Dschungelcamp, Tag 12 "Sie weiß nicht, mit wem sie rumfickt"
26.01.2011, 08:44 Uhr
Hat - gewollt oder nicht - TV-Geschichte geschrieben: Sarah Knappik.
Die Sarah-Show ist vorüber. Was bleibt, sind viele offene Fragen, ein in tiefes Zwielicht getauchter Jay Khan und ein großartiger Moment der TV-Geschichte. Eine Zwischenbilanz.
"Wir brauchen unbedingt ein schnelles Tor."
"Das würde dem Spiel gut tun."
Yes! Nachdem uns Sarahs letzte Blutgrätsche im australischen Camp Nanou doch kalt erwischt hatte, sind wir zurück im Spiel. Und fragen Sie gleich mal: An die legendäre Fußball-Moderation von Günther Jauch und Marcel Reif erinnern Sie sich, oder? Aber wissen Sie auch noch, bei welchem Match, wo und wann sich der spektakuläre Torfall ereignet hat? Falls nicht, kein Problem, uns ist heute nach Steilvorlagen: Es war das Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund am - kein Aprilscherz - 1. April 1998. Und zwar im Madrider Bernabéu-Stadion und natürlich nicht etwa im Camp-Nou-Stadion von Barcelona. Da wollten wir, eine durchsichtige Spaß-Schwalbe wie wir sind, Ihnen natürlich nur einen Floh ins Ohr setzen.
Es sind Ereignisse wie dieses, die TV-Geschichte schreiben. Die Ereignisse, die man nicht planen kann, für die es kein Drehbuch gibt, und die wider Erwarten aus dem Ruder laufen - ob lustig, ernst oder gar traurig. Weitere Beispiele gefällig? Der Rauswurf von Eva Herman bei "Kerner", der Abgang von Cherno Jobatey bei "Zimmer frei", die vom Sender abgewürgte Moderation von Margarethe Schreinemakers zu den Vorwürfen der Steuerhinterziehung gegen sie, die Buntstift-Wette bei "Wetten dass..?" und natürlich auch der tragische Unfall von Samuel Koch vor Kurzem bei der ZDF-Show. All das sind Ereignisse, an die man sich auch noch nach Jahren mehr oder weniger gern erinnert, während alles drumherum in Vergessenheit gerät. Oder fällt Ihnen vielleicht noch eine andere Wette aus der Buntstift-Sendung ein?
Reif für Hollywood
So ist es schon geradezu eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet das viel gescholtene Dschungelcamp nun so einen starken, weil haftenden und von rund neun Millionen Menschen hautnah miterlebten TV-Moment geschaffen hat. Und zwar nicht etwa in erster Linie mit all dem, was man schon beinahe als Fünf-Staffel-Plan zur aktiven Erinnerungshilfe bezeichnen könnte – von den grandios bösartigen Moderationen über Kakerlaken-Särge bis hin zu Känguru-Klöten. Nein, sondern einfach nur durch das Abfilmen des Sozialverhaltens einer Schar Semiprominenter. Und das elf Jahre nach Ausstrahlung der ersten Staffel von Big Brother. Darauf - Prost, Zlatko - ein Shakespeare.
In einem hatte Sarah Knappik Recht: Nicht nur das Auftreten von Jay Khan, als sie ihre Enthüllungsgeschichte vor versammelter Mannschaft präsentierte, war reif für Hollywood, sondern die gesamte Szenerie in dem Camp während der vergangenen Tage. Wo sie jedoch Unrecht hat: Nicht alles, was um sie herum von Anfang bis zum Ende ihres Dschungelaufenthalts passierte, war von ihren Mitstreitern verfasste "scripted reality". Ganz zu schweigen davon, dass sie selbst freilich alles andere als ein Ausbund an unverstellter Natürlichkeit war. Manchmal, das scheint die 24-Jährige noch nicht in ihrem so umfangreichen Erfahrungsschatz zu haben, schreibt die besten Drehbücher dann eben doch ganz einfach das Leben.
Alles inszeniert?
Angesichts des dramatischen Stoffs, der uns da von RTL angeboten wurde, hören wir allerdings schon jetzt die ersten notorischen Medienskeptiker aufheulen, die Sarah Knappik beipflichten werden: "Ist doch alles inszeniert." Manch einer mag gar soweit gehen, dass er nicht nur Sarahs einstigen Teamkollegen unterstellt, an der Realität mitgeschrieben zu haben. Indirekt stimmt das in gewisser Weise natürlich. So nahmen die Macher der Sendung etwa durch die Wiederholung bestimmter Prüfungen, die die 24-Jährige abgelehnt hatte, bewusst und für das TV-Publikum ersichtlich Einfluss auf die Gruppendynamik. Dass zudem die Außenwahrnehmung beim Zuschauer immer auch davon abhängt, welche Szenen gezeigt und welche Schnitte gesetzt werden, versteht sich von selbst.
