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Arbeitslose Ukrainer ausweisen? SPD zu Dobrindt-Vorschlag: "CSU sollte sich schämen"

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Der CSU-Landesgruppenchef Dobrindt will Kriegsgeflüchtete ohne Arbeit in die Ukraine zurückschicken. Viele der Schutzsuchenden sind Frauen und Kinder. SPD-Chefin Esken sieht das Hauptproblem im Mangel an Kita-Plätzen. Auch weitere Politiker kritisieren den Vorschlag hart.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat den Vorschlag von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisiert, ukrainische Kriegsflüchtlinge ohne Arbeit in ihr Heimatland zurückzuschicken. "Die Aufgabe von Politik ist es nicht, Forderungen auf dem Rücken von ukrainischen Geflüchteten in die Welt zu setzen, sondern dafür zu sorgen, dass es eine funktionierende soziale Infrastruktur gibt für alle Menschen, die in unserem Land sicher leben wollen", sagte Esken der "Augsburger Allgemeinen". Der Hauptgrund dafür, dass Ukrainer keine Arbeit hätten, seien fehlende Kindergarten- und Hortplätze. "Ich bin überzeugt, dabei kann auch die CSU in Bayern noch stärker mithelfen."

Dobrindt hatte der "Bild am Sonntag" gesagt: "Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine." Dabei ging es Dobrindt vor allem auch um den Bezug von Bürgergeld. Dobrindt sagte, das Bürgergeld sei zu Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine als schnelle Hilfe gedacht gewesen, aber längst zur Arbeitsbremse geworden. Es halte zu viele Menschen aus der Ukraine in der Sozialhilfe fest. "Wir brauchen stärkere Mitwirkungspflichten für Asylbewerber, wenn es um die Arbeitsaufnahme geht. Es muss ein Angebot auf Arbeit geben, und dieses muss Teil einer Integrationsleistung sein."

"Die CSU sollte das C für christlich endgültig aus ihrem Namen streichen"

SPD-Arbeitsmarktpolitiker Martin Rosemann verwies im Gegenzug auf Dobrindts Aussage darauf, dass viele der Ukraine-Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz vor dem russischen Angriffskrieg suchen, Mütter mit Kindern sind. "Die Hürden für ukrainische Geflüchtete beim Start ins Arbeitsleben liegen bei der fehlenden Kinderbetreuung, mangelnden Sprachkenntnissen und der langwierigen Anerkennung von Berufsabschlüssen", sagte er der "Bild am Sonntag".

Einige weitere Politiker kritisierten den Vorschlag von Dobrindt scharf. So sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der Zeitung, der russische Präsident Wladimir Putin lasse immer wieder Ziele in der gesamten Ukraine bombardieren. "Hierhin will Dobrindt jetzt auch Frauen und Kinder zurückschicken, die möglicherweise ihren Vater bereits an der Front verloren haben. Die CSU sollte sich schämen ob solcher Forderungen und das C für christlich endgültig aus ihrem Namen streichen." Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, sagte der "Welt", der Vorschlag der CSU, "Mütter mit kleinen Kindern in Kriegsgebiete abzu schieben" sei "unfassbar, populistisch und unchristlich". Sie kritisiert, dass die CSU keine Ideen abseits von Kürzungen erkennen lasse, wodurch Geflüchtete schneller in Arbeit kommen könnten.

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte: "Die Unterstellung, die Ukrainer kämen wegen des Bürgergelds zu uns, verkennt das Grauen des Krieges Putins." Er lehnte auch Vorschläge aus der Union ab, Ukrainern nicht sofort Bürgergeld zu gewähren, sondern sie zuerst ins reguläre Asylverfahren zu verweisen. "Natürlich müssen wir die Ukrainer noch schneller in Arbeit bringen. Aber neue rechtliche Hürden, wie sie die CDU will, helfen da doch nicht, sie schaden." Auch Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch äußerte sich gegenüber der "Welt" . "Dobrindt schürt Vorurteile gegen Menschen aus der Ukraine, damit macht er das Geschäft Moskaus in Deutschland", so Audretsch. In der Gesellschaft gebe es einen Konsens, all jenen Schutz zu bieten, die vor dem Krieg flüchteten. Die Union sei gerade dabei, diesen Konsens einzureißen.

Sonderstellung ukrainischer Geflüchtete im Asyl- und Aufenthaltsrecht

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine können in Deutschland seit Juni 2022 Leistungen der Grundsicherung (damals noch Hartz IV, heute Bürgergeld) erhalten - anstelle der geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Darauf hatten sich damals Bund und Länder verständigt. Begründet wurde die Änderung unter anderem damit, dass Flüchtlinge aus der Ukraine direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben.

Die deutsche Ausnahme für den Verzicht auf Asylverfahren bei Ukrainern basiert auf einer Entscheidung auf EU-Ebene. Demnach werden Ukrainer nach der EU-Massenzustrom-Richtlinie generell als schutzbedürftig angesehen und müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Die Geltung der Ausnahme wurde auf EU-Ebene gerade erst bis März 2025 verlängert.

Heil will ukrainische Geflüchtete "besser und schnell in Arbeit bringen"

Zuletzt hatten mehrere Länder-Innenminister verlangt, die Zahlung von Bürgergeld an ukrainische Kriegsflüchtlinge zu beenden und ihnen nur noch niedrigere Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuzugestehen. Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verlangte, neu ankommende Kriegsflüchtlinge sollten statt Bürgergeld Asylbewerberleistungen bekommen. Die Bundesregierung hat das bereits abgelehnt. Rosemann nannte den Vorschlag, sie aus dem Bürgergeld ins Asylverfahren zu packen, "populistischen Unsinn".

Geflüchtete Ukrainer dürfen hierzulande auch arbeiten. Anspruch auf Bürgergeld haben sie wie üblich nur, wenn sie über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügen. Im vergangenen Herbst hatte die Bundesregierung einen "Job-Turbo" angekündigt, um Geflüchteten mit Bleibeperspektive eine schnellere Vermittlung in Arbeit zu ermöglichen.

Nach Angaben von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil konnten inzwischen von den ukrainischen Geflüchteten 187.000 in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gebracht werden. "Mein Ziel ist klar, dass wir diejenigen, die als Geflüchtete im Bürgergeld sind, nicht nur die ukrainischen Geflüchteten, besser und schnell in Arbeit bringen müssen", sagte Heil im Deutschlandfunk vor Bekanntwerden von Dobrindts Äußerungen.

In der Union hatten sich zuvor auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gegen die Zahlung von Bürgergeld insbesondere an geflohene Ukrainer im wehrfähigen Alter ausgesprochen. Auch Sahra Wagenknecht teilt diese Meinung und vergleicht die deutsche Politik mit der dänischen. So sagte sie der "Welt", dass in Dänemark mehr als 80 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiteten, während es hierzulande nur ein Viertel sei, "empört die Bürger zu Recht". "Wer unseren Schutz in Anspruch nimmt, von dem kann man auch erwarten, dass er mit eigener Arbeit dazu beiträgt, die Kosten zu minimieren", sagte die BSW-Chefin. Entscheidend sei aber die Frage von Krieg und Frieden. "Sobald die Waffen schweigen, sollten die Menschen natürlich in ihre Heimat zurückkehren", sagte Wagenknecht.

Quelle: ntv.de, mes/dpa/AFP

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