FDP: Schritt zur Realpolitik Kabinett stimmt Bezahlkarten-Entwurf zu
01.03.2024, 20:39 Uhr Artikel anhören
Die Bezahlkarte soll eine Option für die Länder und Kommunen bei der Versorgung von Migranten sein - kein Muss.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wenige Tage vor dem Treffen von Kanzler Scholz mit den Ländern drückt die Bundesregierung beim Thema Bezahlkarte für Flüchtlinge aufs Tempo. Das Vorhaben passiert das Kabinett und soll schon übernächste Woche in den Bundestag. Während die FDP jubelt, wächst die Kritik bei den Grünen.
Eine einheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber rückt näher. Das Bundeskabinett beschloss im Umlaufverfahren eine bundesgesetzliche Regelung für eine derartige Karte, die mehr Sach- statt Geldleistungen ermöglichen soll. FDP-Fraktionschef Christian Dürr dringt nun darauf, dass der Bundestag bereits in der kommenden Sitzungswoche ab 11. März einen Beschluss zur Bezahlkarte fasst. Allerdings gibt es bei den Grünen Kritik. Einige ihrer Politiker halten eine bundesgesetzliche Regelung anders als SPD und FDP für überflüssig. Mit der Karte soll etwa verhindert werden, dass Asylbewerber Geld an Schlepper oder an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen.
"Die FDP hat lange darauf gedrängt, anstelle von Bargeld eine Bezahlkarte für Asylbewerber einzuführen", sagte Dürr der "Rheinischen Post". Die Abschaffung von Pull-Faktoren wie Bargeld sei die zentrale Aufgabe, um die Anreize zu senken, irregulär nach Deutschland zu kommen. FDP-Innenexperte Stephan Thomae sagte, die Bezahlkarte werde "den überlasteten Kommunen helfen und dazu beitragen, Anreize irregulärer Migration zu reduzieren". Die Einführung sei "ein Schritt hin zu einer neuen Realpolitik in der Migration". Die Karte "wird die Anziehungskraft des deutschen Sozialsystems effektiv reduzieren", drängte auch FDP-Chef Christian Lindner bei X auf deren rasche Einführung. Auch der Städtetag begrüßte die Einigung.
Fratzscher: "Reine Symbolpolitik"
Zustimmend äußerte sich auch Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck. "Wir halten das Vorhaben grundsätzlich für richtig", ließ er über eine Sprecherin mitteilen. Dagegen kritisierte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Karoline Otte die Regierungsentscheidung. "Die geplante Bezahlkarte verhindert Integration", sagte sie dem Portal t-online. "Die Bezahlkarte spielt Rechtsextremen damit in die Hände." Sie sorge sich vor einer diskriminierenden Wirkung der Bezahlkarte, sagte auch der Grünen-Abgeordnete Julian Pahlke dem Nachrichtenportal. Kritik übte auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Diese sei "reine Symbolpolitik", schrieb er bei X.
Die Bundesregierung hatte am Vortag die Ressortabstimmung über eine Gesetzesformulierung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eingeleitet. Der Entwurf sieht eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vor, mit der eine Bezahlkarte ausdrücklich als eine Option zur Leistungserbringung genannt wird. Geldleistungen werden aber nicht ausgeschlossen: "Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Bezahlkarten, Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden."
Geplant ist, dass jedes volljährige leistungsberechtigte Mitglied eines Haushaltes eine eigene Bezahlkarte bekommen. Die konkrete Ausgestaltung der Karte soll den Ländern obliegen, die sich in einer Arbeitsgruppe auf Mindeststandards verständigt hatten.
Ein Streitpunkt war bisher auch die Frage, wie mit Asylbewerbern verfahren wird, die nach 18 oder künftig 36 Monaten Aufenthalt Leistungen in Höhe des Bürgergeldes bekommen. Dies solle nun im parlamentarischen Verfahren geklärt werden, hieß es im Portal Table Media. Gleiches gelte für den Umgang mit erwerbstätigen Asylsuchenden sowie mit Studierenden oder Auszubildenden.
Neue Bund-Länder-Runde am Mittwoch
Etliche Kommunen haben bereits Bezahlkarten für Asylbewerber eingeführt, allerdings jeweils mit anderen Regelungen. Deshalb pochten einige Bundesländer auf einen bundesweiten rechtlichen Rahmen. Die Ampel steht auch deshalb unter Druck, weil die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten kommenden Mittwoch mit Kanzler Olaf Scholz über den Stand der Umsetzungen der Asylvereinbarungen vom 6. November 2023 sprechen wollen. 14 von 16 Bundesländern hatten sich Ende Januar auf ein gemeinsames Vergabeverfahren zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege, wollen aber ebenfalls eine Bezahlkarte einführen.
Hintergrund ist die Eindämmung der sogenannten illegalen Migration. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums ist die Zahl der unerlaubten Einreisen nach Deutschland im Januar 2024 auf 6892 zurückgegangen. Zum Vergleich: Im Oktober 2023 waren es noch 20.073 gewesen. Die Zahl der Abschiebungen ist dagegen im Januar mit 1325 in etwa gleich geblieben (Oktober: 1378). Gesunken ist auch die Zahl der Erstanträge bei Asyl: Im Januar 2024 wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 26.376 Erstanträge entgegengenommen. Im Januar des Vorjahres waren dies noch 29.072 Erstanträge gewesen (minus 9,3 Prozent).
Quelle: ntv.de, jwu/rts/AFP/dpa