Leni und Lotti verzücken Berlin So funktioniert Chinas Panda-Diplomatie


Leni und Lotti, das klingt sehr berlinerisch, doch die Tiere sind wie alle Pandas weltweit, chinesisches Eigentum.
(Foto: dpa)
Ende August kommen die beiden Panda-Mädchen Leni und Lotti im Berliner Zoo zur Welt. Eine Rarität, denn in freier Wildbahn gibt es die bedrohte Bärenart nur in China. Nur in seltenen Ausnahmen verleiht das Land Tiere ins Ausland - alles im Sinne der Diplomatie.
"Ich bin überwältigt von dieser Niedlichkeit", sagt der 25-jährige Adam aus Breslau, nachdem er im Zoologischen Garten in Berlin einen Blick auf den wenige Monate alten Panda geworfen hat. Die Bärenart aus China ist laut Weltnaturschutzunion (IUCN) "gefährdet", deshalb feiert der Zoo die Geburt der Bären im August als Zuchterfolg. Doch die Panda-Babys sind nicht nur eine Attraktion für Zoogäste, sie sind auch Botschafter im Auftrag ihrer Heimat China.
"Pandas sind ein Indikator für die Bedeutung, die China einer internationalen Partnerschaft zuschreibt", sagt Claus Soong, Politikwissenschaftler im Mercator Institute for China Studies. "Deutschland ist ein wichtiger Staat in der EU. China sieht in Deutschland einen strategisch bedeutenden Partner, auch deshalb schickt China Pandas nach Berlin."
Alle Großen Pandas gehören China. Damit hat das Land nicht nur die Hoheit über Bären, sondern auch die alleinige Entscheidungsmacht über ihren Fortbestand. Für Geld verleiht China die Bären ins Ausland. Deshalb gibt es Pandas weltweit nur in wenigen auserkorenen Zoos. Einer davon ist der Zoologische Garten in Berlin.
Berliner Bären: Pandas in der deutschen Hauptstadt
Als chinesisches Staatsgeschenk an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt kamen 1980 erstmals dauerhaft Pandas in den West-Berliner Zoo. Zuvor waren die Bären nur auf Stippvisite in deutschen Zoos. Als 2012 der letzte Panda in Berlin starb, gab es keine Pandas mehr in Deutschland - zumindest vorerst.
Während eines Staatsbesuchs 2015 in Peking brachte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Rückkehr der Pandas ins Rollen und ein Zucht- und Leihvertrag über 15 Jahre wurde ausgehandelt. Der Zoo zahlt pro Jahr eine Million US-Dollar (rund 920.000 Euro) für zwei Pandas. Diese sogenannte "Kompensationssumme" soll in Artenschutz, Zucht und Forschung der Chengdu Panda Base in China fließen. Zu den Kosten für Futter und Pflege gab eine Zoo-Sprecherin auf die Anfrage von ntv.de keine Antwort. Diese gehören zu den "Vertragsdetails, zu denen wir uns nicht äußern können".
2017 kam Chinas Staatschef Xi Jinping extra nach Berlin, um gemeinsam mit Merkel den Panda-Garden, ein für zehn Millionen Euro neu gebautes Gehege für die Großen Pandas, zu eröffnen. "Jiao Qing und Meng Meng werden Sonderbotschafter unserer beiden Länder sein und hoffentlich viele, viele Menschen erfreuen", sagte Merkel in ihrer Begrüßungsrede. "Dieses heutige Ereignis steht symbolisch für die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern."
Deutschland und China: Ein diplomatischer Balanceakt
Der Berliner Zoo ist der einzige in Deutschland, in dem die bedrohte Bärenart aus Fernost zu sehen ist. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Volksrepublik China sind seit ihrer Aufnahme 1972 ein Balance-Akt. Denn China ist für Deutschland "zugleich Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale", wie das Auswärtige Amt auf seiner Website schreibt. Einerseits war China 2023 mit einem Handelsvolumen von über 250 Milliarden Euro Deutschlands größter Warenhandelspartner.
Gleichzeitig bezeichnete die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock den chinesischen Präsidenten Xi Jinping 2023 als "Diktator". Laut Auswärtigem Amt bestehen grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten vor allem in Menschenrechtsfragen. Zudem ist sicherheitspolitisch problematisch, dass China seine Beziehungen zu Russland weiter ausbaut. Da ist es im Interesse Chinas, Deutschland zu besänftigen, auch mit Pandas.