Wer jedoch darüber hinaus an eine direkte und für den Zuseher nicht ersichtliche Einflussnahme auf das Handeln einzelner Personen in dem Camp glaubt, kann getrost ins Reich der ewigen Verschwörungstheoretiker verwiesen werden. Denn dann wäre das Format erledigt. Und wer möchte angesichts des riesigen Erfolgs schon auf eine sechste Staffel verzichten?
Jeder spielt eine Rolle
Hinsichtlich der Camp-Bewohner - und zwar inklusive Sarah - indes ist klar: Natürlich ist ihnen ihre Rundum-Beobachtung durch all die Kameras bewusst - zumal sie im Gegensatz zum Zuschauer etwa bei den Dschungel-Prüfungen auch unversteckt mit ihnen und der zugehörigen Produktionsentourage einer TV-Show konfrontiert werden. Leute wie Katy Karrenbauer oder Mathieu Carrière, die in der Schauspielerei tatsächlich ihre "Berufung" gefunden haben, mögen darüber hinaus auch besser als andere wissen, sich dem anzupassen und damit umzugehen. Und natürlich spielt jeder der "Promis" unter diesem Eindruck eine gewisse Rolle, wie er sich präsentieren und wahrgenommen werden möchte. Im Camp mag dies also um Einiges ausgeprägter sein als im "normalen" Leben, in dem wir alle bekanntlich ebenfalls in unterschiedlichen Situationen verschiedene Rollen spielen - die Untersuchung von Rollenverhalten ist eine der ältesten Disziplinen der Soziologie.
Die von Sarah in den Raum gestellten Vorwürfe, ihre Mitstreiter seien alle durchgängig "Lügner", jedoch sind selbstredend Quatsch. Kaum ein Mensch würde es schaffen, tagelang über 24 Stunden hinweg sich als einen komplett anderen auszugeben, als er wirklich ist. Und das nicht nur trotz der Ausnahmesituation der Dauerbeobachtung, sondern auch gerade deswegen. Denn das ist ja genau das Schöne an einem Format wie dem Dschungelcamp - zumindest für den Zuschauer: Er bekommt fein säuberlich von "neutralen" Außenstehenden selektiert das Verhalten der Protagonisten über den gesamten Zeitraum hinweg aufgefächert. Die Redaktion von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" hat selbstredend die Quote der Sendung im Kopf, aber sich wohl kaum per se einen Sündenbock ausgeguckt.
So hat sich Sarah Knappik dann auch selbst und ihrem Auftreten zuzuschreiben, dass sich die Show schon bald nahezu ausschließlich um sie drehte. Was dabei beim TV-Zuschauer ankam, war, dass - entgegen ihrer Darstellung - vor allem sie es war, die an vielen Stellen eine theatralische und völlig überzogene Rolle spielte. Und dass man sich an anderer Stelle, etwa wenn sie einen - im wahrsten Sinne des Wortes - an ihren Kack-Problemen teilhaben ließ, gewünscht hätte, sie würde sich doch bitte etwas weniger natürlich gerieren.
Dschungel-Prüfung als Lackmustest
Noch deutlicher wurde und wird das ausgerechnet am umstrittensten Element der Sendung, den Dschungel-Prüfungen. Denn bei ihnen hört die Show auf. Ein Rattenschwanz-Getränk bleibt nun einmal ein Rattenschwanz-Getränk, ein Trog mit Fischinnereien bleibt ein Trog mit Fischinnereien und ein Loch mit Tieren darin bleibt ein Loch mit Tieren darin. Entweder man schluckt das so wie Jay Khan, springt hinein wie Thomas Rupprath oder steckt seine Hände rein wie Indira Weis - oder so wie Sarah Knappik eben nicht. Hier wird - in jeder Hinsicht - schonungslos deutlich, wie sehr Selbstdarstellung und Selbstbild eines Teilnehmers im Einklang mit seinem Tun und Handeln stehen. Und hier zeigte Sarah fundamentale Schwächen und Widersprüche. Nicht etwa, weil sie ihren gesunden Angst- und Ekelgefühlen nachgegeben hat - wobei sie sich dann doch die Frage stellen lassen muss, wieso sie sich überhaupt auf das Format eingelassen hat. Nein, sondern weil das in diametralem Gegensatz zu ihrem sonst vorgetragenen Selbstverständnis einer ach so angstlosen und aufopfernden "Kämpferin" stand.
