Unterhaltung

Schlaflos in Schwabing Großes Kino mit Batic und Leitmayr

Batic und Leitmayr sind bereits seit 1991 in München im "Tatort"-Einsatz.

Batic und Leitmayr sind bereits seit 1991 in München im "Tatort"-Einsatz.

(Foto: imago/APress)

Die Silberrücken aus München schwächelten zuletzt - den Ruhestand zumindest in Rufweite, haperte es zuweilen an Einsatzwillen und Leidenschaft. Mit dem 73. Fall nun melden sich Batic und Leitmayr eindrucksvoll zurück - mit nicht weniger als einem ihrer besten Fälle.

Du weißt, dass du ein Problem hast, wenn der Wecker um 7 Uhr klingelt - und du schon in Lederjacke und mit tiefgeschürften Augenringen auf der Bettkante sitzt. Und das nicht nur einmal, sondern durchaus regelmäßig. Ivo Batic (Miroslav Nemec) taumelt am Rande des Burnouts, Panikattacken und schlechte Sicht säumen seinen Weg. Leidverstärkend wirkt zudem, dass sein steter Weggefährte der letzten zweieinhalb Dekaden, der nicht minder urlaubsreife Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), nicht nur sein juveniles Pulver verschossen, sondern auch den Blick fürs Wesentliche zu weiten Teilen aufgebraucht hat.

"Unser Leben ist der Tod - immer nur Leichen" entfährt es dem Franz schließlich zwischen zwei Kurzen in der Kneipe und in der Tat: Seit 1991 sind die Münchner im Einsatz. Damit sind sie nach Lena Odenthals Ludwigshafener Dependance das zweitälteste "Tatort"-Team. Da helfen auch keine Kalendersprüche vom Schlage "Jeder Tag ist ein neuer Anfang", im Gegenteil: Jeder Tag birgt ein neues Ende, und dem wohnt ein schreckliches Schaudern inne. In einem Vierteljahrhundert hatten es Batic und Leitmayr mit stattlichen 152 Toten zu tun.

Kein Motiv erkennbar

Doch all das, was diese vielen Toten für die beiden Münchner an Erfahrung mit sich gebracht haben, ist im neuesten Fall bestenfalls Makulatur. Vor dem Supermarkt will Ben Schröder (Markus Brandl) einem am Boden liegenden Mann helfen - und wird vor den Augen seiner japanischen Frau Ayumi (Luka Omoto) und seines kleinen Sohnes Taro (Leo Schöne) niedergestochen. Der Täter kann unerkannt flüchten, Schröder kämpft anschließend auf der Intensivstation um sein Leben. Was den Fall schwer bis unmöglich macht: Es lässt sich kein Motiv erkennen, Dutzende von einander widersprechenden Zeugenaussagen trüben die Sicht eher, als dass sie für Klarheit sorgen und auch eine ganze Turnhalle voller DNA-Tester und Getesteter bringt das Team kaum einen Schritt weiter.

Mit den angejahrten Ermittlern ist das so eine Sache: Lässt man sie auf ihre Schrulligkeiten und Schoten beharren in der Gewissheit, dass der Zuschauer den schmalen Weg zwischen Gewöhnung und Zuneigung mitgeht? Oder ist zuweilen ein Schritt zurück vonnöten, wenn schon nicht eine Neuordnung der Dinge, dann zumindest eine neue Anordnung?

Regisseur Sebastian Marka gelingt dieses Kunststück auf höchst unterhaltsame Weise: Die Art und Weise, wie die vertrackte Geschichte aus der Feder von Erol Yesilkaya den ohnehin auf wackeligen Beinen stehenden Münchner den Boden unter selbigem wegzieht, entwickelt sich zu einem unaufdringlich drastischen Stück "Tatort"-Entertainment, wie man es gerade von Langzeit-Angestellten lange nicht gesehen hat. Räume, Perspektiven, Szene, zuweilen so stoisch und reduziert angeordnet wie ein japanischer Pavillon, balanciert "Die Wahrheit" gekonnt zwischen Emotion und Gefühligkeit, Tätersuche und Psychostudie, ohne sich für eine Seite entscheiden zu müssen.

Unter dem Strich einer der am dichtesten inszenierten, besten Fälle von Batic und Leitmayr, der sein Selbstbewusstsein zudem mit einer unerhörten Pointe geradezu fatal bestätigt. München ist wieder da. Man darf jetzt schon auf den nächsten Fall gespannt sein.

Quelle: ntv.de, Von Ingo Scheel

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