Politik

Ampel droht Zerreißprobe Vier Gründe, warum der Haushalt 2025 so gefährlich ist

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die Haushaltsverhandlungen zwischen den Ampelfraktionen werden schwierig - und möglicherweise existenzbedrohend für die Koalition.

Die Haushaltsverhandlungen zwischen den Ampelfraktionen werden schwierig - und möglicherweise existenzbedrohend für die Koalition.

(Foto: picture alliance/dpa)

Den Haushalt für das laufende Jahr musste die Ampel im Eilverfahren zusammenschnüren - nun ist die Atempause vorbei. Die Etat-Verhandlungen für das kommende Jahr beginnen. Für die Koalition könnte das zur Stunde der Wahrheit werden.

Haushaltsverhandlungen in einer Koalition bedeuten immer: lange Nächte, Debatten, Streit. So weit, so normal. Doch wenn sich nun Vertreter von SPD, Grünen und FDP zusammensetzen, dürfte es eine oder auch zwei Nummern ernster werden. Die Haushaltsverhandlungen können im Laufe des Jahres durchaus zur ultimativen Belastungsprobe für diese Regierung werden - ihr Zerbrechen ist möglich.

Schon jetzt ist die Rede davon, dass ein zweistelliger Milliardenbetrag für den Haushalt des nächsten Jahres fehlt. Laut "Spiegel" sind es 25 bis 30 Milliarden Euro. "Der Haushalt 2025 wird im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Schuldenbremse ein enormer Kraftakt", sagte FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke ntv.de dazu. "Die Zeiten, in denen Regierungen in Bund und Land mit ständig steigenden Steuereinnahmen nahezu alle Wünsche gleichzeitig erfüllen konnten, sind vorbei."

Auch der CDU-Haushälter Mathias Middelberg schätzt die Situation als schwierig ein: "Dabei werden die Herausforderungen für den anstehenden Haushalt noch größer als für den Haushalt 2024", sagte er ntv.de. "Weitere Verschärfungen durch die lahmende Konjunktur und damit verbundene Steuerausfälle sind absehbar." Vier Punkte zeigen die Herausforderungen der Ampel.

Punkt eins: Die Wirtschaft läuft nicht gut, im vergangenen Jahr gab es eine Rezession, auch dieses Jahr ist Stagnation, allenfalls Mini-Wachstum zu erwarten. Das heißt, die Steuereinnahmen werden nicht mehr werden. Die sind zwar im historischen Vergleich sehr hoch, ja auf Rekordniveau, doch die Ausgaben sind es eben auch. Die Spielräume sind also gering.

Punkt zwei: Verschärfend kommt hinzu, dass die große Geld-Tankstelle der Ampel mittlerweile geschlossen ist. Ursprünglich wollte sie viele ihrer Vorhaben mit umgewidmeten Corona-Milliarden finanzieren, ohne diese auf die Schuldenbremse anzurechnen. Im November des vergangenen Jahres verbot dies aber das Bundesverfassungsgericht.

Punkt drei: Auf der Einnahmenseite ist wenig bis nichts zu machen. Eine Lockerung der Schuldenbremse empfiehlt zwar mittlerweile sogar der Sachverständigenrat der Bundesregierung, doch selbst das Wort dieser "Wirtschaftsweisen" verhallt bei der FDP. Die bleibt bei diesem Thema granithart. Da für eine Lockerung der Schuldenregel eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag gebraucht würde, müsste aber ohnehin die Union zustimmen. Die will aber auch alles so lassen wie es ist. Steuererhöhungen lehnt die FDP ebenfalls strikt ab.

Punkt vier: Der Verteidigungshaushalt muss weiter wachsen, wenn Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der NATO auch künftig noch erreichen will. Bislang gelingt das nur dank des Sondervermögens für die Bundeswehr. Das dürfte aber 2027 ausgegeben sein. Im laufenden Jahr tragen gut 19 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels bei. Es geht also um zweistellige Milliardenbeträge, die sich spätestens in drei Jahren im Verteidigungshaushalt wiederfinden müssten. Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner haben mehrfach gesagt, dass es kein neues Sondervermögen geben solle. Stattdessen soll das Zwei-Prozent-Ziel über den Verteidigungshaushalt erreicht werden.

Das klingt wie Zukunftsmusik, ist es aber nicht. Denn mit jedem neuen Haushalt wird die Finanzplanung für die kommenden fünf Jahre aktualisiert. Da die Zählung mit dem laufenden Jahr beginnt, wird diese nun bis zum Jahr 2028 reichen. In der bisherigen Finanzplanung bis 2027 fand sich kein massiver Aufwuchs im Verteidigungshaushalt wieder. Spätestens 2028 müsste das aber der Fall sein.

