Leben

Becoming a fan Warum ich mir ein Poster von Michelle Obama aufhängen würde

Amerika war noch nicht bereit für ihr natürliches Haar, sagt Michelle Obama über ihre Zeit mit geglätteten Haaren, damals als First Lady der USA.

Amerika war noch nicht bereit für ihr natürliches Haar, sagt Michelle Obama über ihre Zeit mit geglätteten Haaren, damals als First Lady der USA.

(Foto: IMAGO/Agencia EFE)

Mit langen Braids und spektakulärer Garderobe geht Michelle Obama mit ihrem zweiten Buch auf Tour. Das reicht schon, um sie zu einer Modeikone zu machen. Zu einem Vorbild wird sie aber dank der vielen klugen Gedanken in "Das Licht in uns".

Wie sie aussieht! Nein, ernsthaft. Wie sie jetzt aussieht! Diese Haare, diese Garderobe. Alles noch cooler, stärker, lustiger. Noch freier. Aber von vorne. Ich habe viele weibliche Vorbilder. Zum Beispiel die Freundin, die mich antreibt, mich mehr zu bewegen und mir den Kopfstand beibringen will. Die Frollegin, die sich auch oder gerade an trüben Tagen etwas Glitzerndes ans Revers heftet und mich immer daran erinnert, nicht nur ausschließlich dezent sein zu wollen. Künstlerinnen aller Art. Autorinnen und Alltagsheldinnen. Und sie natürlich. Die Ehefrau des 44. Präsidenten der USA, die ehemalige First Lady, Michelle Obama.

Es machte Spaß, ihr zuzusehen, wie sie als Bewohnerin des Weißen Hauses viele Dinge einfach mal ganz anders machte als ihre Vorgängerinnen. Wie sie dieses Haus öffnete, sich nicht scheute, die Welt in den Arm zu nehmen und selbst vor der Queen nicht haltmachte, nur weil die Regeln das eigentlich wollten und die Presse danach ein gefundenes Fressen hatte. (Lilibeth selber blieb cool, was sie wiederum auch zu einem Vorbild machte.) Dass es nicht einfach für sie war, in dem unbarmherzigen Politbetrieb sie selbst zu bleiben, ahnte man. Bestätigt wurde es in ihrem ersten Buch "Becoming".

Sie hatte mich mit dem ersten Buch

Spätestens mit diesem Buch hatte Mrs. Obama mich ganz und gar. Nicht nur ihre Lebensgeschichte, dieser unglaubliche Aufstieg bis hin zur ersten Adresse der USA, sondern vor allem, wie sie sie erzählt, schlug mich wie unzählige andere Leser in den Bann. Eine klare, zugängliche Sprache, keine Scheu, eigene Misserfolge aufzuzählen, zartfühlend oder unverblümt, je nachdem, was gerade nötig war. Wer etwa noch von einer US-Präsidentin Michelle Obama träumte, dem war nach der Lektüre klar: Nicht mit dieser Frau. Die hat genug von Politik auf diesem Niveau, die hat uns schon acht Jahre ihren Ehemann geliehen, das muss reichen.

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Ihr zweites Buch setzt genau dort an und ist in der Zeit der Pandemie entstanden. Es geht um Ängste und um Werkzeuge, die man sich zurechtlegen kann, um besser durch diese Welt zu kommen. Zum Beispiel Stricknadeln, um seine Unruhe einfach mal wegzuhandarbeiten. (Funktioniert übrigens.) Und es geht um Empathie und Offenheit. Lohnt es, sich neuen Menschen und Themen zu öffnen? Den eigenen Blickwinkel zu verändern? Ja, meint Michelle Obama und verrät, wie viele eigene Ängste sie überwinden muss, um neue Aufgaben anzugehen, neues Terrain zu erobern. Was einem entgehen kann, wenn man sich nicht überwindet, kann sie an einem ganz einfachen Beispiel aufzeigen: Hätte sie ihrer Angst vor Veränderungen nachgegeben, wäre ihr Barack niemals US-Präsident geworden, sie hätte ihn jederzeit stoppen können. Aber im Gegenzug brauchte sie dann als Werkzeug, als ihren Halt und Krücke, ihre Mama, die sie gleich mit einpackte, als die Familie ins Weiße Haus zog.

