Empörung und Entsetzen Trumps NATO-Drohungen alarmieren Politiker
12.02.2024, 18:05 Uhr Artikel anhören
Trump würde Russland "dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen."
(Foto: AP)
Trump stellt den Beistandspakt infrage und sorgt damit für Empörung. Aus Deutschland und der NATO kommt scharfe Kritik. Trump sei "unberechenbar, skrupellos und unzuverlässig", sagt der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link. Gefordert werden nun mehr Militärausgaben.
Aussagen des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump zum Beistand in der NATO stoßen in Deutschland auf scharfe Kritik. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte bei einem Besuch in Zypern in der Hauptstadt Nikosia: "Diese Äußerungen sind verantwortungslos und spielen sogar Russland in die Hände." Daran könne niemand im Bündnis ein Interesse haben. Mehrere Außenpolitiker äußeren sich alarmiert. Die Bundesregierung machte deutlich, dass sie weiter auf ein funktionierendes Bündnis baut.
Zuvor hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten, im Falle einer Wiederwahl säumige NATO-Bündnispartner nicht zu verteidigen, scharf kritisiert. "Jede Andeutung, dass Verbündete sich nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich die der Vereinigten Staaten, und setzt US-Soldaten und europäische Soldaten einem erhöhten Risiko aus", erklärte Stoltenberg in Brüssel.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte, die Äußerungen Trumps habe man "natürlich zur Kenntnis genommen". Sie betonte zugleich: "Die Bundesregierung setzt in ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik ganz klar auf das transatlantische Bündnis und die transatlantische Wertegemeinschaft und sieht ihre Sicherheit in der NATO gewährleistet."
Der frühere US-Präsident Donald Trump und jetzige Präsidentschaftsbewerber der Republikaner hat mit seiner Drohung, missliebigen europäischen Ländern den amerikanischen Schutz vor einem russischen Angriff zu entziehen, Kritik und die Forderung nach mehr Militärausgaben ausgelöst. In Europa wurden seine Aussagen auch als Weckruf verstanden, selbst mehr zu machen.
Deutschland muss seine Hausaufgaben zur Stärkung des Standorts und seiner eigenen Verteidigungsfähigkeit machen. Das sagte FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner bei einem Besuch in London. "Ich bin davon überzeugt, dass die transatlantische Partnerschaft im überragenden Interesse ist – egal, wer im Weißen Haus regiert." Mache Deutschland seine Hausaufgaben, sei es auch als Partner interessant für die USA. Gleiches gelte für Europa.
Bedrohung für die gemeinsame Sicherheit
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour reagierte bestürzt auf die Äußerungen Trumps zur NATO-Beistandspflicht. Die Aussagen hätten ihn leider nicht überrascht, sagte Nouripour. Trump habe sich häufiger bereits ähnlich geäußert, auch was dessen "emotionale Nähe" zu Russland angehe. Dennoch sei und bleibe das bedrohlich für die gemeinsame Sicherheit und "leichtsinnig gegenüber der NATO". Das Verteidigungsbündnis spiele sowohl für die Sicherheit der USA als auch Europas eine zentrale Rolle.
Gleichwohl betonte der Co-Chef der Grünen: "Im Ernstfall muss die Europäische Union, müssen die europäischen Staaten sich auch selbst verteidigen können." Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs habe die EU immer wieder gezeigt, dass sie im Zweifelsfall zusammenstehe und handlungsfähig sei. "Das ist extrem erfreulich, und wir werden diese Handlungsfähigkeit ausbauen müssen. Und wir werden uns selbst auch wehrhaft zueinander gesellen müssen, unabhängig davon, wie die Wahlen in den USA ausgehen."
Steinmeier sagte in einer Pressekonferenz mit Zyperns Präsident Nikos Christodoulidis, in den USA sei Wahlkampf: "Manches ist provokativ. Aber auch wenn es provokativ ist, heißt es nicht, dass wir es nicht ernst nehmen sollten." Zugleich appellierte er an die Europäer, nicht so zu tun, als sei die Wahl in den USA schon entschieden. In seiner Amtszeit hatte Trump Deutschland wiederholt vorgeworfen, zu wenig Geld für Verteidigung auszugeben.
"Unberechenbar, skrupellos und unzuverlässig"
Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link von der FDP, sagte dem "Tagesspiegel" "Donald Trumps irrlichternde Äußerungen zu den vertraglichen Verpflichtungen der USA im Fall des Angriffs auf ein NATO-Mitglied beweisen erneut, wie unberechenbar, skrupellos und unzuverlässig er ist." Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour bezeichnete die Äußerungen als bedrohlich für die gemeinsame Sicherheit und "leichtsinnig gegenüber der NATO".
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel sagte, die Aussage sei wie eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Verteidigungsbündnis zu testen. "Der testet uns dann nicht in Deutschland, aber vielleicht im Baltikum", warnte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte, ein Sieg Trumps bei der Präsidentschaftswahl im Herbst würde die NATO in eine existenzielle Krise stürzen. "Wer aus seiner Sicht nicht ausreichend zahlt, wird von den USA nicht beschützt", sagte er der "Bild". Deutschland müsse daher "verstehen, dass wir schon bald gar keine andere Wahl mehr haben könnten, als uns selbst zu verteidigen und das in einer Zeit, in der in Europa Krieg herrscht. Wir müssen das als Europäer schaffen, weil alles andere eine Kapitulation vor Putin wäre."
Bundesregierung dem Zwei-Prozent-Ziel verpflichtet
Für die Bundesregierung verwies Sprecherin Hoffmann grundsätzlich darauf, dass Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der NATO bei den Verteidigungsausgaben nun erfülle. "Wir setzen auf eine starke und handlungsfähige NATO", sagte sie. Und: "Wir sind jetzt dem Zwei-Prozent-Ziel verpflichtet und auch entschlossen, das weiterhin einzuhalten. Und wir sind uns der Gefahren, die von einem imperialistischen Russland für Europa ausgehen, durchaus sehr bewusst und was das auch für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der NATO bedeutet."
Die NATO-Länder hatte sich 2014 darauf verständigt, bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Die Bundesregierung wird dieses Ziel 2024 nach eigenen Angaben erreichen, auch dank des 100-Milliarden-Euro-Sonderkredits für die Bundeswehr. Finanzminister Christian Lindner hatte zudem versichert, dass dies auch über das Jahr 2028 hinaus so bleiben werde, wenn das Geld aus dem Sondertopf ausgegeben sein wird.
Quelle: ntv.de, gut/dpa/rts