer wieder feststellen. Was hier angepackt wird, verliert Hand und Fuß. Hier klappt einfach nichts. Aber Hauptsache, die Razzien gegen Clan-Strukturen sind nicht stigmatisierend.

Quelle: ntv.de

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