"(...) Meine Mutter neigt dazu, in das alltägliche Gespräch kleine Perlen der Weisheit einfließen zu lassen. (...) Tendenziell sind es nüchterne Gedanken, die ihr einfach so entschlüpfen, beinahe wie Münzen, die ihr aus der Tasche fallen. Seit Jahren sammle ich nunmehr diese Münzen, stopfe mir damit die Taschen voll und nutze sie als Leitfaden und als Werkzeug, um meine eigenen Zweifel und Sorgen als Mutter zu dämpfen." (Auszug aus "Das Licht in uns" und eins von vielen Beispielen für die schönen Sprachbilder)

Ist das alles nicht ein bisschen naiv?

"Alles schön und gut", mögen da viele denken. Da genießt eine Frau das Leben, hat materiell nichts mehr zu vermissen, ist eine Art Popstar und gut darin, einfache Botschaften zu verbreiten. "When they go low, we go high", und so weiter. Ist das alles nicht ein bisschen einfach? Sollte man das nicht kritischer beäugen?

Ja, viele dieser Sprüche sind plakativ und werden poppig auf T-Shirts gedruckt. Und ja, wenn man sich nur eine Mütze mit dem Slogan kauft, macht man es sich einfach. Wenn man sich aber tatsächlich bei Provokationen und Ärgernissen bemüht, seinen ersten Impulsen nicht nachzugeben, ist das eine der schwersten Übungen überhaupt. Es ist Arbeit, sich tatsächlich für andere einzusetzen und nicht nur Posts auf Social Media zu liken. Es erfordert Mut, sich über sich selber lustig zu machen und auch über die weniger glamourösen Momente zu berichten. All das ist aber auch der Schlüssel, um andere zu motivieren, mitzumachen, sich zu öffnen und gemeinsam zu überlegen, wie man es besser machen kann.

Was macht ein Vorbild aus?

Meine persönlichen Vorbilder beeindrucken mich weniger durch Perfektion, sondern damit, wie sie in dieser chaotischen, alles andere als perfekten Welt zurechtkommen. Da schneide ich mir dann hier ein Scheibchen Mut und Engagement, da ein Scheibchen Lebensfreude und dort vielleicht noch ein Hauch fröhliches Selbstbewusstsein und Chuzpe ab. Bei Michelle kommt das Vermögen, das Ergebnis ihrer Reflektion über die Welt in klare, unprätentiöse Worte zu gießen, hinzu. (Wer auch immer ihr dabei geholfen hat, die Texte so smooth zu machen, wird von mir übrigens mitgefeiert.)

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Weil die Geschichten einfach menschlich sind, kann sich jeder von Michelle Obamas Erzählungen etwas anderes mitnehmen. Die eine die Erkenntnis, dass selbst ein charmanter, intellektueller, gutaussehender Ehemann wie Barack Obama seiner eigenen Frau über Jahre gehörig auf den Geist gehen kann. Der andere wird den beschriebenen steinigen Weg wiedererkennen, wenn man sich als einer der Ersten aus der Familie ganz ohne nützliches Netzwerk auf den Weg zum sozialen Aufstieg macht. Die dritte kennt die unerbittliche innere Stimme, die einem stets die eigenen Fehler vorhält. Mit all diesen kleinen Berichten über sich oder andere erfüllt Michelle Obama die Aufgabe, die sie sich selbst gestellt hat: Jedem den Funken mitzugeben, den sie oder er gerade braucht, um die eigenen Ambitionen wieder zu schüren. Gäbe es einen Starschnitt und würde ich mir so etwas an die Wände hängen, Michelle würde mein Wohnzimmer tapezieren.

"Du läufst vielleicht den ganzen Weg hinauf zu einem Berggipfel, egal, welchen du erklimmen willst, ein Job, eine Schule, eine besondere Gelegenheit (...). Und wenn du erschöpft und schwitzend auf dem Gipfel mit der schönen Aussicht ankommst, triffst du garantiert immer auf einen klimatisierten Luxus-Reisebus und eine Gruppe von Leuten, die sich nicht angestrengt haben, sondern auf einer Zufahrtsstraße direkt nach oben gefahren wurden." (Auszug aus "Das Licht in uns") Fühlen Sie den Text auch so?

Quelle: ntv.de

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