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Die 25.000-Euro-Frage Was wichtiger als eine Jahresendrally ist

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Ob es zu einer Jahresendrally kommt?

Ob es zu einer Jahresendrally kommt?

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Wie immer um diese Jahreszeit fragen sich Anleger wieder, ob es an den Aktienmärkten in den letzten Wochen des Jahres noch einmal nach oben geht. Dabei könnte die richtige Auswahl der Einzeltitel sehr viel entscheidender für den Erfolg der Geldanlage sein.

Saisonal betrachtet zählen das vierte und das erste Quartal zu den tendenziell besseren Zeiten an den Aktienmärkten. Dazu kommt, dass im nächsten Jahr in den USA Präsidentschaftswahlen anstehen. Vorwahljahre gehören statistisch betrachtet ebenfalls zu den besseren an der Wall Street. Und die USA geben an den internationalen Aktienmärkten nach wie vor den Takt an.

Fundamental betrachtet spielen für die weitere Entwicklung von Dow Jones, Dax und Co. vor allem die Unternehmensgewinne eine entscheidende Rolle. Auch da sieht es eigentlich ganz gut aus. Trotz der insgesamt mauen Konjunktur entwickeln sich die Unternehmensgewinne weiterhin gut.

Markus Bergdolt ist bei der Qcoon-Invest seit 2016 als Senior-Berater im Vermögensmanagement tätig und verantwortet dort die Fondsauswahl.

Markus Bergdolt ist bei der Qcoon-Invest seit 2016 als Senior-Berater im Vermögensmanagement tätig und verantwortet dort die Fondsauswahl.

Doch die stark gestiegenen Zinsen sprechen eigentlich eher gegen Aktien. US-amerikanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit werfen wieder eine Rendite von fast fünf Prozent ab - und das ohne größere Risiken. Der US-Staat gilt als vergleichsweise sicherer Schuldner - ein Ausfallrisiko besteht kaum. Doch dass Anleihen wieder Spaß machen, dürfte mittlerweile den meisten Anlegern bekannt und in den Aktienkursen eingepreist sein.

Schlechte Stimmung ist gut

Angesichts dieser Rahmenbedingungen müssten die Börsianer eigentlich bester Laune sein. Doch das Gegenteil ist der Fall. Gerade diese miese Stimmung ist eine gute Voraussetzung für eine Jahresendrally. Denn Anleger, die positiv für Aktien gestimmt sind, sind in der Regel bereits investiert. Pessimistisch gestimmte Investoren verfügen weiterhin über größere Mittel, die sie investieren und damit die Kurse nach oben treiben könnten.

Die Aussichten, dass die Aktienkurse am Jahresende insgesamt höher als heute notieren, stehen somit gar nicht schlecht. Doch es kommt gar nicht so sehr darauf an, ob es zu einer Jahresendrally kommt oder nicht. In den kommenden Monaten dürfte sich die Spreu vom Weizen trennen.

Im bisherigen Jahresverlauf sind ETFs, die einen Aktienindex wie den S&P 500 nachbilden, insgesamt besser gelaufen als die meisten aktiv gemanagten Aktienfonds. Das lag vor allem an der hohen Gewichtung der Technologiewerte, die seit dem Start von ChatGPT regelrecht gehypt wurden.

Doch wenn sich die Euphorie wieder etwas gelegt hat, dürften die Anleger wieder genauer bei den einzelnen Aktien hinschauen. Und hier gibt es gravierende Unterschiede, selbst bei Werten aus derselben Branche.

Ein Beispiel: Bis Ende 2021 kannte die Aktie eines US-amerikanischen Produzenten von erneuerbarer Energie nur den Weg nach oben. Spätestens seit dem Inflation Reduction Act bekommt der Bereich reichlich Rückenwind durch staatliche Subventionen. Und was macht die Aktie? Seit mehr als eineinhalb Jahren fällt sie mit zuletzt zunehmendem Tempo.