Mit Bordmitteln gegen die Krisen

Nun muss die Ampel also gewissermaßen mit Bordmitteln die großen Herausforderungen meistern, also den Übergang zu einer klimafreundlicheren Industrie, Digitalisierung, Investitionen in Infrastruktur und die Stärkung der Bundeswehr.

Die ganze Angelegenheit wird dadurch nicht leichter, dass das Vertrauen der Ampelpartner am Tiefpunkt ist. Es wird ohnehin schon darüber diskutiert, ob SPD, Grüne und FDP es noch über die Ziellinie schaffen, also bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025. Im schlimmsten Fall könnte der Haushalt für das kommende Jahr zu dem werden, was der Eisberg für die Titanic war. Nur, dass niemand glaubt, dass die Ampel unsinkbar wäre.

Dass eine Einigung dieses Jahr wieder schwierig wird, zeigt sich schon darin, dass die Regierung auch in diesem Jahr keine Eckwerte beschließen will, wie das "Handelsblatt" berichtete. Dabei geht es darum, die Budgets der einzelnen Ministerien schon einmal vorab zu umreißen, bevor dann später die Feinjustierung folgt. Das wurde auch im vergangenen Jahr unterlassen - lange bevor es das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gab und der Spardruck noch nicht so groß war. Monatelang stritten da FDP und Grüne um die Kindergrundsicherung.

Diesmal will Lindner den Ressorts gleich Obergrenzen setzen, statt sie selbst erst ihre Ansprüche formulieren zu lassen. Das dürfte bei den Ministern von SPD und Grünen nicht besonders gut ankommen. "Man weiß um die eigene Zerstrittenheit und schiebt deshalb die Zahlen bis in den Sommer, in der zweifelhaften Hoffnung, den Streit bis dahin gelöst zu haben", sagte CDU-Haushälter Mathias Middelberg ntv.de.

Wer mit dem vorhandenen Geld auskommen muss, aber mehr für die Großprojekte ausgeben will, muss irgendwo sparen. Die FDP würde am liebsten bei den Sozialausgaben ansetzen. Die machen mit gut 38 Prozent den größten Posten im Haushalt aus. Schon jetzt sagt Lindner, es dürfe keine neuen Ausgabenwünsche in diese Richtung geben. Haushälter Fricke sagte ntv.de, Aufgabe der Politik sei es auch "zum Teil unangenehme Entscheidungen zu treffen." Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte im Interview mit ntv.de, das Problem seien die Ausgaben. Handlungsbedarf sah er beispielsweise beim Bürgergeld. Doch dort anzusetzen, ist für SPD und Grüne wiederum die allerletzte Option.

Deswegen wird eifrig nachgedacht - so gibt es Überlegungen, beispielsweise Ausgaben für Verteidigung oder Klimaschutz nicht auf die Schuldenbremse anzurechnen. Ob das verfassungsrechtlich überhaupt geht, ist eine andere Frage.

Wackelige Statik der Ampel

Davon abgesehen gibt es noch eine kleine Hintertür. Die drei Ampelpartner vereinbarten mit ihrer jüngsten Haushaltseinigung, die Schuldenbremse womöglich auszusetzen, wenn die Ukraine plötzlich wesentlich mehr Geld bräuchte. Das könnte dann der Fall sein, wenn die USA nach einem Wahlsieg Donald Trumps ihre Hilfe einstellen sollten. Doch Lindner hat deutlich gemacht, dass selbst dann trotzdem zugleich gespart werden müsste.

Jetzt zeigt sich wieder die wackelige Statik der Ampel. Einst hatte man mit den umgewidmeten Corona-Milliarden so etwas wie einen Goldesel geschaffen. Der Regierung standen Milliardensummen zur Verfügung, ohne dass diese auf die Schuldenbremse angerechnet wurden. Seit Karlsruhe das verboten hat, wackelt die gesamte Konstruktion. Anschließend schafften es zwar Scholz, Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck, den Haushalt für das laufende Jahr im Eiltempo neu aufzustellen - doch das Ergebnis waren die Bauernproteste, die noch immer nicht abgeklungen sind.

Das war allerdings nur ein Vorgeschmack auf den Haushalt für 2025. Zumindest, wenn es stimmt, dass 20 bis 25 Milliarden Euro fehlen. Dann wird es mit dem Abbau eigentlich kleiner Subventionen wie der Dieselbeihilfe für Landwirte nicht getan sein. Es müssen grundsätzliche Richtungsentscheidungen getroffen werden. Sparen mit Schuldenbremse oder Investieren mit mehr Spielraum, dank gelockerter Schuldenbremse? Für diese Regierung geht vorerst nur Ersteres, solange die Schuldenbremse für die FDP unantastbar bleibt. Wo setzt man nun die Prioritäten? Hier auf einen Nenner zu kommen, wird die Herkulesaufgabe für die Ampel.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen