Wirtschaft

Wärme aus Granulat in Containern So erhitzt PepsiCo Frittierfett für Chips auf 300 Grad

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PepsiCo frittiert seine Kartoffelchips bei Temperaturen von 250 bis 300 Grad.

(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Kartoffelchips werden in europäischen Fabriken in der Regel mit Gas frittiert. Doch strenge Vorgaben sorgen zum Beispiel in den Niederlanden dafür, dass auch diese Wärmeprozesse dekarbonisiert werden müssen. Der US-amerikanische Lebensmittelkonzern PepsiCo setzt auf eine Lösung aus Deutschland: Das Energie-Unternehmen Kraftblock baut sogenannte Hochtemperaturspeicher aus Frachtcontainern und Keramik-Golfbällen, die Wärme speichern können. Das System sei nachhaltig, halte ein Leben lang und sei in vielen Anwendungen deutlicher günstiger als Wasserstoff, verspricht Kraftblock-Gründer Martin Schichtel im "Klima-Labor" von ntv. "Der ist im Vergleich zu unserer Technologie einfach nicht wirtschaftlich genug." Doch Aufträge aus Deutschland sind bislang rar gesät. Denn die deutsche Energiepolitik ist verglichen mit anderen Ländern beim Thema Wärmebedarf leider sehr träge, wie der Kraftblock-Chef erklärt.

ntv.de: Sie sind vor Kurzem in den Niederlanden als Partner von PepsiCo in die Herstellung von Kartoffelchips eingestiegen. Können Sie dieses Projekt einmal vorstellen?

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Martin Schichtel ist promovierter Chemiker. 2014 hat er zusammen mit Susanne König Kraftblock gegründet.

(Foto: Kraftblock)

Martin Schichtel: PepsiCo muss wie viele andere Unternehmen Dekarbonisierungsziele erreichen. In diesem Fall geht es um Wärme, die ich für die Herstellung von Kartoffelchips brauche, denn ich muss das Frittierfett irgendwie erhitzen. Das wird in Europa heute immer noch mit Gas gemacht. Wie kann ich das ersetzen und trotzdem Kartoffelchips produzieren? Wir haben vorgeschlagen, erneuerbaren Strom in Wärme umzuwandeln, die zu speichern und bei Bedarf in den Frittierprozess abzugeben.

Sie helfen anderen Unternehmen mit Wärmespeichern dabei, ihren Gasverbrauch zu reduzieren?

Ja. Strom, Windkraft, Photovoltaik fluktuieren. Mal habe ich mehr, mal weniger und manchmal gar nichts. Mit einem Speicher kann ich diese Fluktuationen wunderbar abpassen und trotzdem 24 Stunden lang Energie zum Frittieren der Chips bereitstellen.

Das Projekt von Kraftblock und PepsiCo

Die Kartoffelchipsfabrik von PepsiCo befindet sich nördlich von Amsterdam. Kraftblock will dort bis Dezember 2023 zwei Wärmespeichermodule mit einer Kapazität von 70 MWh für den Frittierprozess installieren. Diese sollen die bisherigen Gaskessel ersetzen. In naher Zukunft sollen drei weitere Module gebaut werden, um die Prozesswärme der Fabrik vollständig zu dekarbonisieren. Für die Wärmeerzeugung kauft PepsiCo grünen Strom des niederländischen Energieversorgers Eneco ein. Diese Wärmelösungen sind für die Dekarbonisierung entscheidend, denn: Die drei großen Energiegruppen einer jeden Nation sind Strom, Wärme und Kraftstoffe. In Deutschland liegt der Wärmebedarf aktuell bei 52 Prozent. Wenn also von Energiebedarf gesprochen wird, ist oftmals eigentlich Wärmebedarf gemeint.

Aber heißt es nicht häufig, Wasserstoff sei der Energielieferant der Zukunft?

Man kann über Wasserstoff in der Produktion sprechen, aber der ist im Vergleich zu unserer Technologie einfach nicht wirtschaftlich genug. Auch Wärmepumpen oder die Direkterzeugung von Thermalölen wären Möglichkeiten, die eignen sich allerdings nicht für höhere Temperaturen. Jeder weht gerne mit der grünen Fahne und sagt: Ich dekarbonisiere, ich bin ökologisch! Aber am Ende geht es darum, kein Geld zu verlieren oder sogar wirtschaftlich ein bisschen besser dazustehen.

Wie groß ist denn der Gasverbrauch von so einer Kartoffelchipsfabrik?

