Nach #belfie kommt #brelfie Stillende Mütter sind online zu eklig
28.02.2015, 12:58 Uhr
Stillende Mütter in sozialen Netzwerken sind vielen ein Dorn im Auge.
(Foto: Facebook/Jade Bell Photography)
Babys trinken Muttermilch - jedenfalls viele von ihnen. Dazu muss das Kind gestillt werden. Hinter verschlossenen Türen geht das in der Regel in Ordnung. In der Öffentlichkeit muss sich die Mutter rechtfertigen.
Nackte sind schön. Bilder von Nackten gucken sich Nackte wie Angezogene gerne an. In Sozialen Netzwerken hat man diese Bilder nicht so gerne - zu sexuell. Allerdings zensiert zum Beispiel Facebook Nacktheit auch dann, wenn sie nicht erotisch ist: Bilder von stillenden Müttern will man nicht sehen. Weil das vielen Frauen, die stillen, gehörig gegen den Strich geht, posten sie derzeit Still-Fotos unter dem Hashtag #brelfie, eine Mischung aus dem englischsprachigen Wort für Stillen, breastfeeding, und Selfie. Nicht zu verwechseln mit dem #belfie, dem Po-Selfie.
In Zensurfällen geht es bei Facebook wie auch bei Instagram in der Regel um Genitalien und weibliche Brustwarzen. Und obwohl im Still-Szenario Letztere eindeutig von einem kleinen Menschen verdeckt sind, stört sich Facebook an den Mutter-Kind-Bildern. Die Fotografin Jade Beall fotografiert Mütter und Kinder nackt - stillend, nicht stillend. Ihre Aufnahmen sind ehrlich und respektvoll. Ein Gruppenfoto gefiel besonders vielen Nutzern. Vielleicht sah auch gerade deswegen ein zorniger Nutzer ganz genau hin. Fand genau ein kleines Fleckchen Nippel, das Beall bei der Facebook-konformen Selbstzensur übersehen hatte und meldete das Bild. Beall musste nacharbeiten.
Säugen mal nicht selbstverständlich
Das Missfallen von Facebook geht so weit, dass entsprechende Fotos aus geschlossenen Gruppen zum Thema Stillen gelöscht werden: Kaya Wright wollte eigentlich nur einen Schnappschuss mit Gleichgesinnten teilen, doch das ging Facebook zu weit. "Facebook sagte, das Bild sei aufgrund von Nacktheit gemeldet worden, aber man konnte gar nichts sehen", erzählte Wright dem "Liverpool Echo". Vielleicht geht es bei der Bilderzensur eben doch nicht nur um Nackedeis.
Im besten Fall ist die Zensurpraktik von Facebook schlicht nachlässig. Weil Software nicht zwischen pornografischer und jugendfreier Nacktheit unterscheiden kann, müssen beide Formen dran glauben. Vielleicht jedoch bewahrheitet sich durch diese Praxis das unangenehme Gefühl, etwas eigentlich völlig Normales, Unspektakuläres, wie das Stillen des eigenen Kindes könnte eventuell doch nicht als Selbstverständlichkeit wahrgenommen werden - jedenfalls nicht außerhalb verschlossener Fenster und Türen.
Selbstbewusst, verletzlich, falsch
"Wenn wir eine Frau mit einem ungewöhnlichen Typ Körper sehen, die selbstbewusst doch verletzlich für einen Künstler posiert, ist es, als würde ich irgendwie die Regeln brechen", beschreibt Beall ihre Erfahrung gegenüber der "Huffington Post". Die Fotografin scheint Recht zu haben. Vor einigen Monaten posierte die Schauspielerin und frischgebackene Mama Olivia Wilde für die Zeitschrift "Glamour" mit Söhnchen Otis im Abendkleid. Auf einem Bild stillt sie das Kind. Wilde selbst kommentiert die gewöhnliche Situation mit einem beiläufigen Spaß: "Otis hat Milkshakes bestellt. Glücklicherweise hatte ich welche dabei. Dann hat er mir aufs Kleid gepinkelt. Gutes Kind", scherzt sie auf Twitter. Kritikerstimmen hat Wilde damit nicht verstummen lassen.
Mit dem Hashtag #brelfie kämpfen Mütter nun um Akzeptanz für etwas, das selbstverständlich sein sollte. Niemand muss in der Öffentlichkeit seine Brust entblößen, auch nicht, wenn dem Nachwuchs danach ist. Niemand muss Fotos des trinkenden Kinds ins Internet stellen. Aber jeder sollte nachvollziehen können, dass es pervers ist, wenn sich die Leute über die mehr oder weniger nackte Brust echauffieren, nicht, weil sie mehr oder weniger nackt ist, sondern weil sie zum Objekt völlig unerotischer Begierde wird. Eine Brust muss nicht nur Geilheit befriedigen, sie darf auch einen Nutzen erfahren.
Quelle: ntv.de