Problematische Schulden

Bei einem näheren Blick in die Geschäftsberichte zeigt sich auch der Grund für den Absturz. Das Unternehmen hat zwar seit 1994 seinen Umsatz von damals 5,4 auf zuletzt rund 25 Milliarden Dollar gesteigert. Doch in derselben Zeit erhöhte sich die Nettoverschuldung von 4 auf 70 Milliarden Dollar. Der Versorger hat sich also sein Wachstum durch eine 18-fach höhere Nettoverschuldung erkauft und dies bei erstaunlich hohen negativen Cashflows. Angesichts der deutlich gestiegenen Zinsen stoßen die Anleger solche Unternehmen ab.

Die stark gestiegenen Fremdkapitalkosten teilen die Aktienmärkte in Gewinner und Verlierer. Gefragt sind Unternehmen mit tendenziell geringerem Verschuldungsgrad und hohen Barmittelzuflüssen, welche sie für Tilgungen oder Dividendenzahlungen verwenden können. Auf einmal sind wieder vermeintlich langweilige Unternehmen en vogue, die zwar nicht über viel Fantasie, dafür aber über jede Menge Substanz verfügen.

Zunehmend entscheidend werden eine geringe Verschuldung, die Fähigkeit, stabile oder besser noch steigende Dividenden auszuschütten, und hohe Markteintrittsbarrieren. Dabei kommt es weniger auf die Branche an, sondern auf die einzelnen Unternehmen. Selbst innerhalb der deutschen Versorgungsunternehmen gibt es enorme Unterschiede, was Profitabilität und Verschuldung anbelangt, was sich wiederum in der Kursentwicklung bemerkbar macht.

Anleger sollten also weniger auf bestimmte Aktienmärkte per Indexfonds oder auf bestimmte Branchen setzen, sondern vielmehr auf ausgesuchte Einzeltitel beziehungsweise noch besser auf Fonds, welche genau diese Kriterien bei Ihrer Titelauswahl beachten. Das macht zwar mehr Arbeit, dürfte sich am Ende des Tages aber auszahlen.

Diese Vorgehensweise schließt Investitionen in hochprofitable Technologieunternehmen nicht aus, weil viele dieser Unternehmen diese Kriterien erfüllen. Aber außerhalb der Technologiebranche gibt es noch unzählige weitere Unternehmen, welche die für einen langfristigen Anlageerfolg entscheidenden Kriterien erfüllen und die Volatilität gegenüber einem technologielastigen KI-Portfolio bei trotzdem guter Entwicklung senken.

Die 25.000-Euro-Frage

Anleger, die vor der Aufgabe stehen, beispielsweise 25.000 Euro an den Finanzmärkten anzulegen, sollten den Betrag wie folgt aufteilen. Mindestens die Hälfte des Geldes sollte immer in Aktien fließen, da diese langfristig die historisch höchsten Wertzuwächse liefern. Hier sind vor allem Qualitätswerte mit robusten Bilanzen, hohen positiven Cashflows, langfristig steigenden Gewinnen und hohen Markteintrittsbarrieren zu bevorzugen.

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Ein größerer Betrag kann gleichzeitig auf Anleihen erstklassiger Emittenten entfallen, da es hier wieder nennenswerte Zinsen gibt. Als Beimischung kommen immer etwas Gold und Cash für einen möglichen Nachkauf infrage. Denn wenn auch viel für eine Jahresendrally spricht, besteht zum Beispiel beim US-Aktienindex S&P 500 charttechnisch ein Korrekturpotenzial von zehn Prozent nach unten.

Markus Bergdolt ist bei der Qcoon-Invest seit 2016 als Senior-Berater im Vermögensmanagement tätig und verantwortet dort die Fondsauswahl. Davor arbeitete er im Private Banking und als Wertpapierspezialist bei der Sparkasse Karlsruhe.

Quelle: ntv.de

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