Damit kann ich eine kleine Ortschaft mit 3000 oder 4000 Einwohnern versorgen.

Und Wasserstoff ist dafür keine wirtschaftliche Lösung?

Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein, um in Deutschland und Europa die Energieversorgung der Zukunft aufzubauen. Technisch gesehen kann ich auch alles darauf umstellen. Aber ist das effizient? Denn ich muss Strom erzeugen und dann in Wasserstoff umwandeln. Dabei verliere ich 15 bis 20 Prozent der Energie. Wenn ich den Wasserstoff im Anschluss verbrenne, habe ich einen weiteren Energieverlust.

Wandele ich Strom stattdessen direkt in Wärme um, habe ich einen Verlust von einem Prozent, vielleicht zwei. Ich kann also viel mehr dieser wertvollen Energie für den eigentlichen Prozess verwenden als bei der Verwendung von Wasserstoff. Der eignet sich super, wenn ich bei 1400 Grad Stahl herstellen möchte. Auch als Langzeitspeicher von Energie oder als Sicherheitsreserve für den Kraftwerksbetrieb ergibt er Sinn.

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Modell eines Containers, der Wärmeenergie aufnimmt.

(Foto: Kraftblock)

Ein Argument für Wasserstoff ist, dass man diese hohen Temperaturen mit Strom nicht so einfach erreichen kann. Aber das ist bei der Herstellung von Kartoffelchips nicht gefragt?

Man kann hohe Temperaturen auch erreichen, wenn man Strom in Wärme umwandelt. Das funktioniert heute schon bis 1000 Grad. Bei unseren Kraftblöcken handelt es sich um Hochtemperaturwärmespeicher.

Hochtemperaturwärmespeicher?

Bei dem Begriff haben die Leute früher oft an Wasser gedacht. Aber Warmwasserspeicher oder Wasserdruckspeicher funktionieren nur bis 120 Grad. Bei Hochtemperaturwärmespeichern reden wir von 800, 900, 1000 oder sogar 1300 Grad. Das geht heutzutage. Mit diesen Temperaturen können viele Industrien arbeiten. Für die Anwendung bei PepsiCo sind zwischen 250 und 300 Grad nötig.

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Mit den Kraftblöcken soll grüne Energie vor allem für industrielle Wärmeprozesse gespeichert werden können.

(Foto: Kraftblock)

Für die Fritteusen?

Genau. Mit Systemen wie Warmwasserspeichern oder Wärmepumpen schaffe ich das nicht. Mit viel Glück kann eine Wärmepumpe 180 Grad erzeugen. Für Wasserstoff sind solche Temperaturen wiederum kein Problem. Aber dann verliere ich Energie, wenn ich ihn herstelle und noch ein bisschen, wenn ich ihn verbrenne. Die Effizienz ist niedrig.

Und das macht es teuer?

Ja. Durch die Verluste brauche ich deutlich mehr Strom, um die gleiche Wärmeleistung zu erzeugen. Das ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Ich muss mehr Windräder und mehr Solaranlagen aufbauen, um die Nachfrage zu befriedigen. Deswegen sind unsere Lösungen in Temperaturbereichen von unter 1400 Grad sehr gefragt: Wir bieten hocheffiziente Lösungen für annehmbare Kosten. Das gilt zum Beispiel für die Lebensmittelindustrie, die Papierindustrie und viele andere Industriezweige.

Wie genau funktionieren Ihre Kraftblöcke denn?

Von außen sehen sie tatsächlich aus wie schwarze Blöcke. Darin steckt ein bisschen Technologie, eine gewisse Menge Stahl und Isolierung, damit die Wärme nicht verloren geht.

Wie groß ist so ein Block?

Unsere Standardeinheit ist ein 20-Fuß-Container: Das sind die Container, die man auf Frachtschiffen oder LKW sieht. Die sind 6 Meter lang, 2,40 Meter breit und ungefähr 2,50 Meter hoch.

Und was steckt in diesen Containern?

Die werden mit einem Speichergranulat gefüllt. Das sieht aus wie eine Art Keramik-Golfball. Man könnte auch Naturmaterialien wie Vulkangestein, Sand oder Kies nutzen, aber die brauchen relativ lange, um Wärme wieder abzugeben. Wenn PepsiCo frittieren will, muss die Energie aber sofort da sein und nicht erst in einer halben Stunde. Wir haben dieses Granulat speziell für die Wärmespeicherung entwickelt. Es steckt viel Chemie und Materialwissenschaft drin.

Wo finde ich das Klima-Labor?

