Leidige Steuerdebatte Der Staat hat kein Einnahmeproblem
08.09.2025, 15:20 Uhr Artikel anhören
Laut der jüngsten Steuerschätzung nimmt der Fiskus dieses Jahr circa 980 Milliarden Euro Steuern ein.
(Foto: picture alliance / Hans Wiedl/dpa-Zentralbild/ZB)
Im Bundeshaushalt klafft 2027 eine Lücke von bis zu 30 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund denkt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil laut über Steuererhöhungen nach. Doch eigentlich schwimmt der Staat in Geld.
Mit seinem Sommerinterview versuchte Bundeskanzler Friedrich Merz, die Steuerdebatte zu beenden - wahrscheinlich jedoch ohne Erfolg. Bereits mit ähnlichen Äußerungen auf einer Parteiveranstaltung in Osnabrück hatte Merz versucht, der Diskussion um höhere Steuern ein Ende zu setzen. Im Koalitionsvertrag vereinbarten SPD, CDU und CSU, die Steuern nicht zu erhöhen.
Im vergangenen Jahr haben in Deutschland Bund, Länder und Gemeinden insgesamt 947,7 Milliarden Euro Steuern vereinnahmt, so das Statistische Bundesamt. Das bedeutet einen Anstieg um 3,5 Prozent beziehungsweise 32 Milliarden Euro. Damit wurde die für 2027 prognostizierte Haushaltslücke des Bundes um zwei Milliarden Euro übertroffen. Allein der Bund nahm 2024 satte 374,9 Milliarden Euro Steuern ein, was einem Anstieg von 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Weiter steigende Steuereinnahmen
Laut der jüngsten Steuerschätzung nimmt der Fiskus dieses Jahr circa 980 Milliarden Euro Steuern ein. Das sind rund 32 Milliarden Euro oder 3,4 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Hinzu kommen weitere 800 Milliarden Euro an Sozialabgaben. Steuern und Abgaben summieren sich somit auf etwa 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Hinzu kommt, dass der Verteidigungsetat oberhalb von einem Prozent des BIP durch Schulden und nicht durch den Haushalt finanziert wird. Das gilt auch für die künftigen Investitionen in die Infrastruktur, die der Bund ebenfalls über neue Schulden und nicht durch den Haushalt finanziert. Damit müsste der Bund eigentlich über substanzielle Mittel für andere Bereiche verfügen.
Immer wenn der Staat mit dem Geld nicht hinkommt, fordern verschiedene Politiker höhere Steuern, vor allem für Vermögende und Gutverdiener. Dieses Mal wird beispielsweise eine höhere Erbschaftsteuer ins Spiel gebracht.
Tatsächlich werden in Deutschland laut den Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung rund 400 Milliarden Euro vererbt, was etwa der Größe des Bundeshaushalts entspricht. Die Schenkungs- und Erbschaftssteuer belief sich im vergangenen Jahr allerdings trotz eines Anstiegs um 12,3 Prozent nur auf 13,3 Milliarden Euro. Auf den ersten Blick scheint hier also noch einiges zu holen zu sein. Dabei wird jedoch vergessen, dass verschenktes und vererbtes Geld bereits versteuert wurde. Eine Doppelbesteuerung ist in Deutschland eigentlich nicht zulässig.
Falsche Verwendung des Geldes
Problematisch sind nicht nur die permanent steigenden Staatsausgaben, sondern auch die falsche Verwendung des Geldes. In den vergangenen Jahren sind vor allem die Konsumausgaben des Staates, etwa für Renten und Bürgergeld, immer weiter gestiegen. Allein im vergangenen Jahr flossen in Deutschland rund 1300 Milliarden Euro in staatliche Sozialleistungen. Das entsprach 31,2 Prozent des BIP. Dieser Betrag relativiert das Sondervermögen, also die geplanten Schulden für Investitionen in die Infrastruktur, erheblich. Hierfür sind gerade einmal 500 Milliarden Euro für die kommenden zwölf Jahre geplant. Wenn der Staat immer mehr Geld ausgibt, statt es zu investieren, kostet das Wirtschaftswachstum.
Jetzt hat der Bundeskanzler angekündigt, das Bürgergeld um rund zehn Prozent kürzen zu wollen - das entspräche in etwa einem Betrag von fünf Milliarden Euro. Dieser Schritt reicht also nicht annähernd, um die 2027 drohende Haushaltslücke zu schließen. Bleiben CDU und CSU bei ihrem Nein zu Steuererhöhungen, müssen auch andere Ausgaben stagnieren oder gekürzt werden. Im vergangenen Jahr belief sich die Staatsquote Deutschlands auf 49,7 Prozent und damit auf den dritthöchsten Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Kennziffer setzt die Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ins Verhältnis. Der deutsche Staat hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem.
Dr. Michael Bormann ist Steuerexperte und seit 1992 Gründungspartner der Sozietät bdp Bormann Demant & Partner bdp-team.de. Schwerpunkte seiner Tätigkeiten sind neben Steuern die Bereiche Finanzierungsberatung sowie das Sanierungs- und Krisenmanagement bei mittelständischen Firmen.
Quelle: ntv.de