Publikumslieblinge aus Fernost
Anders als andere Bärenarten wirken die pflanzenfressenden Pandas harmlos und freundlich. "Viele Menschen lieben Pandas, weil sie zu den niedlichen Bären eine Beziehung aufbauen können", sagt Soong. "Sie sind Haustiere für die Öffentlichkeit." Nachdem China 2011 Pandas als Leihgabe in den Zoo im schottischen Edinburgh geschickt hatte, stiegen dessen Einnahmen und Besuchszahlen dem "Guardian" zufolge auf Rekordniveau.
Auch in Berlin gehören die Großen Pandas zu den Lieblingen der Zoogäste, so die Sprecherin des Zoos. Inwiefern die Besuchszahlen aufgrund der Großen Pandas steigen, kann der Berliner Zoo auf Anfrage von ntv.de nicht beantworten. "Wetter, Ferienzeit und andere beliebte Tiere wie unser aktueller Social-Media-Star, Zwergflusspferd Toni etc. spielen ebenso eine Rolle beim Besuch des Zoos", sagt sie.
Kinder, Eltern und auch die Großeltern, alle haben ein Lachen auf dem Gesicht, wenn sie den Panda-Garden verlassen. "Die Bären machen Menschen glücklich", sagt Soong. Und weil Menschen die Pandas mit China verbinden, färbe dieser gute Ruf auch auf das Bild ab, was sich Menschen im Ausland von China als Land machen. So nutze China die Pandas als politisches Instrument, sich im Ausland einen guten Ruf zu verschaffen, sagt der Politikwissenschaftler.
Soong bezeichnet die Panda-Diplomatie als eine Art des Whitewashings, deutsch Schönfärberei. "Wir sehen nur das Schöne, das, was uns glücklich macht, also die niedlichen Pandas", sagt er. "Dabei vergessen wir vielleicht die problematischen Aspekte unserer Beziehungen mit China." Den von ntv.de befragten Zoogästen war die Diplomatie hinter den Bären durchaus bewusst. "Jeder kennt die chinesische Panda-Diplomatie", sagt der 26-jährige Zoobesucher Bartek aus Breslau, der zum ersten Mal einen Panda sieht.
Subtile Botschaften im Bärenpelz
Wie China die Bären als politisches Werkzeug einsetzt, zeigt sich auch am Beispiel der demokratisch-selbstverwalteten Insel Taiwan, die China wieder mit dem Festland vereinigen will - gegebenenfalls mit militärischer Gewalt. 2005 bot China Taiwan zwei Pandas namens Tuan-Tuan und Yuan-Yuan, übersetzt "Einheit" und "Wiedervereinigung", an. Taiwan lehnte die Bären zunächst ab. Erst nach einem Regierungswechsel in Taiwan 2008 kamen die Pandas in den Zoo von Taipeh.
Die Bedeutung der Namen der seit 2017 im Berliner Zoo lebenden "Sonderbotschafter" Jiao Qing und Meng Meng ist eher niedlich als politisch: "Träumchen" und "Schätzchen". 2019 gab es dann die Krönung der Verniedlichung: Zum ersten Mal wurde Panda-Nachwuchs namens Meng Xiang und Meng Yuan in Berlin geboren. Unter ihren deutschen Spitznamen Pit und Paule sorgten sie nicht nur in Berlin für Pandafieber.
2023 verließen die Panda-Jungen die deutsche Hauptstadt, um in der Forschungsstation in Chengdu zu leben, so gibt es der Zuchtvertrag vor. Laut einer Recherche der "New York Times" soll jedoch kein Jungtier, das in einem amerikanischen oder europäischen Zoo geboren wurde, jemals von China freigelassen worden sein.
Die 49-jährige Zoobesucherin Janina aus Göppingen erinnert sich an den Abschied von den Bären: "Das war traurig. Irgendwie entwickelt man einen Bezug zu den Bärchen und man denkt, die gehören nach Berlin. Aber so ist es nicht." Die 58-jährige Zoobesucherin Ulrike aus Stuttgart sieht darin "ein politisches Geschäft. Die Pandas sind ausgeliehen worden und gehören dem Staat China. Es ist schon grenzwertig, aber vielleicht kann man das in diesen Zeiten auch als Zeichen des Friedens sehen."
Auch die im August geborenen Bären-Mädchen, die am 100. Tag nach ihrer Geburt die chinesischen Namen Meng Hao "Guter Traum" und Meng Tian "Süßer Traum" bekamen, werden binnen vier Jahren den Berliner Zoo in Richtung China verlassen. Doch erst einmal helfen sie unter ihren deutschen Spitznamen Leni und Lotti vermutlich, Chinas Image in Deutschland zu versüßen.
Quelle: ntv.de