Das Klima-Labor finden Sie bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+ Musik, Apple Podcasts, Amazon Music, Google Podcasts, Spotify, RSS-Feed

Im Sinne der Nachhaltigkeit verwenden wir außerdem Rohstoffe wie Stahlschlacke, die sich für eine Kreislaufwirtschaft eignen. Die stammt aus der Stahlindustrie und landet normalerweise auf der Deponie. Für das Granulat wird sie mit Phosphat vermischt. Der gesamte Prozess dauert nur wenige Minuten und benötigt ein bisschen Strom. Wir brauchen keine Wärme und keinen Ofen.

Und dieses Granulat speichert später im Container die Wärme?

Genau. Man leitet einen Wärmeträger wie heiße Luft in den isolierten Container. Die streift über das Granulat. Das zieht die Wärme aus der Luft heraus und speichert sie. Ist der Speicher vollgeladen, drehe ich das Ganze um und schiebe kalte Luft rein. Die nimmt die Wärme wieder auf und bringt sie in den Prozess des Kunden ein. Das ist das Prinzip.

Das klingt gar nicht so kompliziert.

Unser Entwicklungsleitspruch ist "KISS": Keep it simple and stupid, denn in einem technisch einfachen System kann wenig schiefgehen.

Wie lange hält dieses Granulat? Wie lange kann man so einen Kraftblock benutzen?

In unserem Test haben wir das Granulat 15.000-mal beladen und entladen. Wenn ich das in meinem Unternehmen einmal am Tag mache, sind das mehr als 40 Jahre Lebenszeit. Allerdings haben wir diesen Test nach den 15.000 Zyklen irgendwann abgebrochen, weil die Qualität immer noch dieselbe war. Es wäre nicht falsch, zu sagen, dass das Granulat lebenslang hält.

Und je größer mein Wärmebedarf als Unternehmen ist, desto mehr dieser Container kaufe ich bei Ihnen?

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Das kann man so simpel ausdrücken, aber wir machen es ein bisschen komplizierter, um das System möglichst kleinzuhalten: Wenn sich rechnerisch ein 100 Megawattstundenspeicher lohnt, würden wir prüfen, ob mit intelligenter Nutzung nicht auch ein 60 Megawattstundenspeicher reicht. Denn um den Speicher zu betreiben, brauche ich Strom. Es läuft ein Gebläse, es sind Kontrollinstrumente verbaut. Auch diesen Energiebedarf wollen wir minimieren und möglichst effizient gestalten. Die Kunden müssen ja wissen, wie viel Strom sie benötigen und wo dieser zu welchem Preis herkommen soll.

Und warum wird dieses Projekt in den Niederlanden und nicht in Deutschland umgesetzt?

Die Frage haben wir uns auch häufig gestellt. Es gibt unterschiedliche Gründe, aber das Tolle an den Niederlanden ist die sehr strenge Regulierung. Die ist deutlich strikter als in Deutschland.

Das hört man selten als Vorteil.

Es ist aber tatsächlich so. Beispielsweise dürfen im Wohnbereich ab 2025 keine Gasheizungen mehr verbaut werden. In der Industrie dürfen neue Produktionsanlagen ab 2030 kein Gas mehr verfeuern, sondern müssen alternative Energiequellen nutzen. Die Niederlande und die nordischen Länder haben bei der Energiewende viel weiter in die Zukunft geschaut - und auch einen Schritt weitergedacht: Wie kann ich Wärme dekarbonisieren? Wie kann ich diesen Bereich auf erneuerbare Energien umstellen? Deutschland ist in dieser Hinsicht träge. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz bringt uns viel Wind- und Solarstrom. Aber gerade in der Industrie wurden fossile Energieträger noch bis vor Kurzem subventioniert. Betriebe mit hohem Gasverbrauch konnten die so günstig einkaufen, dass Maßnahmen zur Energieeffizienz wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn ergeben haben.

Mit Martin Schichtel sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch ist zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet worden.

Klima-Labor von ntv

Was hilft gegen den Klimawandel? "Klima-Labor "ist der ntv Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen und Behauptungen prüfen, die toll klingen, es aber selten sind. Klimaneutrale Unternehmen? Gelogen. Klimakiller Kuh? Irreführend. Kunstfleisch? Das Grauen 4.0. Aufforsten im Süden? Verschärft Probleme. CO2-Preise für Verbraucher? Unausweichlich. LNG? Teuer.

Das Klima-Labor - jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+ Musik, Apple Podcasts, Amazon Music, Google Podcasts, Spotify, RSS-Feed

Quelle: ntv.de

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