Über all dem schwebt jedoch noch ein altes Sprichwort: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Angesichts ihrer nachgewiesenen Fleisch-Flunkereien, die Sarah Knappik nicht nur ihren Mitbewohnern im Camp, sondern auch den Moderatoren und Zuschauern in teils dramatischen Posen auftischte, ist ihre Glaubwürdigkeit schwer erschüttert. Deshalb und aufgrund des von ihr vermittelten Eindrucks einer gestörten Selbst- und Fremdwahrnehmung werden viele Zuschauer auch nach der in die Länge gestreckten Ausgabe von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" Zweifel an der Richtigkeit ihrer Enthüllungsgeschichte über Jay Khan haben - trotz ihres Schwurs auf "alles, was mir lieb ist" und "das Leben meiner Mutter".
Nur Phantasie?
Dabei gehen Sarahs Anschuldigungen gegen den Sänger noch weiter als bisher bekannt: Nicht nur, dass er ihr angeblich im Vorfeld der Sendung eine inszenierte Liebesgeschichte vorgeschlagen habe, erklärte sie. Der Sänger habe sich auch über die anderen Camp-Bewohner ausgelassen, darunter Indira, "dass sie eine ist, die alles für Geld machen würde". Zudem habe er ihr gedroht, "ihr das Leben im Camp zur Hölle zu machen", sollte sie nicht auf das von ihm vorgeschlagene Liebesspiel eingehen. Schließlich gipfelten die Vorwürfe der 24-Jährigen darin, dass Khan damit gegen Gerüchte über seine angebliche Homosexualität angehen wollte. "So 'nen bösen Menschen hab' ich noch nie in meinem Leben erlebt."
Alles nur eine Ausgeburt der blühenden Phantasie der 24-Jährigen? Anlass dafür, ihr in diesem Fall vielleicht doch Glauben zu schenken, gab der Sänger selbst. Er verstrickte sich in Widersprüche - zumindest musste er letztendlich einräumen, Sarah schon länger zu kennen und auch, sie vor dem Auftakt des Dschungelcamps getroffen zu haben. Und mal ehrlich, spätestens als er diese Sätze sagte, ging es einem schon durch Mark und Bein: "Sie wird die Stadt verlassen. Sie weiß nicht, was sie da gemacht hat. Sie weiß nicht, mit wem sie rumfickt. Sie hat keinen blassen Schimmer, wer ich bin und wer hinter mir steht. Sie hat keine Ahnung."
Und auch sonst erschien Khan zusehends aggressiv. Etwa gegen den zwischen alle Fronten geratenen Peer Kusmagk, den er nicht nur als "rückgratlos" und "Lappen" bezeichnete, sondern auch verspottete: "Das hätt' ich aber wissen müssen, als er mit 'nem Plüschaffen hergekommen ist."
Langhans ist raus
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Sarah Knappik hat das Camp verlassen. Und sonst? Peer ist mit den Nerven am Ende, Rainer Langhans musste aufgrund des Zuschauer-Votums und unserer seherischen Fähigkeiten ebenfalls gehen, und Jay und Indira meisterten gemeinsam wie ein frisch verknalltes Liebespaar die Dschungel-Prüfung "Am seidenen Faden", bei der sie sechs von sieben möglichen Sternen ergatterten. Mehr brauchen wir Ihnen nicht zu erzählen, denn wer diese denkwürdige Ausgabe von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" verpasst hat, ist ja wohl mal selbst schuld.
Stattdessen zitieren wir zum Schluss mal unseren SMS-Verkehr mit einer, nennen wir sie Kollegin während der Sendung:
Sie: "Es ist unerträglich!!!"
Wir: "Es ist großartig!!!"
Sie: "Peer ist ein Lappen!"
Wir: "Ja, aber ich glaube, sie sagt in Sachen Jay die Wahrheit. Und das ist krass, ey."
Sie: "Und Sarah ist vielleicht ehrlich, aber dumm wie ein gegrillter Känguruhoden am Stock!"
Wir: "Ich sag ja: Es ist großartig!"
Und wir schwören bei allem, was uns lieb ist, dass wir auch unter Folter in einem Kakerlaken-Sarg von unserem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werden.
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Quelle: ntv.de